Für die Zahlungsabwicklung mit mobilen Geräten gibt es die unterschiedlichsten Varianten. Noch ist das Thema allerdings stark von den Zahlungsanbietern getrieben. Handel und Verbraucher warten dagegen noch ab, zumal die Angebote eine Reihe von Vor- und Nachteilen mit sich bringen, die den Verbrauchern die Auswahl erschweren.
Smartphones und Tablets verändern die Art, wie wir einkaufen. Und sie ändern die Art, wie wir bezahlen werden. Verbraucher und Handel warten zwar aktuell noch ab - Mobile Payment wird nur von einer Minderheit genutzt. Doch die Ankündigungen und Pilotprojekte der Zahlungsanbieter lassen erahnen, dass das Bezahlen mit dem Smartphone in den kommenden Jahren an Fahrt aufnehmen wird. Die Vielfalt der Zahlungsanbieter im Mobile Payment ist verwirrend. Ein klarer Blick auf Merkmale, Stärken und Schwächen der Angebote im Verhältnis zum eigenen Geschäft tut not, wenn ein Händler nicht hinter seinen Möglichkeiten zurückbleiben möchte.
Im fernen Kenia erfüllt sich gerade für Kaufleute ein Traum: Immer mehr Kunden zücken statt der Geldbörse ihr Handy und schicken eine SMS mit einem Geldbetrag los. Abends muss der Händler nicht mehr mit größeren Bargeldmengen nach Hause gehen, sondern transferiert seine Einnahmen - wieder per SMS - auf ein Konto oder tätigt selbst bargeldlose Zahlungen. Im unsicheren Kenia nicht nur eine bequeme, sondern eine manchmal sogar lebensrettende Innovation. M-Pesa heißt das Wunder- Bezahlmittel, und eingeführt hat es vor sechs Jahren der Vodafone-Partner Safaricom. Vier Jahre später nutzten 80 Prozent der 18 Millionen Safaricom-Kunden M-Pesa. Auch in anderen afrikanischen Staaten und sogar im vom Bürgerkrieg zerrütteten Afghanistan wird per SMS gezahlt.
Mobile Payment ist weltweit auf dem Siegeszug, nicht nur in Ländern mit schwacher Infrastruktur, in denen die Mobilfunkanbieter traditionell Funktionen der Internet- und Finanzwirtschaft mittragen. Die Türkei hat für 2023 das Ziel einer "bargeldlosen Gesellschaft" offiziell verkündet; auch hier ist ein führender Mobilfunkanbieter, Turkcell mit 28 Millionen Kunden, eine treibende Kraft. In Polen sind bereits über 100.000 Kassenterminals für kontaktloses Zahlen per Near Field Communication (NFC) im Einsatz, und alle großen Supermarktketten akzeptieren NFC-fähiges Plastikgeld.
Aufgeschlossenheit für Innovationen, die Allgegenwart der Kreditkarte und eine hohe Durchdringung der Gesellschaft mit Internet-Technologien machen allerdings die USA zum Mutterland des Mobile Payment. Dort sitzen auch die großen Strategen, die bei ihren Sandkastenspielen auf märchenhafte Wachstumsraten weltweit kommen: In zwei Jahren könnte das Transaktionsvolumen bereits im Billionen-US-Dollar-Bereich liegen. Das würde den weltweiten Durchbruch bedeuten.
Unterschiedliche Studien zeigen, dass in Deutschland Handel und Konsumenten größtenteils noch in Habachtstellung verharren. Umso aktiver sind die Anbieter aus Finanz-, Telekommunikations- und IT-Wirtschaft. "Wir erleben einen regelrechten Wettlauf der Systeme", beobachtet Gerd Wolfram, Mitglied der Geschäftsführung der Metro Systems und Projektleiter der Metro Group Future Store Initiative. Mit Dutzenden von Lösungen, Hunderten von Kooperationen oder strategischen Allianzen und einem gigantischen Output an Kreativität tragen die Anbieter zur Verunsicherung nicht wenig bei.
Der Grund für das Abwarten aufseiten der Mutzer und des Handels liegt sicherlich nicht allein im stark ausgeprägten deutschen Sicherheitsbewusstsein, sondern primär im hoch entwickelten System des bargeldlosen Zahlens hierzulande. Die vorhandenen Zahlungsmittel sind aus Handelssicht wirtschaftlich und über Jahrzehnte durchgesetzt und akzeptiert. M-Payment kostet die Kaufleute ein Vielfaches der rund 0,3 Prozent bis ein Prozent Transaktionsgebühr, die für eine Kartenzahlung anfallen. In England, wo die Akzeptanzstellen für Kreditkartentransaktionen etwa 2,5 Prozent berappen müssen, nehmen sich die üblichen zwei bis drei Prozent M-Payment-Gebühr indes deutlich attraktiver aus.
