
Für Wachstum optimieren Online-Händler Reichweite und Preise. Doch damit allein ist es noch nicht getan - Kunden müssen Handelsmarken auch mögen.
Die Verzweiflung scheint groß zu sein im Online-Handel: Für die Kinderdaunenjacke gibt’s 60 Prozent Rabatt, für den Wollpullover 40. Nach dem ersten Besuch im Online-Shop lockt der E-Book-Reader via Retargeting-Anzeige mit einer Preisreduzierung von 20 Prozent zum erneuten Besuch ein, der Laptop ist dann sogar 40 Prozent billiger: So viele Schnäppchen wie in diesem Jahr gab es im Internet noch nie. Und das ausgerechnet zur Weihnachtszeit, wenn alle Welt nach Geschenken sucht, die Euros lockerer als sonst sitzen und der Handel sich über hohe Bons freuen sollte.
Normalerweise erzielen Händler bis zu drei Viertel ihres Umsatzes in der Vorweihnachtszeit. In diesem Jahr werden jedoch die Marktgesetze außer Kraft gesetzt. "Die Konkurrenz im E-Commerce wird immer härter“, beobachtet Martin Rothhaar von der Beratung Elaboratum. "Die einfachste Strategie Kunden einzufangen ist zunächst der Rabatt.“ Doch das ist ein zweischneidiges Schwert: Angesichts schnell purzelnder Preise fragen sich die Kunden, ob die Qualität der Ware stimmt, oder kalkulieren die Händler etwa mit zu hohen Preisen?
Als Folge wechseln sie den Shop oder geben den Kauf ganz auf. Beim Handel mindern die Rabatte zudem Einnahmen und Gewinn. "Händler müssen sich überlegen, ob sie die Preisschlacht zu Weihnachten 2015 wieder mitmachen“, sagt Rothhaar. "Wer sich langfristig als Spezialist oder als vertrauenswürdiger Händler positioniert, kann dem Preisdiktat entgehen.“
Langfristige Kundenbindung durch Seriösität - nicht durch Größe
Profilierung und Imagepflege heißt die nachhaltigere Alternative zur Preisspirale. Mit einem markanten Angebot, kundennahen und zum Angebot passenden Services sowie durch die strategische Auswahl von beliebten Bezahlsystemen, Produktsuchen oder Preisvergleichen können sich gerade kleinere und mittelständische Online-Shops gegenüber bekannteren Marken wie Amazon, eBbay oder Zalando behaupten. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest die Studie "E-Commerce Markenchampions 2014/ 2015“ von Elaboratum.
Untersucht wurden die bekanntesten Marken entlang der sogenannten Customer Journey, des Prozesses vom Suchen und Entdecken eines Produkts bis hin zu seinem Kauf. Rund 1.500 Kunden wurden befragt, ob sie Services und Shops kennen - und sofern sie sie kannten, wie glaubwürdig, sympathisch, einzigartig oder attraktiv sie die Namen bewerten.
Eine Ergebnis der Analyse: Bekannte Marken mit hoher Reichweite haben nicht automatisch ein gutes Renommee. Google etwa nutzen mehr als 90 Prozent der deutschen Verbraucher, nur knapp 66 Prozent halten die Suchmaschine aber beim Preisvergleich für vertrauenswürdig.
Billiger.de kennen 91 Prozent, aber nur für etwa 60 Prozent ist der Preisvergleich transparent und glaubwürdig. Auch Zalando ist den meisten Verbrauchern ein Begriff, doch nur rund 60 Prozent finden den Modehändler sympathisch. Die Folgen, wenn Marken nicht als seriös gelten: schneller Wechsel, fehlende Loyalität und Kundenbindung - unter Umständen sogar mehr Retouren: "Bei einem Shop, den ich nicht so mag, fällt mir das Rücksenden von Waren leichter“, zitiert Rothhaar Kundenmeinungen.
Mit Bestnoten in allen Kategorien hat sich der Online-Shop Thomann.de als ein Markenchampion im E-Commerce entpuppt: Das Unternehmen mit Sitz im fränkischen Burgebrach verkauft Instrumente, Verstärker, Mikrofone und Zubehör in ganz Europa.
