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Lutz Heilmann (Die Linke)
Sonstiges 17.11.2008
Sonstiges 17.11.2008

PR-GAU dank Wikipedia: Lutz Heilmann

Legte sich mit Wikipedia an: Lutz Heilmann

Legte sich mit Wikipedia an: Lutz Heilmann

President Elect Barack Obama hat seine politische Karriere zu einem guten Teil der Tatsache zu verdanken, dass er das Internet verstanden hat. Vom Linkspartei-Politiker Lutz Heilmann darf man sowas nicht unbedingt behaupten. Seine Aktion gegen Wikipedia dürfte für ihn nach hinten losgegangen sein.

Kennen Sie Lutz Heilmann? Bis vergangenen Donnerstag werden Sie dies vermutlich verneint haben - wenn Sie nicht gerade ein guter Kenner der Bundestagsfraktion der Linken sind. In der sitzt Heilmann nämlich seit 2005, übrigens als einziger Kandidat, der über die Landtagsliste Schleswig-Holstein ins Parlament einzog.

Bei manchen Menschen geht bei der Nennung des Parteinamens "Die Linke" eine Assoziationskette im Kopf ab, welche die Worte PDS und SED enthält und beim Wort Stasi endet. Abwegig ist diese Assoziationskette nicht, zumindest nicht in Bezug auf den Bundestagsabgeordeneten Heilmann. Der war nämlich in der PDS, er war auch in der SED, und er ist - so heißt es über ihn im Online-Lexikon Wikipedia - "der erste ehemalige hauptamtliche Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, der in den Bundestag eingezogen ist." Über Art, Umfang und Dauer dieser Mitarbeit, so schreibt Wikipedia weiter, sei es innerhalb des Schleswig-Holsteinischen Landesverbandes der Linken zu Differenzen gekommen, vor allem deshalb, weil Heilmann die Tätigkeit erst einräumte, nachdem der "Spiegel" über sie berichtet hatte. Degoutant ist dabei auch der Zeitpunkt, an dem Heilmann seine Tätigkeit für die Stasi beendet haben will. Er selbst spricht von 1989, andere Quellen behaupten, er sei erst nach dem Mauerfall aus dem MfS ausgeschieden, als die Behörde 1990 aufgelöst wurde. Das hört sich nicht so gut an. US-Präsident würde Heilmann mit dieser Vita sicherlich nicht.

Warum wissen wir das alles? Weil wir den Wikipedia-Artikel über Heilmann gelesen haben. Und warum fanden wir einen Artikel über einen Hinterbänkler einer kleinen Oppositionspartei im Bundestag so spannend? Weil Heilmann am vergangenen Sonnabend die deutsche Startseite von Wikipedia per einstweiliger Verfügung sperren ließ, weil er mit einigen Behauptungen, die in dem Artikel über ihn erhoben wurden, nicht einverstanden war. Genauer: Heilmann ließ www.wikipedia.de sperren, eine Seite, die von vielen deutschen Nutzern des Online-Lexikons als Wikipedia-Startseite genutzt wird - was sie jedoch nicht ist. Die eigentliche Startseite der deutschen Wikipedia-Variante ist unter http://de.wikipedia.org aufrufbar und läuft auf einem Server, der sich außerhalb des Einflussbereichs der deutschen Behörden befindet. Dieser Umstand ist natürlich jedem Internet-Nutzer bekannt, der sich schon einmal halbwegs ernsthaft mit dem Thema Online-Recherche auseinandergesetzt hat. Deshalb dürfte der fragliche Artikel am vergangenen Wochenende, als der Heilmannsche Sperrungsantrag griff, besonders häufig aufgerufen worden sein. "Klassisches Eigentor" heißt sowas in der Fußballersprache. Die Empörung über Heilmann schlug Wellen, der Strom der Wikipedia-Spenden wurde wieder größer. Ob Heilmann mit seinen Vorwürfen recht hat, wurde nie ernsthaft diskutiert.

Mittlerweile hat der Linken-Politiker seinen Fehler offenbar eingesehen. Er will von weiteren juristischen Schritten gegen den deutschen Wikipedia-Trägerverein absehen. Wikipedia.de ist wieder entsperrt. Heilmann ist nicht der erste Mandatsträger der Linken, der sich öffentlich an Wikipedia gerieben hat. Anfang 2007 stellte die Linkspartei-Politikerin Katina Schubert "wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole" Strafanzeige gegen die Wikipedia, weil in einem Artikel über die Hitlerjugend entsprechende Grafiken zu sehen waren. Kurz nach Bekanntwerden der Klage zog Schubert ihre Beschwerde jedoch zurück.

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