M-Payment schafft Zusatznutzen
Hinter dem Schlagwort M-Payment versteckt sich, technisch gesehen, ein ganzes Bündel unterschiedlicher Transaktionswege zwischen Verbrauchern und Händlern. Und je nach Absatzkanal - ob stationär, E-Commerce, Mobile Commerce oder In-App Purchase - kommen nur bestimmte Methoden aus diesem Bündel für die Abwicklung der Zahlung in Betracht.
NFC funktioniert nur am Point of Sale, QR-Code-basierte Transaktionsverfahren können in andere Kanäle mitgenommen werden. Dazu streiten sich die Gelehrten, was "echtes" mobiles Payment ist. Eine verbreitete Definition gibt Balduin Müller-Platz, Geschäftsführer der How2pay Consulting, wieder: "M-Payment ist eine Zahlung, die mit einem mobilen Gerät ermöglicht, begünstigt oder durchgeführt wird." Wer also per NFC seine Kreditkarte belastet, hat streng genommen kein mobiles Payment getätigt.
Für den Handel sind solche Fragen weniger wichtig. Er muss sich entscheiden, wie er seine Kunden am besten erreicht, und was er - abgesehen von den reinen Transaktionen - noch erzielen möchte. Genau an dem Punkt hat "echtes" Smartphone-basiertes Payment große Vorteile für die Kundenbindung zu bieten. Gutscheine, Sonderangebote, Preismarketing, ortsbezogene Services, Social Shopping - bei all diesen Aktionen ist das Smartphone dem Plastikgeld weit überlegen. Daher investieren auch die Kartenanbieter Geld und Gehirnschmalz in Smartphone-basierte Lösungen. "Die Zukunft des Bezahlens liegt nur zum Teil in Handyzahlungen, wie auch immer sie aussehen werden. Ziel muss es für Unternehmen sein, dem Kunden entgegenzukommen und seine Wunschzahlart zu kennen und anzubieten. Dann sind sie nachhaltig erfolgreich", gibt sich Tim-Markus Kaiser, Head of Channel-Management DACH bei Skrill, optimistisch. Leichter gesagt als getan, denn mangels verbreiteter Präzedenzfälle kann über die passende Form von Zahlungsarten für die Kunden oft nur gemutmaßt werden - zumal die Anbieterlandschaft sich ungewöhnlich schnell wandelt und das Wissen von heute in wenigen Wochen veraltet ist. Die Anbieter müssen viel Vorarbeit leisten, fordert auch Balduin Müller-Platz, der Händler beim M-Payment berät. Es gilt, lokale Feldversuche wie etwa den von Secupay in Dresden oder von Paycash am Düsseldorfer Hauptbahnhof ebenso zu analysieren wie die Data Warehouses der Payment Service Provider (PSP) oder die Ergebnisse von deren Kundenbefragungen.
Wettlauf der Anbieter
So funktioniert der Prozess des mobilen Bezahlens, ob in engerem oder weiterem Sinn: Der Verbraucher bestätigt durch Herausgabe oder durch Vorweisen seines Zahlungsmittels (Smartphone oder Chipkarte) und nötigenfalls durch Eingabe einer Information in eine Tastatur oder auf einen Bildschirm, dass er zur Verfügung über das Transaktionskonto berechtigt ist oder - im Fall von Prepaid-Lösungen - über das notwendige Guthaben verfügt. Die Kommunikation erfolgt
❚ entweder kontaktlos durch ein Funksignal, das die Karte oder das Smartphone aussendet (Near Field Communication),
❚ durch elektronischen Kontakt in einem Lesegerät oder
❚ optisch durch Generierung beziehungsweise Lesen von QR-Codes.
Daneben gibt es - typisch für Telekommunikationsanbieter - SMS-gebundene Verfahren wie das genannte M-Pesa oder in Deutschland Mpass, das gemeinsame Zahlungsmittel der drei großen Mobilfunkanbieter. Auch die gute alte E-Mail kann fürs Bezahlen zum Einsatz kommen.
Als Abrechnungsverfahren stehen heute die Lösungen der Kreditinstitute und Kreditkartenanbieter im Vordergrund. Vor zehn Jahren war das noch anders: Damals hatten die Mobilfunkanbieter mit ihrer Tradition der Telefon- Mehrwertdienste noch die Nase vorn. Heute positionieren sich Mobilfunkanbieter im Online- und Mobile Payment. Gleichzeitig wollen die Online-Bezahlanbieter den Offline-Handel erobern. Und natürlich stehen auch die Recken der Internet-Wirtschaft wie Google, eBay (Paypal) oder Amazon ebenso wenig tatenlos herum wie die Smartphone-Hersteller.
