
Was wird in diesem Jahr passieren? internetworld.de hatte nach Vorhersagen für die Bereiche Onlinemarketing, E-Commerce und Technik gebeten. Hier der dritte Teil der Antworten - mit Hanns Kronenberg, David Nelles, Christian Geyer und weiteren Branchenexperten.

Hanns Kronenberg, Gründer von SEO-Strategie.de:
2011 werden die Nutzer weiterhin hauptsächlich über Suchmaschinen ihren Weg zu den Websites finden. Hier wird das ganz große Geld verdient. SEO (Search Engine Optimization) und SEA (Search Engine Advertising) haben daher weiterhin Konjunktur und die Branche wird immer professioneller.
Hoffentlich wird Bing 2011 endlich auch für Deutschland eine angepasste Version ausrollen. Aber unabhängig davon, wird Google hierzulande seinen Marktanteil bei 90 Prozent halten und den Ton angeben.
Innovationen dürfen wir von Google besonders bei der Lokalen Suche erwarten, die jetzt von Marissa Mayer vorangetrieben wird. Die Lokale Suche ist ein wichtiges Puzzleteil für Googles Mobile-Strategie. Zudem hat natürlich auch Google erkannt, dass die Konsumenten den größten Teil ihres verfügbaren Einkommens in einem kleinen Radius um ihren Wohnsitz ausgeben. Um die in Summe sehr attraktiven Budgets der lokal agierenden KMUs zu gewinnen, wird Google sehr einfache Werbeprodukte wie Google Boost weltweit ausrollen und in den Suchergebnissen anzeigen. Die Produkte müssen so einfach sein, dass man sie mit 2–3 Klick zu einem Festpreis bestellen kann und sich dann das ganze Jahr nicht mehr darum kümmern muss. Nur so werden sie auch für den weniger internetaffinen Einzelhändler um die Ecke oder den vielbeschäftigten Rechtsanwalt interessant und machen den Branchenbüchern, Anzeigenblättern und lokalen Tageszeitungen Konkurrenz.
Sicherlich muss man auch jederzeit damit rechnen, dass Google neue Produkte in einzelnen Nischen mit strukturierten Daten wie Preisvergleiche, Immobilien, Kleinanzeigen oder Reisen anbietet. In einzelnen Bereichen können hier die Karten von einem Tag auf den anderen neu gemischt werden.
Betreiber von Websites, welche den Nutzern einen echten Mehrwert bieten und auf einen sauberen Linkaufbau setzen können 2011 nachts am ruhigsten schlafen. Dafür muss tagsüber um so härter daran gearbeitet werden zu Recht auf den vorderen Plätzen bei Google zu stehen. Mit der Rechenpower von Google Caffeine werden „schwarze Schafe“ immer besser von Google anhand verschiedener Signale identifiziert und nach hinten durchgereicht. Wer langfristig erfolgreich sein will, sollte seine Ziele an die Ziele von Google anpassen und nicht versuchen, cleverer als Google zu sein.

David Nelles, Head of Corporate Communications & Consultant bei Virtual Identity:
Unternehmen werden 2011 immer verstärkt eigene Medienformate im Web etablieren um unmittelbar mit ihre Zielgruppen kommunizieren ohne dabei auf die klassischen Gatekeeper zurück zugreifen. Dabei werden wir sicher immer öfters Formate sehen, die über das klassische Bild der Werbung hinausgeht.
Unternehmen werden neben den klassischen Werbe- & Kommuikationsformen beginnen multimediale und interaktive Geschichten zu erzählen. Dabei wird die Infrastruktur Social Media eine zentrale Sendeoberfläche werden.
Noch nie war es günstiger in Bezug auf Infrastruktur ein Millionenpublikum mit Inhalten zu erreichen und das weitestgehend unabhängig von den klassischen Massenmedien.
Um von diesen Reichweiten profitieren zu können werden Verantwortliche stärker in Inhalte und Stories hineindenken um Marken und Unternehmensbotschaften in ihren Zielgruppen zu platzieren. Diese Inhalte müssen die Zielgruppe an sich binden und mehr bieten als bloße Imagefilme oder Banner.
Unternehmen entwickeln sich dadurch immer zu Medienhäuser. Wahrscheinlich bleiben Cases wie Red Bull in der Konsequenz Ausnahmen, aber die Benchmark wird immer weniger in der eigenen Peergroup zu finden sein, Benchmark werden die klassischen Medienhäuser mit Ihren Inhalten.

