
Viele Site-Designer vernachlässigen die emotionale Aktivierung der Nutzer, meint Sabrina Duda, Gründerin der User-und-Brand-Research-Agentur Eye Square. Mit INTERNET WORLD Business sprach sie darüber, welche Rolle Emotionen bei praktisch jeder Conversion spielen.
Frau Duda, auf dem "Usability Kongress in Frankfurt" haben Sie klargestellt, dass es keinen Konflikt zwischen Usability und emotionalem Webdesign gibt. Weshalb ist das Thema Emotionen so wichtig?
Sabrina Duda: Weil vielen Webdesignern gar nicht bewusst ist, wie wichtig Emotionen bei der Entscheidungsfindung sind. Die Neurowissenschaften haben in den letzten Jahren klar belegt, dass es praktisch keine Entscheidung ohne die Beteiligung von Gefühlen gibt.
Sind Gefühle wichtiger als Fakten?
Duda: Nein, das kann man pauschal nicht sagen. Das ist im Verlauf des Customer Journey sehr variabel und mitunter sogar deckungsgleich. So lässt sich zum Beispiel mit der Darstellung bestimmter Fakten Vertrauen beim Nutzer aufbauen und das ist besonders im Checkout ein sehr wichtiges Gefühl.
Sie gehen sogar soweit zu sagen, emotionales Design kann Usability-Schwächen auffangen. Wie das?
Duda: Ist der Nutzer gut gelaunt, hat er einen wesentlich breiteren, kreativen Wahrnehmungshorizont. Er entwickelt bessere Problemlösungsstrategien und kann kleinere Usability-Probleme umschiffen. Das gilt freilich nicht für Probleme, die so groß sind, dass der Nutzer sofort abbricht. Negative Gefühle verengen den Horizont. Die Nutzer fokussieren stärker, es besteht die Gefahr eines Tunnelblicks. Sie sind wesentlich kritischer.
Gibt es Unterschiede zwischen Markenwebsites, auf denen sich die Nutzer informieren und Shops, auf denen Transaktionen durchgeführt werden sollen?
Duda: Natürlich gibt es sie. Sie bestehen aber nicht darin, dass bei den einen Websites Gefühle eine größere Rolle spielen und bei den anderen nicht. Bei Transaktionswebsites sind es eben andere Gefühle. Denken Sie zum Beispiel an den CheckOut-Prozess. Hier versuchen viele Online-Shops Crossselling, obwohl die Nutzer bereits eine Kaufentscheidung getroffen haben. Wir haben in vielen Fällen festgestellt, dass das unnötige Irritation hervorruft. Die bessere Platzierung für solche Angebote ist vermutlich die Danke-Seite nach Abschluss des Kaufs.
Gadget-Versender Pearl arbeitet dort mit einem Countdown. In der ablaufenden Zeit kann man weitere Artikel zur Sendung hinzufügen. Erzeugt das gute oder schlechte Emotionen?
Duda: Zuviel Druck darf nicht entstehen, sonst wird es zu Stress und das ist negativ. Der künstliche Aufbau von Knappheit ist eine Gratwanderung. Das probieren ja auch die Hotel-Buchungsplattformen oder die Airlines. Allerdings finden viele Nutzer die Information über ein Auslaufen der Verfügbarkeit auch hilfreich.
Wo sehen Sie den größten Hebel, um mehr Emotionen in Websites zu bringen?
Duda: Die Bildwelten. Wenn Agenturmaterial benutzt wird, sieht man das. Das ist meistens ziemlich nichtssagend. Der Klassiker sind Fotos von Mitarbeitern, die für bestimmte Themen zuständig sind. Wir haben für eine Bank einmal unterschiedliche Mitarbeiterfotos getestet und es gab überraschend eindeutige Ergebnisse. Männer mit Bärten gehen gar nicht, die wirken wie Bankräuber und auch zu schöne Frauen mit wallenden, offenen Haaren sind nicht gewünscht. Außerdem sollten die Mitarbeiter direkt in die Kamera gucken, weil die Nutzer sonst denken, man schenkt ihnen keine Aufmerksamkeit. Die waren echt empfindlich. Und nicht zu unterschätzen ist die Sprache. Viele Kunden bitten uns, ihre Texte auf Emotionalität zu analysieren.
Wie werden Emotionen gemessen?
Duda: Eye Square misst den Hautleitwert, oder setzt EEG ein. Bei einem Test mit Werbemitteln für einen Matratzenhersteller haben wir einen Spot getestet, bei dem ein Baby vorkam. Die Ausschläge an diesen Stellen waren unglaublich stark. Wir haben ein Verfahren entwickelt, das Emotionen mittels Assoziationen und Reaktionszeiten misst. Das kann auch sehr gut bei großen Online Stichproben eingesetzt werden. Bei kleineren Projekten arbeiten wir mit Interviewtechniken. Wir versuchen zum Beispiel herauszufinden, welche Assoziationen eine Homepage hervorruft. Wenn eine Homepage allerdings nicht die gewünschte emotionale Wirkung hat, kommt es auf die Kreativität und das Einfühlungsvermögen des Designers an, diese zu erzielen.
Die Designer der BMW-Mini-Website liegen da aus Ihrer Sicht daneben?
Duda: Allerdings. Die Site wirkt sehr männlich, kühl und technisch, das geht an der Gefühlswelt der Frauen, die 58 Prozent der Käufer ausmachen, komplett vorbei. Gutes emotionales Design ist schwierig, klassische Usability-Optimierung geht viel leichter.
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