Massive Übernahmeaktivitäten begleiten die Restrukturierung des Agenturmarkts. Die Treiber dabei: Digitalisierung, Beratung und Analytics.
Die weltweite Marketingberatung R3 hat im ersten Halbjahr dieses Jahres eine Verdreifachung der Mergers & Acquisitions (M&A)-Aktivitäten im Agenturmarkt registriert: 204 Deals wurden geschlossen, ihr Gesamtvolumen wird auf 6,8 Milliarden US-Dollar geschätzt. Diese Übernahmen sind die Bugwelle einer einschneidenden Veränderung der Agenturlandschaft. Was treibt diese Entwicklung? Wo geht die Reise hin? Und wie stellt sich die "Agentur der Zukunft" am besten auf?
Treiber der neuen Angebotsstrukturen sind die veränderten Bedürfnisse der Werbekunden. Ihr Ziel einer integrierten, kundenzentrierten Vermarktung lässt sich nur mit Partnern realisieren, die alle relevanten Disziplinen aus einer Hand anbieten können. Oder wie es Shelley Paxton, VP Global Marketing von Harley-Davidson, formulierte: "Man sucht nicht nach den Schlüsselkompetenzen in Silos. Vielmehr müssten Creative, Digital und Media als integrierte Strategie angeboten werden."
Vier wesentliche Bausteine
Die Agentur der Zukunft vereint vier wesentliche Bausteine: Daten, Media und Kreativität, ergänzt um die Beratung der Kunden bei der Implementierung kundenzentrierter Marketing-Strukturen. Daten und Analytics sind der künftige Maschinenraum der Agenturarbeit, sie schaffen die 360-Grad-Sicht auf den Kunden und ermöglichen so eine personalisierte Ausspielung.
Künftige Media-Teams verstehen und adressieren alle relevanten Kanäle und gestalten auf dieser Basis durchgängige Customer Journeys. Die Entwicklung spannender, kanalübergreifender Inhalte und Stories liegt in der Hand der Kreativ-Teams. Das Aufbrechen der verschiedenen Silos von Teams, Kanälen und Daten und die Gestaltung durchgängiger Strukturen verlangt nach Systemintegration und Change Management, also typischen Beratungskompetenzen.
Nur wenige Agenturen vereinen heute alle diese Bausteine. Die meisten klassischen Agenturen sind nur auf wenige Kanäle oder auf den kreativen Part spezialisiert. Die großen Netzwerke könnten zwar alle Kanäle adressieren, haben jedoch oft Nachholbedarf auf der Analytics- und Systemseite. Viele Player arbeiten daher an der Ausweitung und Komplettierung ihrer digitalen Kompetenzen: Fast zwei Drittel aller Transaktionen des ersten Halbjahres betrafen Digitalagenturen sowie Anbieter aus dem Ad Tech- und Analytics Bereich. Noch im Vorjahr betrug der Anteil lediglich 42 Prozent.
Neue Wettbewerber
Der wachsende Bedarf an Beratung und Systemintegration spült gleichzeitig neue Wettbewerber auf den Markt. Bereits heute sind es Unternehmen wie Accenture, IBM und Deloitte, die die Ad-Age-Liste der größten digitalen Netzwerke anführen. Ihr Hebel liegt in der zunehmenden Technisierung des Marketings. Laut Gartner entfallen bereits 33 Prozent des Marketingbudgets großer Unternehmen auf Technologieausgaben, sei es für Infrastrukturen, Integrationsprojekte oder Marketing- und Analyticssoftware.
Zum neuen Partner der Wahl werden die großen Beratungshäuser aufgrund ihrer Kompetenzen in der IT-Integration, ihrem Organisationsverständnis, dem Analytics Know-how und ihrem Zugang zum Top Management der Kunden. Offene Flanken haben sie dagegen zumeist beim digitalen und kreativen Marketing-Know-how. Doch auch das ändert sich: Bereits Anfang des Jahres haben sich IBM und Deloitte mit Resource / Ammirati und Heat auf der kreativen Seite ergänzt. Accenture und Reply haben mit der dgroup und Trommsdorff+Drüner jüngst digitale Marketingberatungen an Bord geholt.
Netzwerkagenturen versus Berater
Es ist vor allem das Rennen zwischen den Netzwerkagenturen und den großen Beratern, das die aktuelle Übernahmewelle treibt. Beide Seiten verfügen über wichtige Assets, haben aber auch noch nachhaltigen Ergänzungsbedarf und werden noch so manchen Digital- und Daten-Spezialisten übernehmen. Doch mit den Akquisitionen allein ist es nicht getan. Ein zentraler Schritt auf dem Weg zur Agentur der Zukunft liegt in der Zusammenführung der verschiedenen Agenturleistungen zu einem Angebot aus einer Hand.