Christian Geyer, General Manager ValueClick Deutschland:
Für 2011 sehe ich einen Mega-Trend: Real Time Bidding, also Echtzeitgebote für Banner-Einblendungen - innerhalb der Sekunde, die zwischen dem Eintippen der Webadresse und dem Erscheinen der Website vergeht. In Deutschland stehen wir derzeit noch am Anfang, im US-Markt wird inzwischen ein beträchtlicher Anteil der Online Werbe-Umsätze mit diesem Geschäftsmodell umgesetzt. Das gesamte Display-Geschäft wird dadurch einen kräftigen Push erhalten. Das Rennen in diesem Zukunftsmarkt werden letztlich diejenigen Anbieter machen, die über die intelligentesten Technologien und höchsten Reichweiten verfügen.

Jörg Rensmann, geschäftsführender Gesellschafter von infoMantis:
2011 wird der Siegeszug der App gebremst. Nicht in ihrer Bedeutung für Kundenbindung und Branding, aber als Ein-Kanal-Programm. Um profitabel zu bleiben, müssen Apps multichannel-fähig werden und die „restlichen“ 90 Prozent Windows-generierten Traffic aufnehmen. Die Erfolgsformel für die App-Economy 2011 lautet: Windows + X!

Michael Klinkers, Vorstand von nexum:
- Brand-Shops: Marken werden den E-Commerce stärker direkt für sich nutzen – im kommenden Jahr werden wir eine Reihe neuer Shops von bekannten Marken sehen.
- Personalisierung: Angebote werden über Produktempfehlungen, Mein Shop-Seiten, individualisierte Startseiten und Newsletter stärker personalisiert.
- Multivariates Testing: Die fortlaufende Optimierung von Conversion Rates auf Basis von multivariatem Testing wird automatisiert und geschieht in Echtzeit.
Sie wollen mehr Prognosen? Hier geht's zum ersten Teil mit Arndt Groth, Oliver Hermes, Curt Simon Harlinghausen und 17 weiteren Experten.

Martin Ott, Co-CEO von Skrill Holdings:
Cash stirbt aus. In fünf Jahren werden weniger als 50 Prozent der Transaktionen noch mit Bargeld abgewickelt. Schon heute ist es oftmals für große Supermarktketten günstiger, EC- und Kreditkarten statt Bargeld zu akzeptieren. Und seit dem Einbau von RFID Chips in Handys zeichnet sich ab, dass wir bald nicht mehr in unserem Geldbeutel nach Münzen suchen müssen, sondern komfortabel unser Mobiltelefon auf die Kasse legen können.

Tom Acland, Managing Director von Neue Digitale/Razorfish:
Ende 2010 traten die ersten ernsthafte Gegner gegen den Platzhirsch Apple an. Der Erfolg der Android Plattform und das Potenzial der neuen Windows Phone Systeme werden auch in 2011 für Bewegung im Markt sorgen.
Gleichzeitig kommen die ersten bezahlbaren, großformatigen Touchscreen-Devices auf den Markt. Solche Technologien werden im Laufe des Jahres vor allem im Handel eingesetzt werden.
Im Konsumentenumfeld ist die Konvergenz zwischen Gaming, Mobile und „App“ Plattformen interessant. Die Nutzung von Spielen als Werbemitteln und auch die Integration von Werbung in vorhandene Spiele wird dadurch technisch erleichtert und inhaltlich relevanter.
Absolut spannend: Aus dem Gaming Bereich kommen Technologien, die die Erkennung von Bewegungen und Gesten im Raum darstellen - wie der Kinect von Microsoft. Interaktionen dieser Art werden die nächste konzeptionelle Spielwiese für innovative Projekte im Marketing.

Markus Hövener, geschäftsführender Gesellschafter bei Bloofusion:
Ich glaube, dass 2011 das Jahr der Relevanz werden wird - also das Jahr, in dem sich viele Unternehmen überlegen werden, wie sie für Ihre Kernzielgruppe relevante Informationen bereitstellen können. Der ganze Boom von Social Media via Facebook, Twitter & Co. wird für Unternehmen nur dann gut funktionieren, wenn sie es schaffen, nicht nur produktzentrierte Informationen zu kommunizieren.
Vielmehr müssen Unternehmen relevante Informationen für ihre bestehenden Kunden und vor allem für Neukunden herausbringen. Sie müssen zum Thought Leader innerhalb ihrer Branche werden. Das hilft fürs direkte Verkaufen, für den nachhaltigen Markenaufbau und auch für SEO – denn viele relevante Informationen schaffen viele relevante Links. Und das ist für Google immer gut.