Das Vertrauen des Handels in diese Player ist indessen sehr unterschiedlich ausgeprägt: Das Regensburger Ibi Institut fand im Januar 2013 bei einer Befragung für das "E-Payment-Barometer" heraus, dass der Handel Finanzinstituten wie Banken und Kreditkartenunternehmen am ehesten vertraut, wenn es um die Einführung neuer Bezahlsysteme geht. Smartphone-Hersteller sollten von dem Markt eher die Finger lassen: Nicht einmal 20 Prozent der Befragten wünschen sie sich als Anbieter. Kreditkartenanbietern und Internet-Dienstleistern wie Google und Paypal wird am ehesten zugetraut, kontaktlose Bezahlsysteme in den kommenden drei bis fünf Jahren zu etablieren. Als größte Hindernisse werden die fehlende Akzeptanz des kontaktlosen Bezahlens bei den Kunden sowie die Gefahr von Attacken durch Dritte gesehen. Hohe Kosten für die Einführung nennen 29 Prozent als Schwierigkeit. 43 Prozent meinen, dass die rechtliche Lage bei Missbrauch unklar sei.
Die "unechten" M-Payment-Lösungen, bei denen der Verkäufer die Kredit- oder Debitkarte des Kunden ausliest, finden Anklang vor allem dort, wo Kartenzahlung ungewöhnlich, aber bequem ist - allen voran im Taxigewerbe. Die "Killer-Applikation" Mytaxi ist in diesem Punkt ein Vorreiter. Zunächst wurde die Zahlung per Wirecard-App von Smartphone zu Smartphone in die Mytaxi-Smartphone-App eingebaut - nun bietet Mytaxi ein Lesegerät (einen Dongle) an, das der Fahrer nur in die Audio-Buchse seines Smartphones einstöpseln muss, damit daraus ein mobiles Zahlungsterminal wird. Mit der Unterschrift auf dem Touchscreen des Smartphones bestätigt der Kunde die Zahlung. Eine Quittung wird wahlweise per Mail übermittelt.
Solche Kartenlösungen, die gern von PSP entwickelt werden, gibt es für Magnetkarten und für die sichereren Chipkarten. Und es gibt sie auch für andere Branchen wie Gastronomie oder Healthcare.
Die Großen der Kreditwirtschaft schrauben an "echtem" M-Payment und suchen den Schulterschluss mit den tonangebenden Handelsketten. Durch die Integration von Zahlung und Kundenbindung haben diese am meisten zu gewinnen und investieren dementsprechend. Auch lockt der Wegfall des zeitraubenden, fehleranfälligen und unsicheren Bargeschäfts. Die Douglas Holding setzt bereits Paypass von Mastercard ein, implementiert gerade Girogo, die NFC-Prepaid-Lösung der Sparkassen, und hat sich auch für Visas Paywave entschieden - getreu dem Motto: Der Kunde bestimmt, was in den Zahlungsmix kommt.
Testen und abwarten
Testen und abwarten heißt es dagegen bei der Metro-Gruppe: Obwohl im "Future Store" im niederrheinischen Tönisvorst das Experiment mit dem kontaktlosen Zahlen bereits seit 2008 läuft, wurde in der Düsseldorfer Konzernzentrale noch kein grünes Licht gegeben. Hier setzt man auf einen übergreifenden Standard, wie Gerd Wolfram von Metro ausführt: "Unsere Erfahrungen zeigen, dass die Akzeptanz von Mobile Payment vor allem davon abhängt, wie einfach es sich einsetzen lässt. Das bedeutet, dass wir eine einheitliche Lösung benötigen, die nicht auf einen oder mehrere Anbieter beziehungsweise Plattformen und Geräte zugeschnitten ist." Wen wundert’s - wer möchte es schon in einem 70-Milliarden-Euro-Unternehmen auf seine Kappe nehmen, aufs falsche Pferd gesetzt und eine Investitionsruine finanziert zu haben. Mittelgroße Player mit scharf umrissener Zielgruppe haben es insofern leichter.
