
Noch nie gab es so viele Daten, Tools und Rechenleistung wie heute. Zugleich ist künstliche Intelligenz (KI) keine Science Fiction mehr. Auch für das E-Mail-Marketing bietet KI spannende neue Potenziale.
Egal ob "Artificial Intelligence", "Machine Learning", "Predictive Analytics", "Data Mining" oder "Big Data" - im Kern geht es bei diesen Trendthemen aus dem Bereich "Künstliche Intelligenz" um dasselbe: aus der Fülle an Daten lernen - nicht zuletzt für ein maßgeschneidertes und damit erfolgreiches E-Mail-Marketing. Wie entwickeln sich die E-Mail-Umsätze bei jedem einzelnen Kunden? Wie lässt sich Spam effektiv identifizieren und aussortieren? Was ist die "Next Best Action"? Denn künstliche Intelligenz bietet dem E-Mail-Marketer spannende neue Potenziale.
Noch nie gab es so viele Daten, Tools und Rechenleistung wie heute. Zugleich ist künstliche Intelligenz keine Science Fiction mehr. Die Anfänge gehen zurück bis ins 19. Jahrhundert: Carl Friedrich Gauß Methode der kleinsten Quadrate wird bis heute bei Trend-Prognosen eingesetzt. Auch Konzepte neuronaler Netzwerke gibt es bereits seit mehr als 50 Jahren. Filterprogramme wie SpamAssassin entscheiden schon seit einiger Zeit auf Basis solcher Modelle, welche E-Mails in der Inbox erwartet und welche nicht erwünscht sind. Während E-Mail-Marketing aktuell meist regelbasiert "arbeitet", geht künstliche Intelligenz einen Schritt weiter und trifft Vorhersagen und Content-Platzierungen auf Basis vordefinierter Algorithmen und der vorliegenden Daten.
Menschliche Sprache analysieren
Der Webmailer Gmail von Google ist ein gelungenes Beispiel für ein intelligentes System. So sortiert Gmails "Priority Inbox" neue Nachrichten nach wichtig und weniger wichtig. Die Nutzer trainieren und personalisieren den Algorithmus selbst, indem sie interessante E-Mails als solche markieren. Vor kurzem hat Gmail mit „Smart Reply“ ein weiteres neues Inbox-Feature gestartet, dass die menschliche Sprache erfasst und deutet. Hierbei werden Inhalte und Intention der E-Mails interpretiert sowie entsprechende Antworten vorgeschlagen. Die Nutzer können etwa auf automatisiert generierte Terminangebote à la "Ja, der Termin steht" oder "Nein, da bin ich verhindert" mit einem einzigen Klick reagieren.
Betreffs und Texte maschinell optimieren
Viele E-Mail-Öffnungen basieren auf dem gelungenen Zusammenspiel aus bekanntem Absender, interessanter Betreffzeile sowie dem richtigen Timing. Künstliche Intelligenz kann bereits heute dabei helfen, die erfolgversprechendsten Textbausteine und Schlüsselworte zu identifizieren. So kann der Marketer etwa automatisiert zwischen dem Betreff "15 Prozent auf Jeans", "Max Mustermann, Jeans 15 Prozent rabattiert!" oder "Eine Jeans-Überraschung für Dich…" entscheiden lassen. Ausgewählt wird, was der Algorithmus im Abonnentenkreis für erfolgsversprechender hält. Angebote von Betreffzeilen-Spezialisten wie Phrasee, Touchstone oder Persado gehen bereits über die Möglichkeiten klassischer Testverfahren hinaus. Letzterer Anbieter ist etwa darauf spezialisiert, E-Mails, Social Posts & Co. maschinell zu analysieren und darauf basierend Texte für eine emotional ausgerichtete Nutzeransprache zu verfassen.
Versandzeitpunkte maßschneidern
Neben Betreff und Text kann auch der Versandzeitpunkt hochgradig individuell ausgelegt werden. Das ist besonders sinnvoll, weil Öffnungs- und Klickraten abhängig von der Uhrzeit und dem Wochentag deutlich variieren können. Während der eine Nutzer seine E-Mails gleich am Morgen checkt, tun dies andere besonders gerne in der Mittagspause und andere am Abend vor dem Schlafengehen. Für die automatisierte Versandzeitpunkt-Optimierung kommt wiederum künstliche Intelligenz ins Spiel. Alle Versandzeitpunkte basieren auf der Analyse zurückliegender Öffnungs- und Klick-Protokolle jedes einzelnen Nutzers. Auch bei sehr großen Verteilern werden die E-Mail-Nutzer zum idealerweise passenden Zeitpunkt angeschrieben. Entsprechend hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die E-Mail geöffnet und geklickt wird.
Intelligentes Tagging von Nutzerklicks
Die Kombination formular- und verhaltensbasierter Profilierungsmaßnahmen ist für maßgeschneiderten Content besonders wichtig. Deshalb ist der Marketer gut beraten, zum passenden Zeitpunkt explizit nach individuellen Interessen und demografischen Informationen zu fragen. Zugleich kann er durch implizite Analysen von Klicks und Nutzerbewegungen wertvolles Know-how auf der Empfängerebene erfassen. So lässt sich etwa durch die Klick-Profilierung nach "Interesse an Familienreisen an die Ostsee" der entsprechende Empfängerkreis sehr feingranular für die künftige Kommunikation "taggen". Darüber hinaus haben agile Templates und Empfehlungssysteme bereits den nächsten Schritt von Zielgruppen hin zum einzelnen Nutzer vollzogen. Intelligente Algorithmen lernen aus den aktuellen und zurückliegenden Empfängerreaktionen und platzieren automatisiert maßgeschneiderte Angebote. Zugleich lassen sich solche Empfehlungen templatebasiert und in Echtzeit bis zu jeder E-Mail-Öffnung anpassen. Größere Versanddienstleister sowie Spezialisten bieten diese Funktionalität bereits "out of the box".
Interesse durch Next Best Actions antizipieren
Potenzial bieten auch sogenannte "Next Best Actions". Das Fundament bilden hierfür die vorliegenden Responsedaten kombiniert mit Informationen zum vergangenen Nachfrage- und Kundenverhalten. Durch die Verknüpfung von Kundenprofil und Kontakthistorie lassen sich für jeden einzelnen Nutzer Wahrscheinlichkeiten für sein voraussichtliches Verhalten ermitteln - und daraus konkrete Handlungsempfehlungen ableiten. Es wird also gewissermaßen eine Wette auf das künftige Interesse und Verhalten eingegangen. Der E-Mail-Content basiert auf Prognosen, welche Anreize in bestimmten Konstellationen oder Abfolgen besonders erfolgversprechend sind. Zudem können "offene" Daten wie Wettervorhersagen oder Suchtrends in die Next Best Actions einfließen.
Mein Fazit
Künstliche Intelligenz ist bereits ein Stück weit im E-Mail-Postfach präsent. Zugleich gibt es viele nützliche Anwendungen, die auf dem Markt verfügbar sind, sich aber bis auf Weiteres noch nicht auf breiter Skala durchgesetzt haben. Ich würde aber auch nicht ausschließen, dass es langfristig eine tektonische Verschiebung von regelbasierter Kommunikation hin zu maschinell platzierten Informationen gibt.