Prof. Armin Rott, Wissenschaftlicher Leiter Medienmanagement Hamburg Media School:
Ich bin nicht operativ im Onlinemarketing tätig, sondern verfolge die Entwicklungen mit etwas Abstand. Offensichtlich erscheint mir, dass rund um Facebook längst nicht alle Möglichkeiten und Potenziale heute überhaupt klar erkennbar sind. Insofern ist Facebook-Marketing sicher ein Meta-Trend um den herum sich in 2011 viele spannende Mikrotrends entwickeln werden.

Philipp Westermeyer, Gründer und Geschäftsführer von adyard:
Performance-Marketing und das Messbarmachen von Marketing-Maßnahmen ist für mich der Trend schlechthin. Präzise Messung des ROI für Marketing-Spendings aufgeschlüsselt nach Kanälen also zum Beispiel E-Mail, Affiliate, Display etc. wird weiter zunehmen. Besonders fortschrittliche Unternehmen haben Modelle entwickelt selbst TV-Werbung für eCommerce-Angebote konkret messbar zu machen. Diese quantitative Denke wird zunehmen. Spannend zu sehen wird, wie Social Media hier reinpasst.

Markus Kellermann, Head of Affiliate Marketing, explidoWebMarketing:
Neben der Analyse der Social-Media Aktivitäten eines Unternehmens gehört die entsprechende Werbung auf Facebook & Co. sicherlich zu den Trends im kommenden Jahr. Auch im Affiliate-Marketing werden sich sogenannte Facebook-Micro-Affiliates sicherlich neues Umsatzpotential erschließen. Aber auch Mobile Marketing wird durch die stets steigende Nutzung von Smartphones und Tablets den Markt weiter beeinflussen.

Sebastian Blatz, Director Performance Marketing bei activeperformance:
Einer der Toptrends wird 2011 die weitere Verschmelzung von Online- und Mobile Marketing sein. 2011 wird es dank Smartphones den endgültigen Durchbruch geben und viele Neuerungen mit sich bringen. In diesem Zusammenhang möchte ich da speziell auf Augmented Reality und Location Based Services verweisen.

Ulrich Hegge, Mitbegründer von wunderloop, Entrepreneur und Investor:
Datenschutz im Online-Marketing wird zum Thema in der Publikumspresse und bei (uninformierten) Politikern. 2011 wird das Jahr des "Makeor Break" für BehavioralTargeting.
Für Mobile sehe ich stark steigende Buchungen bei gleichzeitiger intensiver Suche nach den passenden, akzeptierten Formaten für die unterschiedlichen Devices und Nutzungsformen.

Hamid Reza Nazeman, Country Manager bei Qualcomm Deutschland:
Augmented Reality: Sie stehen vor dem Berliner Fernsehturm, halten Ihre Handykamera drauf und schon erhalten Sie auf Ihrem Mobiltelefon die Information, wer in welchem Jahr das Wahrzeichen erbaut hat. Fantasie? Nein, erweiterte Realität oder auch Augmented Reality! Die Technologie liefert computergenerierte Informationen zu Bildern oder Videos, die mit dem Handy aufgenommen wurden. Anweisungen beim nächsten Reifenwechsel oder die Bedienungsanleitung zum Aufbau von Möbelstücken kommen künftig per Handy dank Augmented Reality.

Stephan Kauf, Leiter Business Development von kajomi:
Targeting wird weiter diskutiert werden. Ziel muss es sein, nur noch relevante Werbung für den User anzubieten. Multichannel-Tracking, also eine Analyse über viele Kanäle hinweg, wird außerdem wichtiger werden. Denn nur durch die crossmediale Messung aller Kampagnen und Aktivitäten kann man die Zusammenhänge aufschlüsseln.

Christian Weichelt, Product Marketing Manager bei CoreMedia:
Wir erwarten, dass die Fokussierung von Web Content Management Systemen (WCMS) weitergehen wird. Wir sehen einerseits die Entwicklung hin zum reinen Web-Publishing-Werkzeug - ein Bereich, der immer mehr von Open Source Systemen übernommen wird - zum anderen die Spezialisierung zur Marketing Automation Suite.
Am interessantesten für uns ist ein dritter Ansatz, nämlich der einer strategischen Content-Plattform als Schaltzentrale des Kundendialogs im Web. Hier steigen die Anforderungen bezüglich der Integration bestehender Infrastruktur und Systeme, um so das gesamte Business an den Online Kanal - egal ob Website, mobil oder Community - anzubinden. Dabei wird die Einbindung und Befähigung der Fachanwender von zentraler Bedeutung sein.

