
Seit 2010 bin ich jedes Jahr mindestens einmal in Berlin. Immer Anfang Mai. Immer zur re:publica. Zumeist scheint am ersten Tag die Sonne. Es gibt Dinge, die scheinen sich nicht zu ändern.
Ich muss aber zugeben, dass meine Erwartungen an das "Geburtstagskind" in diesem Jahr nicht sehr hoch waren. Überdies sind einige Bekannte nicht vor Ort, die ich gerne getroffen hätte. Meine Stimmung pro re:publica war also eher so la la.
Was soll da auch Neues kommen? Was wird mich wohl überraschen? Werden hier Trends gesetzt? Woher kommen die positiven Impulse?
Berlin und die re:publica, sie sind immer eine Reise wert. Dieser Satz stimmt. Ich unterstreiche ihn virtuell doppelt.
Warum? Wegen der Menschen, die du triffst, wegen der Stimmung, die vorherrscht und wegen der Momente, die du erlebst. Aber eines nach dem anderen.
News: Die re:publica wagt den Sprung ins Ausland
Die Eröffnung der dreitägigen Konferenz (die aus vielen einzelnen Konferenzen wie beispielsweise der Media Convention besteht), wird traditionell auf Stage 1 und von den Gründern, allen voran Johnny Häusler und Markus Beckedahl vollzogen.
Die Konferenz, die sich selbst als "Europe's most exciting conference on internet and society" beschreibt, erwartet rund 8.000 Besucher. Es gibt rund 700 Speaker, die auf 17 Bühnen diskutieren werden.
Dieses Jahr gab es bei der Eröffnung sicherlich ein besonderes Schmankerl: Im Oktober wird die Konferenz für einen Tag nach Dublin gehen und somit zum ersten Mal den Sprung ins Ausland wagen.

Willkommen auf der re:publica
Johannes Lenz
"Wer nicht wagt, der nicht gewinnt", könnte man meinen. Viele andere Besucher und ich drücken Johnny & Co. schon jetzt die Daumen.
Man kann nur erahnen, wie viel Risiko in diesem Vorhaben steckt. Über die Größe, Zahl der angestrebten Besucher oder Sponsoren wurde noch nichts bekannt.
Wer hätte das vor Jahren gedacht, als die re:publica, das "digitale Klassentreffen", eines Tages auf "Klassenfahrt" gehen würde und dann gleich noch ins schöne und legendäre Irland?
Trends: Die re:publica setzt keine Trends, aber sie macht sie sichtbar
Alleine das ist schon ein Mehrwert, der für viele Unternehmen und Marken im Umkehrschluss bedeutet, in Berlin vor Ort zu sein.
Daimler, Microsoft, DB Bahn oder IBM - große und bekannte Marken, sind zum Teil schon seit Jahren Partner der Konferenz.

Selbst die Deutsche Bahn ist mit einem Stand auf der diesjährigen re:publica vertreten
Johannes Lenz
Die Bahn hat zum ersten Mal einen Stand vor Ort. Was wird präsentiert? Der neueste ICE? Die neueste Transporttechnologie? Weit gefehlt. Es werden die Digital Labs vorgestellt, Ideen und Projekte gezeigt, geschaut, mit welchen Erwartungen re:publica-Besucher überhaupt an ein Unternehmen wie die Bahn herantreten.
Klar sind auch Recruiter vor Ort, aber im Wesentlichen geht es darum, den Digitalisierungsprozess der Bahn vorzustellen und sich als ein Unternehmen zu präsentieren, welches für Ideen offen ist.
Für die Starcom Mediavest Group, mein Unternehmen, sind ein paar Kollegen in unterschiedlicher Funktion vor Ort, übrigens genauso wie Kunden. Die Gründe sind schnell erklärt: Die Stimmung aufnehmen, digitales Verständnis vertiefen und Zusammenhänge deutlich machen sowie Netzwerken und Beziehungen knüpfen.
Impulse: Das Momentum der re:publica
Wenn du nach der Eröffnung die Keynote zweier Experten verfolgst, die den Titel "The last kilometer, the last chance" trägt und am Ende darauf hingewiesen wird, dass nur noch unsere Jugend uns retten kann, dann schwindet die gute Laune doch ein wenig.
Es ging um nichts weniger als die Zukunft der Menschheit, die schon heute durch die virtuellen Assistenten Siri (Apple) und Cortana (Microsoft) bedroht ist, da diese ja dazu führen, dass wir uns nicht mehr persönlich mit anderen Menschen auseinandersetzen.
Fazit: Facebook, Google & Co. stehen beim "Networking" immer zwischen uns und beherrschen uns bis 2025 vollends. Am Ende gab es viel Applaus von den Zuhörern.
Welche Impulse setzt so ein Vortrag frei? Wenn es dazu führen sollte, dass man gewissenhafter und verantwortungsbewusster in sozialen Netzwerken und auf Messengern kommuniziert, soll es mir Recht sein.

Auch das Wetter präsentierte sich zum Jubiläum von seiner besten Seite
Johannes Lenz
Doch so ganz glaube ich an diese Konsequenz nicht. Eher schon kann ich mir vorstellen, dass wir womöglich an einem Punkt angelangt sind, an dem sich mitten in unserer Gesellschaft, egal ob alt oder jung, ein Skeptizismus gegenüber modernen Technologien verstetigt und dazu führt, dass wir unsere Innovationskraft einbüßen.
Raum- und Zeitwechsel. Spätnachmittags im kleinen Stage T Raum. Isa Sonnenfeld, die das Google News Lab DACH führt, widmet sich gemeinsam mit Max Boenke von der Berliner Morgenpost dem Thema Digital Storytelling im Bereich Journalismus.
Für viele vielleicht ein alter Hut. Aber nicht wenn es um Virtual Reality 360 Grad Live Videos geht. Für Journalisten und alle anderen ist das derzeit ein Experimentierfeld. Wenige wie die New York Times oder der Guardian beherrschen es schon jetzt und haben auch Applikationen dafür gebaut.
"Zugang, Nähe und Transparenz" - das sind die Stichworte, die bei der Begründung für den Einsatz der neuen (Bewegt-)Bild-Technologien fallen, wenn es um Beispiel-Reportagen aus einer Gefängniszelle, eine Reportage über die Situation im Berliner "LAGESO" oder den Obama-Besuch geht.
So gegensätzlich kann eine Konferenz sein. So gegensätzlich kann die Betrachtung moderner Technologien sein. Die Gegensätzlichkeit schließlich macht eine Konferenz wie die re:publica so speziell (und vielleicht einmalig in Deutschland) und damit kein bisschen langweilig.