
Deutschland, Österreich und die Schweiz, kurz DACH.
Deutschland, Österreich und die Schweiz, kurz DACH.
Die Internet-Nutzung in der DACH-Region ähnelt sich. Trotzdem ticken die Werbemärkte verschieden, weil entscheidende Details dann doch anders sind - und die Menschen.
Von Raoul Fischer
In Deutschland ist es das Internet-Portal T-Online, in Österreich das Anzeigenportal Willhaben.at und in der Schweiz die regionale Suchmaschine Local.ch. Die Rede ist von den reichweitenstärksten Internetseiten der jeweiligen Länder - die drei Spitzenreiter könnten jedoch unterschiedlicher nicht sein.
Der Blick auf die Top 15 zeigt: In Deutschland sind es vor allem die Seiten großer Printmedien, Internet-Portale und Nachschlagewerke, die die obersten Plätze des Angebots-Rankings bestimmen, das die Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung (Agof) herausgibt. In Österreich stehen in der Media-Analyse "ÖWA Plus" ebenfalls Medienseiten und Portale oben - sowie zwei Gesundheitsseiten. Unter den Top 15 der Schweizer Internetangebote, die von Net-Metrix veröffentlicht werden, finden sich neben Such- und Medienseiten auch Rubrikenmärkte oder die Terminfindungsseite Doodle.
Lokale Ausprägungen bei der Internet-Nutzung
Internet-Portale, Medienseiten, Anzeigen und Rubrikenmärkte – das sieht zwar auf den ersten Blick ähnlich aus, unterscheidet sich aber in Nuancen. "Im digitalen Bereich spielen regionale Ausprägungen eine wichtige Rolle, weil sich das Internet auch für kleinere Publisher leichter und billiger nutzen lässt", erklärt Timucin Güzey, Leiter Fachkreis Online-Mediaagenturen (Foma) im Bundesverband der Digitalen Wirtschaft (BVDW) und Chief Digital Officer bei der Agentur Mindshare. Content-Angebote seien lokal geprägt - gerade in Österreich und der Schweiz seien die Nutzer da sehr anspruchsvoll. Aber nicht nur die Themen, auch die Märkte unterscheiden sich in einigen wichtigen Details. Werbekunden sind gut beraten, das nicht zu vernachlässigen.
Aber zunächst noch ein Blick auf die Mediennutzung: Gemeinsamkeiten in Kultur und Sprache haben zur Folge, dass sich die Nutzungsstruktur als solche nicht stark unterscheidet. Fast alle Einwohner sind online - llerdings ist die Internetnutzung mit 87 Prozent in der Schweiz noch einmal deutlich höher als in Deutschland (76 Prozent). Bei der mobilen Internet-Nutzung liegt die Schweiz mit 56 Prozent deutlich vor Österreich und Deutschland (beide 47 Prozent). Auch beim Shopping lohnt es sich, die Zahlen genauer anzusehen: Hier sind die Österreicher mit 87 Prozent die "Shopping Queens’n’Kings". Zudem verfügen die Nutzer in Österreich und in der Schweiz über eine stärkere Kaufkraft.
Genug der Zahlen. Einen ersten Einblick in die Mediennutzungsstruktur bietet die Webseite Media-daten.org, die Agof, ÖWA und Net-Metrix bereitstellen. Der BVDW und seine Partner-Internetverbände IAB Austria und IAB Switzerland bieten mit der Kooperationsstudie "Digitale Nutzung in der DACH-Region" detailliertere Informationen zur Mediennutzung in den drei Ländern.
Die Vermarkterlandschaft in der DACH-Region
Spannend wird es, wenn man die Werbemärkte untersucht - vor allem ihre Strukturen. Während in Deutschland allein in der Studie Digital Facts der Agof über 50 Vermarkter ausgewiesen werden, sind es beim Österreichischen Pendant "ÖWA Plus" gerade einmal sechs Vermarktungsgemeinschaften. In der Schweiz sind es 15.