Ingo Lippert, CEO MindMatics AG, Betreiber der Mobile Payment Plattform mopay:
Im Bereich des Mobile Payments sehe ich für 2011 deutliche Veränderungen.
- Der sehr breit gefasste Begriff Mobile Payments – oder mobiles Bezahlen – wird gerade in der Wahrnehmung der Konsumenten eine deutliche Strukturierung erfahren. Die Industrie unterscheidet auf Grund unterschiedlicher technologischer Plattformen seit jeher zwischen den Einsatzbereichen Online und Point of Sale (POS). Nicht zuletzt durch die Initiativen einiger Handyhersteller entsprechende Funktionalitäten in ihre Geräte zu integrieren tritt das Thema Near Field Communication (NFC) für den Point of Sale stärker hervor. Für mobiles Bezahlen von Online Einkäufen über das Web, bei dem Beträge direkt einem Mobilfunkvertrag berechnet werden, setzt sich analog der passendere Begriff Direct Mobile Billing durch. Diese stärkere Differenzierung der Einsatzszenarien wird sich positiv auf die Akzeptanz beim Verbraucher auswirken.
- Große Konzerne aus dem Telekommunikations-, Banken- und IT-Umfeld analysieren die aufstrebenden Unternehmen im Bereich Mobile Payments sehr genau, da diese eine innovative und zugleich sehr anwenderfreundliche Bezahlmethode anbieten. Mit der absehbaren Konsolidierung einzelner Player, wird sich die Aufmerksamkeit für das Bezahlen mit dem Handy 2011 weiter deutlich erhöhen.
- Als Folge der steigenden Akzeptanz von Direct Mobile Billing wächst auch das Einsatzspektrum. Heute werden hauptsächlich virtuelle und digitale Güter über das Mobiltelefon gekauft. In Laufe des Jahres 2011 werden zunehmend andere Produktgruppen hinzukommen, bis hin zu physischen Gütern.
- Eng verbunden mit dem Einsatzspektrum von Direct Mobile Billing ist das Thema Transaktionskosten. International berechnen Netzbetreiber für die Kaufabwicklung bis zu 50 Prozent des Einkaufswertes. Dies mag die Bezahlmethode zunächst unattraktiv erscheinen lassen. Bei Gütern mit geringen Grenzkosten wird dieses Defizit aber durch die inhärenten USPs des Direct Mobile Billings im Vergleich zu einer Kreditkartenzahlung mehr als wett gemacht: schnellerer und einfacherer Bezahlprozess, wesentlich höhere Verfügbarkeit des Mediums sowie geringeres Ausfallrisiko. Lediglich bei physischen Gütern sind hohe Transaktionskosten schlicht unwirtschaftlich. Der attraktive Ausblick auf weiter stark steigende Nutzerzahlen wird die Netzbetreiber in 2011 dazu bewegen ihre Transaktionskosten weiter zu senken. Online Händler werden das sehr begrüßen und das ihre tun um Direct Mobile Billing als Bezahlvariante einen höheren Stellenwert einzuräumen.

Ole Tangermann, CEO von excentos:
Die Produkthersteller werden ihre Internet-Repräsentanzen zu starken Markenwebsites ausbauen, um über alle konkurrierenden Kanäle des Online-Shoppings hinweg führend und orientierungsgebend zu sein. Markenwebsites werden damit zunehmend zum Point of Decision. Nutzer werden dort zielgerichtet nach Informationen und Führung durch die Kaufentscheidung suchen, da sie den besten Kundenservice und Einkaufserlebnis beim Hersteller selber, der ja das Markenerlebnis garantieren muß, erwarten.

Oliver Hering, Creative Director und Vorstand H2OMEDIA:
In der Kreation wird Facebook weiter in den Vordergrund rücken. Kampagnen werden immer häufiger nach dem Prinzip "Social First" gedacht. Die Frage lautet also nicht mehr: Display- oder virale Werbung plus Social Media. Vielmehr sind Kampagnen dann erfolgreich, wenn sie - aufbauend auf viraler Mechanik - mit Mediadruck und der Qualität klassicher Display-Werbung das Publikum zum Mitmachen und Weitersagen animieren.
Zusätzliches Mediapotenzial und viel Raum für neue Werbeformate eröffnet die zunehmende Verbreitung von Tablets und Smartphones. Für Werbetreibende wird Ubiquität dieses Jahr Wirklichkeit, dazu kommen neue Formate für 3D-Displays und stärkeres location based advertising sowie ein Revival von Adgames.