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Auswirkungen des Webhandels auf die Logistikbranche
Sonstiges 04.10.2013
Sonstiges 04.10.2013

Interview mit Bodo Hollung von Realogis Real Estate Auswirkungen des Webhandels auf die Logistikbranche

Bodo Hollung, Geschäftsführer der Realogis Real Estate

Bodo Hollung, Geschäftsführer der Realogis Real Estate

Das Internet hat nicht nur das Einkaufsverhalten der Konsumenten völlig verändert, es hat auch die Logistikbranche revolutioniert. Welchen Einfluss Online-Handel und E-Commerce auf die Branche und deren Immobilienlandschaft haben, erklärt Bodo Hollung, Geschäftsführer der Realogis Real Estate in München.

Bodo Hollung, Geschäftsführer der Realogis Real Estate in München, ist Mitglied der Fachgruppe Logistik bei HypZert, das Logistikimmobilien bewertet. Außerdem ist der 52-Jährige Autor des "Kompendium Logistikimmobilie" 2012 sowie Dozent an der IRE|BS im Studienfach "Logistikimmobilien".

Das Internet hat die Logistikbranche revolutioniert. Kaufabschlüsse werden statt in den Innenstädten immer mehr im Netz getätigt. Seit Beginn der E-Commerce-Ära stieg in 1999 der Umsatz allein in Deutschland von 1,25 Milliarden Euro auf geschätzte 33,5 Milliarden Euro in 2013. Wie geht es weiter?

Die für Webshops positive Entwicklung wird vor allem durch mobile Endgeräte, schnellere und sichere Zahlungswege sowie soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter mit ihren Empfehlungsfunktionen begünstigt. Der Boom ist nicht mehr zu stoppen. Erwartet werden Steigerungsraten von jährlich 20 Prozent und mehr.

Ist die Vielfalt der Produkte, die online bestellt werden können, nicht langsam ausgereizt?

Nein, es ist deutlich erkennbar, dass der E-Commerce zulasten des stationären Handels geht. In sieben Jahren soll allein der Non-Food-Bereich einen Gesamtumsatz von geschätzten 35 Milliarden Euro erreichen. Das würde eine Verdoppelung des heutigen Umsatzes bedeuten. Zukünftig werden auch Drogerie- und Medizinartikel, Lebensmittel sowie zunehmend beratungsintensive Produkte wie zum Beispiel Möbel online bestellt werden.

Was heißt das für die Logistikdienstleister? Worauf müssen sie sich einstellen?

Sicher auf noch komplexere Logistikabläufe. Erstens gibt es heute schon verschiedene Zustellorte wie Abholstation, Arbeit oder Zuhause und der Transport von kleinen Paketsendungen an die vielen Endkunden wird noch steigen. Zweitens fallen alte Vertriebswege wie Einzelhändler und Großhändler zunehmend weg. Drittens wird sicher die Kundenerwartung an Liefergeschwindigkeit und Zustellzeitpunkt - Stichworte sind Same Day Delivery und Zeitfensterbelieferung - nicht abnehmen, sondern eher noch anziehen. Und fünftens muss die schwer berechenbare Retouren-Logistik gestemmt werden.

Durch Konsolidierungen von Sendungen und Versand steigt der Automatisierungsgrad - müssen Nutzer jetzt mit höheren Eigeninvestitionen rechnen?

Die Kosten für die Errichtung von speziellen Lagersystemen und für die Fördertechnik erhöhen sich auf jeden Fall. Aber nicht nur die - es müssen auch größere Flächen für Sozial- und Büroräume bereit gestellt werden, die Anforderungen an Kühlung und Lüftung steigen, die Anzahl der Parkplätze hat deutlich zugenommen und ein Standort muss eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr bieten. Auch das vorhandene Arbeitskräftepotential von niedrigeren Lohngruppen ist für die Wahl des richtigen E-Commerce-Lagers entscheidend. Gleichzeitig braucht es geeignete Grundstücke mit entsprechendem Baurecht, die größer als 15 Hektar sind und zu günstigen Preisen erworben werden können. Aber nicht jede Gemeinde steht einem hohen Flächenverbrauch positiv gegenüber, wie die Absage von Günzburg an Zalando zeigt.

Eine spannende Gemengelage. Reichen für diese Entwicklung die Bestandsflächen an Logistikimmobilien und ihre Beschaffenheit in Deutschland aus?

Sicher nicht. Wir sehen, dass auf der Mikroebene die Nachfrage nach großflächigen Logistikimmobilien größer als 100.000 Quadratmeter und mehr sowie kleineren Auslieferungshallen in Kundennähe mit Erweiterungsoptionen wie Pick-up-Points und Untermietflächen steigen. Für die kleinteilige Auftragsabwicklung und das Retourenmanagement müssen vermehrt Mezzanineflächen bereitgehalten werden. Gefragt sind also universelle, flexible Hallen an zentralen Standorten. Gleichzeitig gewinnen Standort-Einheiten, die die verschiedenen Lagertypen wie Fulfilment Center, Cross-Dock-Anlagen, Hochregallager und temperaturgeführte Logistikflächen vereinen und alle Möglichkeiten der Lagerung, Kommissionierung und Verteilung abbilden, in den kommenden Jahren an Bedeutung.

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