"Auf der Vermarkterebene sehen wir in der Tat große Unterschiede, die der unterschiedlichen Größe der Länder und dem Zusammenspiel verschiedener lokaler, regionaler und globaler Player geschuldet ist", bestätigt Harald Winkelhofer, Geschäftsführer bei IQ Mobile, einem Mobile-Marketing-Dienstleister mit Hauptsitz in Wien. Internationale Nischenanbieter, die in speziellen Bereichen oft klare Vorreiter seien, hätten es zum Beispiel in Österreich und in der Schweiz schwerer "gebucht" zu werden, weil sie bei Werbungtreibenden mitunter nicht so bekannt seien. "Das ist in Deutschland anders", hebt Winkelhofer hervor.
"Die Vermarktungslandschaft ist kleiner und geschlossener als in Deutschland", bestätigt Foma-Sprecher Güzey. Das habe zum Beispiel zur Folge, dass Preisstrukturen wesentlich stabiler seien. Für Werbekunden und ihre Agenturen ist es also deutlich schwerer, im Zuge von Rabattschlachten die Preise zu drücken. In Österreich und in der Schweiz haben es Werbekunden häufig mit dem einzelnen Medium oder kleineren Vermarktungsgemeinschaften zu tun.
Das erschwert auch den Einsatz von Automatisierungslösungen und Real Time Bidding. Laut Rasmus Giese, Geschäftsführer von United Internet Media (UIM), investieren Werbungtreibende in Deutschland größere Werbebudgets in Programmatic-Advertising-Kampagnen. Giese sieht noch einen weiteren Unterschied bei der Mediawährung: Die Reichweiten der Angebote würden unterschiedlich gemessen. Die Digital Facts der Agof und die Net-Metrix-Profile in der Schweiz wiesen bereits Gesamtreichweiten für stationäre und mobile Webseiten sowie Smartphone-Apps aus, allerdings beide mit leicht unterschiedlichen Methodiken. Bei der ÖWA in Österreich fehlten bisher noch die Apps in der Reichweitendarstellung. "Das erschwert unter Umständen den Vergleich von Websites und Kampagnen", erklärt der UIM-Geschäftsführer.
Die Ansprache macht den Unterschied
Eine Media-Strategie in andere Märkte auszurollen ist also nicht so ohne Weiteres möglich. Güzey, der Digital-Chef der Media-Agentur Mindshare, sieht hier klar die Notwendigkeit, sich mit Experten und Kollegen vor Ort auszutauschen und abzustimmen.
Überhaupt müssen Werbekunden noch einige weitere Unterschiede im Blick haben, wenn eine Kampagne in den drei Nachbarländern ankommen soll. „Auch wenn in allen drei Ländern deutsch gesprochen wird, sollten Werbungtreibende nicht annehmen, dass die Bewohner gleich sind. Österreicher und Schweizer wünschen sich eine spürbar eigene Ansprache.
"Diese beiden Länder einfach so nebenbei ‚mitzumachen‘ zahlt sich nicht aus", erklärt Rasmus Giese. Vielmehr sollten Publisher wie Werbungtreibende auf eine individuelle Ansprache auch mit länderspezifischen Themen und sprachlichen Besonderheiten setzen, empfiehlt der UIM-Geschäftsführer. Ein Beispiel: In Österreich spielt der Titel bei der direkten Ansprache eine wichtige Rolle. Wer ein "Magister" ist, erwartet diese Anrede auch bei Dialog-Marketing-Maßnahmen.
In der Schweiz gelte es dagegen, die Mehrsprachigkeit und ein exakteres Geo-Targeting zu beachten, rät IQ-Mobile-Chef Winkelhofer. Zudem gehe gar nichts ohne eine marktspezifische Analyse der Zielgruppen. Die soziodemografische Zusammensetzung und Marken-Vorlieben können sich je nach Land, Bundesland oder Kanton stark unterscheiden.
Werbungtreibende müssen also die speziellen örtlichen Gegebenheiten im Blick haben. Eine universale Mediastrategie über alle drei Länder hinweg dürfte in den seltensten Fällen funktionieren. Oder, wie Harald Winkelhofer empfiehlt: "Eine gute Kommunikations arbeit in den drei Ländern erfordert eine Kombination von internationalen und lokalen beziehungsweise regionalen Services und die eine oder andere Flexibilität."