
Wer trifft in Zeiten des Internet of Things die Kaufentscheidungen? Ist das noch der Verbraucher oder machen das Kühlschrank und Co? Und wenn ja - was passiert dann mit dem Marketing?
"Das Bier ist alle!" stellt der Kühlschrank erschrocken fest. "Die Chips auch", meldet die Schublade. "Dabei ist heute Abend doch Fußball", bemerkt der Fernseher panisch. "Halt!" ruft das Fitnessarmband. "Das sind zu viele Kalorien. Ich warte schon seit Wochen auf Sport und die Krankenkasse hat uns auch schon angemahnt. Aus Bier und Chips wird nix!"
Nein, ich höre keine Stimmen in meinem Kopf. Aber stellen Sie sich doch nur mal vor, so sähe die Zukunft in Zeiten des Internet of Things (Iot) aus. Treffen die vernetzten Geräte die Entscheidungen? Wer hat Zugriff auf persönliche Daten? Und wen erreicht das Marketing dann überhaupt noch? Mich oder meine Vorratskammer?
Fakt ist: Alles, was sich digitalisieren lässt, wird in den nächsten Jahrzehnten auch digitalisiert und vernetzt, da sind sich Experten und Analysten - von McKinsey bis Gartner - einig. Und unabhängig von jeder Branche hat das Internet der Dinge damit auch massive Auswirkungen auf das Marketing, wie wir es jetzt kennen.
Der Kühlschrank im Social Web?
War es vor einigen Jahren noch so "einfach" die Kunden frontal mit Botschaften zu beschallen, so sind wir schon heute damit beschäftigt alle Kanäle in den Griff zu kriegen - von Online-Werbung und Social Media über den mobilen Shop im App-Format bis zum klassischen Point of Sale. Das Zauberwort hier heißt Customer Journey und damit verbunden sind die Fragen: Wann spreche ich den Kunden datenbasiert, möglichst individualisiert und zum richtigen Zeitpunkt an? Möglichst emotional und mit dem passenden Preisangebot, versteht sich. Emotionen, so schallt es von überall her, sind das Verkaufszünglein an der Waage.
Aber mal ganz ehrlich, schauen wir einfach mal ein paar Jahre in die Zukunft und denken an die vielen vernetzten Dinge, die immer selbstständiger werden. Welche Customer Journey hat zum Beispiel ein Kaffeeautomat? Keine! Wie lässt sich eine Waschmaschine emotional aufladen? Gar nicht! Wie oft ist der Kühlschrank im Social Web unterwegs? Nie! Wann interessiert sich eine Zahnbürste für Werbung oder sogar Content Marketing? Überhaupt nicht! Bedeutet das dann nicht auch zeitgleich: Das heutige Marketing verliert seine Gültigkeit?!
Welche Rolle nimmt das Marketing im IoT-Zeitalter ein?
Natürlich wird es immer Produkte geben, die nach wie vor klassisch gekauft und beworben werden - Autos zum Beispiel. Aber Produkte des täglichen Lebens, wie Waschmittel, Kaffeekapseln und Zahnpasta - ganz ehrlich, die können gerne automatisiert geliefert werden. Von mir aus kann dann mein Kaffeeautomat auch selbstständig aktuelle Preise vergleichen. Und wenn der Fernseher noch weiß, wann ich welche Sendung schaue und gekoppelt mit dem Kühlschrank für den Fußballabend alles parat hat, das wäre doch prima. Nur das Fitnessarmband darf nicht zu viel Mitspracherecht haben. Welche Rolle nimmt dann das Marketing ein? Die Rolle des digitalen "Tages-Prospektverteilers" für die vernetzten Dinge?
Dies ist natürlich ein Zukunftsszenario. Ein überspitztes noch dazu. Doch einiges davon wird schon in naher Zukunft zur Realität. Vielleicht nicht so, wie wir es uns jetzt vorstellen. Vielleicht aber auch genauso. Die Digitalisierung und das Internet der Dinge lassen sich nicht aufhalten. Wegschauen ist keine Lösung. Sowohl Unternehmen als auch Verbraucher müssen sich damit auseinandersetzen. Ein bisschen mehr Realitätsnähe ist aber angebracht. Es wird nicht die einmalige Emotion sein, mit der meine Waschmaschine das Color-Waschmittel selbstständig nachordert. Aber je mehr wir als Gesellschaft in das IoT hineinwachsen, desto mehr wandeln sich die Anforderungen auch an das Marketing. Mal wieder.
Unternehmen müssen sich wappnen
Schon die letzten Jahre bescherten uns einen Wandel des Marketings: von der Einbahnstraßenkommunikation in Richtung Kunde hin zum Dialog über alle Kanäle. Und wir sollten meinen, die meisten Unternehmen haben das verstanden und sind - von der mobilen Website bis hin zu Social Media - gewappnet. Nun, leider nein. Aber was passiert nun mit diesen Unternehmen, wenn künftig noch vernetzte Dinge dazu kommen und diese dem Kunden sogar noch Entscheidungen abnehmen? Die Frage "ob" die Digitalisierung diese Unternehmen treffen wird, brauchen wir uns nicht stellen, sondern nur "wie". Und wie hart eine solche digitale Revolution unvorbereitete Branchen oder Unternehmen treffen kann, zeigt die jüngste Vergangenheit am Beispiel der Medienbranche oder dem Handel. Wer sich jetzt auf die Digitalisierung nicht einlässt, der wird mittelfristig vom Verbraucher und seinen vernetzten Geräten abgehängt, ja, abgekoppelt.