Es bietet einen Teil seiner Angebote zwar in Preisvergleichen wie Billiger.de, Google Shopping oder Geizhals.de an, hat sich aber im mittleren Preissegment etabliert. Thomann wächst so um bis zu sieben Prozent pro Jahr: "Das ist für unsere Branche ziemlich gut“, meint Hans Thomann. "Die Zeit der großen Zuwächse ist vorbei“.
Über Jahre hat sich Thomann durch intensive Beratung am Telefon, per Mail und auf seinen Websites beliebt gemacht. Wer kauft, findet neben Produktbeschreibungen Testberichte, Kauf-Rankings und alternative Marken. Er kann sich auf den Reparaturservice verlassen sowie auf eine um zwei Jahre verlängerte Rundumgarantie für alle Geräte.
Kunden vergeben für solche Services Bestnoten, wenn es um Werte wie Vertrauenswürdigkeit, Zuverlässigkeit und Sympathie geht. Thomann kann von treuen Stammkunden in ganz Europa berichten und von Empfehlungen, die neues Geschäft bringen. Das Unternehmen erwirtschaftet rund 500 Millionen Euro im Jahr und wächst weiter.
Langfristige Kundenbindung durch Steigerung der Beliebtheit
Spezialisten wie Thomann gelingt es leichter, sich gegen Konkurrenten wie Amazon und eBay durch ein unverwechselbares Angebot und passenden Service zu behaupten. Unter den Markenchampions ist daher auch kein weiteres Online-Kaufhaus zu finden, sondern neben Thomann und eBay noch ein Spezialist: Zooplus.
Der Tierfutterhandel nimmt Kunden durch seine übersichtliche Seite, viele Informationen sowie ein lebhaftes Forum für Fragen rund ums Tier für sich ein. Zooplus löst mit dem Lieferservice ein Problem von Tierliebhabern - den Transport von sperrigen Spielsachen und Möbeln oder schweren Vorratspackungen.
Die Beliebtheit von Online-Shops nimmt noch zu, wenn sie auf bekannte und sympathische Dienstleister setzen. Das gilt bei Referenzen für die eigene Zuverlässigkeit, also einem Shop-Siegel, wie auch den Bezahlarten.
80 Prozent der Kunden brechen die Bestellung in einem ihnen unbekannten Shop wieder ab, 88 Prozent, wenn sie auf unbekannte Zahlarten treffen. Befinden sie sich noch im Such- und Informationsprozess, schrecken unbekannte Namen allerdings weniger ab: Eine Suchmaschine, die sie nicht kennen, verlassen nur 44 Prozent.
Erwiesenermaßen lieben deutsche Verbraucher Rechnungskauf, Überweisung, Bankeinzug und Paypal. Das Bezahlsystem aus den USA hat aufgrund seiner internationalen Verbreitung einen guten Namen, aber auch, weil es praktisch, einfach und für jeden leicht verständlich ist. Mithilfe von Paypal können Händler sogar die in Deutschland ungeliebte Vorauskasse durchsetzen: Die Treuhandkonto-Funktion garantiert allen Beteiligten, dass es nicht zu Verlusten kommt. Paypal ist damit die vertrauenswürdigste und beliebteste E-Commerce-Marke der Deutschen.
"Je unbekannter ein Shop ist, umso wichtiger wird ein bekanntes Prüfsiegel“, so Rothhaar. Fehlt eine solche Referenz, verlassen 83 Prozent der Käufer den Shop. Die bekanntesten Siegel sind der geprüfte Shop von Ontrust.net, S@fer Shopping sowie Trusted Shops. Letzterer ist am beliebtesten, da er als besonders glaub- und vertrauenswürdig sowie sympathisch gilt.
Spezialisierung, praktische Services und ein guter Name: So lassen sich sogar die preissensiblen Deutschen dazu hinreißen, mehr auszugeben - nicht nur für Geschenke.