
1.400 Arbeitnehmer kämpfen starrsinnig um Abfindungen, bis der Geldgeber - der 25 Millionen Euro nachschießen will - die Geduld verliert. Nun ist Neckermann pleite und 2.400 Stellen stehen auf dem Spiel. Haben gierige Arbeitnehmer die Rettung verhindert? Wohl eher nicht.
Es klingt fast wie eine neo-liberale Fabel: Ein mutiger Investor wagt es, noch einmal einen gehörigen Batzen Geld in ein angeschlagenes Unternehmen zu stecken. Natürlich müssen dabei auch Firma und Belegschaft mitziehen. Und natürlich muss gespart werden. Entlassungen sind unausweichlich, das versteht ja wohl jeder.
Nun stellen sich aber die gekündigten Mitarbeiter quer und haben nichts besseres zu tun, als gegen ihren Rauswurf zu klagen. In ihrem Zorn übersehen sie das Wohl der restlichen Belegschaft. Zuletzt versuchen die Wut-Neckermänner gar ihre Forderungen zu erpressen, indem sie drohen, ansonsten die gesamte Restrukturierung scheitern lassen. Motto: Wenn ich nichts bekomme, soll keiner was haben. Das Ende der Geschichte ist absehbar: Die ganze Firma geht an der egoistischen Gier einzelner zu Grunde. Die Moral der Geschichte: In schwierigen Zeiten müssen Arbeitnehmer und Investoren eng zusammenstehen und gemeinsam für die Firma kämpfen - notfalls auch gegen "feindliche", "gierige" Arbeitnehmer.
Folgt auf den "skrupellosen Manager" der "gierige Arbeitnehmer"?
So zumindest hört sich die Geschichte an, wenn Sun Capital sie erzählt. Nur leider stimmt sie so nicht. Sie ist komplett verdreht. Sun Capital ließ vergangene Woche die Verhandlungen scheitern, weil die Arbeitnehmervertreter auf ihren Forderungen nach Abfindungen "beharrten". Dafür waren aber "keine finanziellen Mittel" vorgesehen. Deswegen bleibt nur die Pleite, denn - und nun kommt eine herrlich zwingende Logik - würden die 1.380 Arbeitsplätze ohne eine Einigung abgebaut, drohten dem Unternehmen Kündigungsschutz- und Abfindungsklagen. Weil viele davon ganz offensichtlich große Erfolgsaussichten hätten, sei die finanzielle Lage "nicht kalkulierbar" und die Existenz des Unternehmens gefährdet.
In anderen Worten: Sun Capital stellte zur Wahl, dass entweder die gekündigte Belegschaft auf ihre (einklagbaren) Rechte verzichtet oder die ganze Firma pleite geht.
Das ist Erpressung.
Im Ergebnis unternahm Sun Capital schlicht den Versuch, einen Teil der Restrukturierungskosten auf die 1.400 gekündigten Arbeitnehmer abzuwälzen - und am Ende auf Sozialversicherungen und die Allgemeinheit. Mag sein, dass das Konzept finanzmathematisch funktioniert hätte - gesellschaftspolitisch ist es ein Giftmüllfass. Gut, dass es entsorgt wurde.