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Sonstiges 28.07.2016
Sonstiges 28.07.2016

Expert Insights Macy's und der Multichannel: Eine Geschichte des Scheiterns

Nun hat es sogar das bisherige Vorzeige-Multichannel-Unternehmen Macy's zu einem Trauerartikel in den Medien gebracht. Dort heißt es "Niedergang der großen US-Kaufhäuser: Schlussverkauf".

"Vor zehn Jahren brauchte man einen großen Department Store, um erfolgreich zu sein", sagte ein hochkarätiger US-Designer dem Branchen-Newsletter "Business of Fashion" (BoF). "Jetzt braucht man Instagram." Neiman-Marcus-Chefin Karen Katz sekundiert: "Der Kunde verliert das Interesse daran, im Laden einzukaufen, ob Kaufhäuser oder Luxusshops."

An touristisch attraktiven Orten mögen schöne Versionen der Konsumtempel noch gut besucht sein, aber die Kunden kaufen immer weniger. Der "Tütenfaktor" sinkt, wie mir der Aufsichtsrat einer großen Handelsgesellschaft verraten hat. Und jetzt auch noch Macy’s, das Unternehmen, das wirklich auf jeder Online-Konferenz als leuchtendes Online-Beispiel dienen durfte. Die haben es geschafft. Es geht also doch: Online + Offline. Die Pure Player á la Amazon und Zalando werden sich schon noch umschauen. So hieß es dann recht offen in den entsprechenden Diskussionen bei Neocom und Co. Nachdem Nordstrom und sogar Neiman Marcus ein schlechtes Quartal nach dem nächsten ausweisen, wird damit nun der letzte Multichannel-Nagel aus der Wand gerissen. Aber warum?

Es hatte doch so vielversprechend angefangen und schließlich eröffnen doch nun auch AboutYou und Zalando stationäre Geschäfte - Beweis genug, dass das Ladengeschäft noch lange nicht zum alten Eisen gehören muss.

Im englischen gibt es den Spruch "On the wrong side of the tracks". Dieser Spruch bezog sich auf die Tatsache, dass es Menschen auf der ärmeren Seite der Eisenbahnschienen oft schwerer im Leben hatten, als die vermeintlich vermögenden Menschen.

Den Sprung verpasst

Bisher hatte man bei Macy’s und Co gedacht auf der richtigen Seite der Schienen zu sein. Gute Rendite, tolle Immobilien, treue Kunden. Was soll da schon passieren? Das Unternehmen hat es verpasst, dass neben der Stadt ein ganz neue Eisenbahnlinie gebaut wurde. Dahinter haben sich ganz neue Unternehmen angesiedelt, die bisher unbekannte Namen wie AboutYou, Asos, Zalando und Facebook tragen. Diese Unternehmen sind viel erfolgreicher bei der Gewinnung von Kunden, sie verdienen auf einmal mehr Geld und ihre Immobilien bestehen nicht mehr aus Glas und Stein, sondern aus Code und Daten. Für diese Unternehmen sind Glas und Stein nur noch ein möglicher Marketingkanal, den man aufbaut, wenn es opportun erscheint, der aber auch genauso schnell wieder geschlossen werden kann. Und sie sind sehr erfolgreich dabei.

Kürzlich hat Tarek Müller in einem Interview gesagt, dass für ihn die stationären Läden der AboutYou-Marke "Edited" nichts anderes sind als ein Kanal wie Google SEA. Auf der anderen Seite tun sich die Macy’s und Kaufhofs dieser Welt sehr schwer damit Code und Daten für ihren geschäftlichen Erfolg zu verwenden. Sie tun es nur halbherzig und oft völlig desolat. Man könnte fast meinen, dass Multichannel mittlerweile die Bezeichnung für ein Unternehmen ist, dass mit den schrumpfenden Gewinnen aus der Glas und Stein Welt eine schlechte Webseite finanziert. 

Macy Werbung

Eine sehr "einfallsreiche" Startseite von macys.com (Stand: 24.7.16). Ein hilfloser Schrei nach (Online-) Aufmerksamkeit.

macys.com

Aber warum ist das so? Warum sind 1+1 in diesem Fall nicht gleich 3? Warum honoriert der Kunde nicht den Aufwand über verschiedene Kanäle hinweg? Auf meinem Blog Kassenzone habe ich vor einigen Monaten drei ähnliche Fälle analysiert, die analog zu Macy's ihre Fühler in die Welt von Code und Daten ausgestreckt haben. Auch in diesen drei Fällen, namentlich Nordstrom, BestBuy und Williams-Somona, scheinen diese Versuche nicht zu fruchten. Keinem ist es gelungen sinnvolle und profitable Online-Strategien zu finden. Sogar die vielgelobten Investitionen von Nordstrom haben ihren Zenit überschritten.

Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten fallen die folgenden Themen auf:

  • Alle Unternehmen haben versucht ihre Offline-Kunden auch online zu erreichen, mit einer Art virtueller Ladentheke
  • Bei allen Unternehmen gab es die Hoffnung, dass sie kanalübergreifend loyale Kunden finden können
  • Alle Unternehmen hatten gute Erklärungen dafür, warum gerade Amazon oder Asos oder Zalando keine ernsthaften Konkurrenten für das eigene Geschäft wären

Vor einigen Jahren konnten Topmanager mit diesen Argumenten noch überzeugen. Mittlerweile hat der Markt das Gegenteil bewiesen. Kunden sind nicht mehr markenloyal, sondern honorieren nur noch das jeweils beste Angebot.

Anderseits gilt die Ignoranz gegenüber dem neuen Wettbewerb auch für die Online-Unternehmen. Amazon und Co wäre nie in den Sinn gekommen, Macy's und Nordstrom als Wettbewerb zu betrachten. Wenn nun alle diese schönen Multichannel-Strategien endlich sind, was bleibt dann noch zu tun?

Technologie, Organisation, Lernfähigkeit

Mit dieser Frage müssen wir uns täglich bei Spryker auseinandersetzen. Oft wird Spryker als datenzentrierte Technologie evaluiert, die mehr Schwung ins Unternehmen bringen soll. Und ganz ehrlich: Wenn ich eine Idee für ein "Digitalplugin" hätte, ich würde es sofort gründen und anbieten. Aber so einfach ist die Sache mit Code und Daten nicht. Wir zeigen dann auf, was auf unserer Seite der Bahnschienen gemacht werden muss, um erfolgreich zu sein. Die genutzte Technologie ist ein Teil davon, aber mindestens genauso viel hängt von der Organisation und der Governance ab.

Die richtigen Leute, hohe Freiheitsgrade, das richtige Ambitionslevel, der unbedingte Fokus auf die Kunden und die Fähigkeit schnell zu lernen, sehr schnell sogar, sind entscheidende Faktoren! Lernfähigkeit ist möglicherweise der einzige stabile Wettbewerbvorteil auf unserer Seite der Gleise.

Ich bin mir sicher, dass Macy's auch schnell lernen wird, dass Glas und Beton ein zunehmend nachrangiger Faktor sind. Die Frage ist dann nur noch was Macy's aus diesem Learning macht. So wie es aussieht, läuft es auf eine App für die Ladenfläche hinaus. Schade.

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