
Philipp Thurmann, Gründer und Geschäftsführer Strategie der Social-Media-Agentur Buddybrand
Philipp Thurmann, Gründer und Geschäftsführer Strategie der Social-Media-Agentur Buddybrand
Spätestens seit Mark Zuckerbergs Ankündigung, Facebook wieder persönlicher zu machen, stehen Gruppen stärker im Fokus. Aktuell testet Facebook die Einführung kostenpflichtiger Gruppen. Welches Potenzial können bezahlte Gruppen für Marken bieten?
Jung von Matt nutzt seit Jahren ein Ambiente zwischen Einbauschrankwand, Glastisch und Flachbildfernseher, um Kreativen ein besseres Gespür für die Banalität des Drögen und die echte Lebenswelt der Deutschen zu bieten. Das Wohnzimmer steht für kreative Erdung in hellem Holz, und ganz besonders steht es für eines: Einblick in den Durchschnitt. Basierend auf Marktforschungsergebnissen wurde der Geschmack der Durchschnittsdeutschen ermittelt und anfassbar und erlebbar zusammengeschraubt.
Wer keinen Platz oder zwei linke Hände hat, dem bietet Ikea echte Insights aus erster Hand: Über 16.400 Mitglieder teilen pro Monat mehr als 2.300 Ideen in der Ikea Deko Facebook-Gruppe. Sie teilen mit jedem Gruppenmitglied den Blick in ihr Allerheiligstes, das eigene Wohnzimmer. Zu sehen sind umgebaute Billy-Regale, Küchendeko-Ideen, Schreibecken mit Familienfotos und Kissenarrangements, Schrankwände, Glastische und Flachbildfernseher. Alina fragt "Habt ihr graue Wände im Wohnzimmer? Wenn ja, nur eine oder mehrere bzw. alle?" und bekommt innerhalb kürzester Zeit über 30 Fotoantworten. Carmen ist stolz auf ihre selbstgestalteten Lampenschirme und erhält dafür fast soviele Likes wie ein Post der Ikea Fanpage mit über zwei Millionen Fans. Nutzer inspirieren Nutzer. Ein Traum für Marktforscher und Kreative.
Paradoxerweise teilen hier die gleichen Deutschen freiwillig ihre Wohnzimmereinrichtung mit Ikea, die vor ein paar Jahren auf die Verpixelung von Häuserfronten bei Google Street View bestanden haben. Der Unterschied: in Gruppen fühlen sie sich unter Gleichgesinnten, die vermeintliche Abgeschlossenheit wird zum Mehrwert.
Facebook fördert Gruppen
Spätestens seit Mark Zuckerbergs Ankündigung, Facebook wieder persönlicher zu machen, stehen Gruppen stärker im Fokus. Schon davor waren ständig neue Features wie Gruppen-Insights für Admins, Profile und Badges ausgerollt wollten. Interaktionen mit Freunden, der Familie und auch Gruppen bewertet der Algorithmus als besonders meaningful, also bedeutsam. Hohe Reichweiten versprechen die besondere Präsenz der Gruppenbeiträge im Newsfeed, Reichweiten innerhalb von Gruppen und die besondere Sichtbarkeit durch Notifications bei Mitglieder-Updates. Unbezahlte Reichweiten von Brand Pages rücken dagegen in den Hintergrund.
Auch Unternehmen können seit dem vergangenen Jahr neben Pages auch Gruppen erstellen. Abgesehen von Thermomix-Rezepten finden sich unter den größten deutschen Facebook-Gruppen allerdings keine Marken. Ikea oder die adidas Runners Communities bilden erfreuliche Ausnahmen unter der sonst ernüchternden Marken-Gruppen Community. Zu oft fehlt es großen Unternehmen an passenden Konzepten wie sie sich dem Thema Gruppe nähern können.
Die neue Bezahlfunktion als Chance für Marken
Aktuell testet Facebook die Einführung kostenpflichtiger Gruppen. Admins erhalten die Möglichkeit, für eine Gruppenmitgliedschaft Beiträge zwischen 2,99 und 29,99 US-Dollar pro Monat zu erheben. Spannend ist, dass sie trotz Paywall keine zusätzlichen Funktionen bieten.
Der Mehrwert der Gruppen muss so groß sein, dass er Nutzer zur Zahlung überzeugt. Es ist nicht klar, ob oder wann diese Funktion in Deutschland ausgerollt wird. Sollten Bezahlfunktionen großflächig kommen, freuen wir uns vielleicht auch bald über Livestreams mit Ikea-Beratern, bezahlte Sessions mit den Reebok Crossfit-Coaches oder exklusive "Facebook Originals"-Videos wie sie ähnlich gerade von YouTube Premium ausgerollt werden.
Wer für sich heute schon die Frage "Ist meine Gruppe so wertvoll, dass auch jemand für die Mitgliedschaft bezahlen würde" mit ja beantworten kann, hat bereits den Schlüssel für eine erfolgreiche Gruppenstrategie in der Hand.
Neben Reichweite und Kontakt zu potenziellen Super-Usern winken vor allem Insights und der Blick ins echte Wohnzimmer.