Die Technik
Damit Händler Mobile Payment technisch abwickeln können, brauchen sie ein Lesegerät, das je nach Anbieter einen oder mehrere Transaktionswege unterstützt, eine Software, die den Dialog zwischen Händler und Verbraucher ermöglicht, sowie eine Datenleitung und Schnittstellen zum Zahlungsdienstleister. Der Verbraucher benötigt neben einem Konto ein NFC-fähiges Smartphone nebst App und Mobiltelefonie-Vertrag beziehungsweise eine App, die QR-Codes lesen oder generieren kann. Beim "unechten" M-Payment braucht er eine Chipkarte mit oder ohne NFC-Funktion. Die Kreditwirtschaft bietet auch Mischlösungen an, etwa Girogo, bei dem nur kleine Summen kontaktlos abgewickelt werden. Ab 20 Euro greift das bekannte PIN-basierte Lastschrifteinzugsverfahren. Daher setzt beispielsweise Douglas Girogo nur in solchen Ketten ein, wo der durchschnittliche Transaktionswert relativ niedrig ist.
Als Mittler zwischen Point of Sale und abrechnendem Kreditinstitut fungiert die Heerschar an PSP. Payment Service Provider übernehmen die Transaktionsdaten und rechnen sie mit dem Geldinstitut des Verbrauchers ab. Viele übernehmen neben der reinen Zahlungsintegration auch Zusatzfunktionen wie Marketing, Risikomanagement, Bonitätsprüfung oder Inkasso, was dem stationären Handel nur willkommen sein kann. Auch Geldinstitute haben sich als PSP im M-Payment positioniert – bis hin zum bevorstehenden Einbau von voll funktionsfähigen elektronischen Kreditkarten in Smartphones. Die Telekommunikationsanbieter übernehmen zunehmend Bankfunktionen, erledigen über einen PSP den Zahlungsausgleich und belasten das Konto des Verbrauchers.
Wie und wofür Kunden mobil zahlen
Aus Handelssicht rangieren schnelle Abwicklung bei der Zahlung im Ladengeschäft, Schutz vor Zahlungsausfällen, Kosten des Verfahrens und Verbreitung im DACH-Raum als Auswahlkriterien gleichauf. Zwar nimmt die Verbreitung von Smartphones und mit ihnen die Nutzung des mobilen Web in Deutschland ständig zu, doch wenn über das mobile Gerät etwas gekauft wird, sind das in erster Linie digitale Güter wie Apps oder Musik.
Rund 66 Prozent der deutschen Internet-Nutzer haben noch nie etwas über ihr Smartphone gekauft. Das ist ein Ergebnis der Studie "Internet-Zahlungsverkehr aus Sicht der Verbraucher in D-A-CH" des E-Commerce-Center am Kölner Institut für Handelsforschung. Mobile Geldbörsen oder die Bezahlung über eine App stoßen unter den Smartphone-Nutzern noch nicht auf eine breite Akzeptanz, so die Studie. Für Händler heißt das, die eigene Zielgruppe analysieren und sich fragen, wie viele Early Adopter darunter sind. Lohnt es sich jetzt schon, ins mobile Payment einzusteigen?
Wenn diese Minderheit in der eigenen Zielgruppe gut repräsentiert ist, könnte es sich lohnen, im Wettbewerb einer der Ersten auf dem mobilen Weg zu sein. Denn tatsächlich sind Mobile User gute Käufer, fand etwa der Payment Service Provider Adyen bei einer Befragung 2012 heraus. "Unsere Studie belegt, dass die unglaublich schnelle Zunahme an mobilen Zahlungen auf das Konto von vier bestimmten Geschäftskategorien geht: Daily Deals, Online Games, Ticket-Verkauf und örtliche Applikationen", erklärt Roelant Prins, Chief Commercial Officer von Adyen.
Viele Experten rechnen mit einer Schlüsselrolle der mobilen Brieftasche. Diese sogenannten digitalen Wallets helfen dabei, Zahlungen, Konten, Gutscheine und vieles andere gemeinsam an einer Stelle zu verwalten: "Wenn die Menschen ihre Kreditkarte im Smartphone haben, wird das die Geldbörse der Zukunft", meint Birgit Wirth, Projektleiterin Touch & Travel bei der Deutschen Bahn. "Payment an sich wird für mobile Services der Markt der Zukunft, die ,Muss-Applikation'. Es wird aber verschiedene Modelle und Techniken geben", prognostiziert Wirth. Sie muss es wissen - die Deutsche Bahn hat ausgiebig experimentiert. Anbieter tun also gut daran, jetzt herauszufinden, welche mobilen Bezahlverfahren ihre Kunden morgen wünschen werden.
Dabei helfen kann eine Auflistung mit den Vor- und Nachteilen, die mobile Payment-Lösungen bieten, oder auch Studien dazu, welche Online-Bezahlverfahren Verbraucher bevorzugen und welche sie weniger gern nutzen.