
Peter Klingspor, Head of Group Corporate Delevopment Talanx AG
Peter Klingspor, Head of Group Corporate Delevopment Talanx AG
Start-up-Scouting: Peter Klingspor, Leiter Group Corporate Development bei Talanx, beschreibt im Interview, wie der Versicherer mit Hilfe von Accelerators seine Innovationsstrategie vorantreibt.
Schon seit Jahren setzen sich Versicherungskonzerne damit auseinander, wie sie ihre traditionellen und digitalen Vertriebskanäle vereinbaren können. Start-ups entwickeln neue Geschäftsideen, die zur Konkurrenz für traditionelle Konzerne werden können. Und Kunden stellen heute andere Anforderungen an die Kommunikation mit Unternehmen und wollen Versicherungen online abschließen. Kurz: Die Digitalisierung setzt die Versicherungsbranche unter Druck.
Um ihre Innovations- und Digitalisierungsstrategie voranzutreiben, kooperiert die Talanx-Gruppe seit Herbst 2016 mit den Accelerators Plug and Play Tech Center in Kalifornien und mit Startupbootcamp Insurtech in London. Der Talanx-Konzern arbeitet in der Erst- und Rückversicherung und ist mit verschiedenen Marken am Markt vertreten. Zur Gruppe gehören beispielsweise die Marken HDI, Targo Versicherung oder der Rückversicherer Hannover Re. Wir haben mit Peter Klingspor, Leiter Group Corporate Development bei Talanx, über das Start-up-Scouting mit Unterstützung durch Plug and Play und Startupbootcamp gesprochen.
Die Talanx-Gruppe arbeitet seit kurzem mit Akzeleratoren zusammen. Was hat Sie dazu bewogen?
Peter Klingspor: Die Digitalisierung verändert die Versicherungsbranche nachhaltig. Insbesondere die Erwartungen unserer Kunden werden sich an den Erfahrungen orientieren, die sie aus Interaktionen mit Unternehmen anderer Branchen erleben. Die Zusammenarbeit mit Akzeleratoren ist daher für uns sinnvoll, da wir hierdurch einen breiten Einblick über die aktuellen Entwicklungen und Trendthemen bekommen, die derzeit weltweit entstehen. Ziel der Partnerschaften ist es, innovative Technologien und digitale Geschäftsideen in der Versicherungsbranche schneller zu identifizieren und zu fördern.
Warum haben Sie sich mit Plug and Play und Startupbootcamp gleich für zwei Akzeleratoren entschieden?
Klingspor: Beide Partner verfügen über speziell auf Versicherungen ausgerichtete Programme. Über ihre sogenannten "Ökosysteme" haben beide Zugriff auf ein weltweites Netzwerk.
Akzeleratoren sind auch eine Art Partnerbörse. Sie bringen Start-ups, Versicherungs- und andere Unternehmen regelmäßig und strukturiert zusammen und fördern damit die gezielte gemeinsame Entwicklung von neuen Ideen und Praxislösungen. Die Programme leben davon, dass sich die Partner engagieren und regelmäßig aktiv in das Netzwerk einbringen. Hierzu ist eine Präsenz erforderlich. Durch die unterschiedlichen Standorte, Plug and Play im amerikanischen Silicon Valley einerseits und Startupbootcamp im europäischen London andererseits, versprechen wir uns dabei eine praktikablere Betreuung durch Vertreter unseres weltweit agierenden Konzerns in den jeweils relevanten Regionen.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit Plug and Play beziehungsweise Startupbootcamp ab?
Klingspor: Es gibt zwei Arten von Mitgliedschaften in einem Programm, eine passive, die preiswerter ist, bei der Unternehmen jedoch in der Rolle des Zuschauers sind. Wir sind hingegen aktive Mitglieder, die bei Plug and Play als "Anchor Partner“ und bei Startupbootcamp als "Strategic Partner“ bezeichnet werden, bei denen wir uns auch inhaltlich einbringen. Die Akzeleratoren sammeln die Themen aller aktiven Mitglieder eines Verticals und durchforsten daraufhin ihre Netzwerke an Start-ups. Am Ende des Filterprozesses bleiben etwa 10 bis 20 Start-ups übrig, die für das dem Auswahlprozess folgende Entwicklungsprogramm nominiert werden. Sie arbeiten mit den Mitgliedern gemeinsam an der Entwicklung ihrer Geschäftsmodelle.
Was kostet so eine Zusammenarbeit?
Klingspor: Über die detaillierten Vertragskonditionen ist Vertraulichkeit vereinbart.
Was ist die Rolle der Anchor beziehungsweise Strategic Partner?
Klingspor: Während die Start-ups ihre Geschäftsmodelle entwickeln, unterstützen die Partner sie als Mentoren. Hierbei bringen sie Branchen-Know-how und Erfahrungen ein, welche die Start-up-Unternehmen naturgemäß nicht haben können. Während der Akzeleratorphase werden darüber hinaus mögliche Formen der Zusammenarbeit ausgelotet.
Wie geht es nach dem dreimonatigen Programm weiter?
Klingspor: Es gibt verschiedene Wege, die weitere Zusammenarbeit zu gestalten. Denkbar sind dabei fortgesetzte Entwicklungsmaßnahmen, Kooperationen oder auch Finanzbeteiligungen. Dies ist aber erst Zukunftsmusik, da die Programme gerade erst begonnen haben.
Wie haben Sie sich intern aufgestellt, um mit den Akzeleratoren und den Start-ups zusammenzuarbeiten?
Klingspor: Wir haben eine Innovationskonferenz eingerichtet. Sie besteht aus Mitarbeitern aus allen Geschäftsbereichen, die sich in ihrer Funktion als Innovationsbotschafter mit den jeweiligen Initiativen befassen und als Ansprechpartner für ihren Geschäftsbereich fungieren und somit als Bindeglied in das konzernweite Innovationsmanagement eingebettet sind. Gemeinsam werden Start-ups identifiziert, Treffen vereinbart und der erforderliche fachliche Support sichergestellt. Das Start-up wird sodann mit dem passenden Fachbereich verknüpft, damit ein Projekt zielgerichteter ausgearbeitet werden kann. Die Mitglieder der Innovationskonferenz haben eine hinreichende Vertretungsregelung, damit eine lückenlose Zusammenarbeit mit den Akzeleratoren sichergestellt werden kann.
Das heißt, auch deutsche oder europäische Mitarbeiter dürfen mal nach Kalifornien?
Klingspor: Ja, wenn es für die Zusammenarbeit relevant ist. Für die entsprechenden Mitarbeiter ermöglicht ein Besuch im Silicon Valley auch einen Blick in eine völlige andere Arbeitswelt und Unternehmenskultur.
Waren Sie auch schon im Plug and Play Tech Center in Sunnyvale?
Klingspor: Ja, ich war der einzige dort, der eine Krawatte getragen hat.
Was haben Sie mitgenommen?
Klingspor: Das Netzwerk funktioniert erstaunlich gut, auch mit anderen Verticals. Ich wurde zum Beispiel zur Eröffnungsveranstaltung von Startup Autobahn in Stuttgart eingeladen und konnte dort gewinnbringende Kontakte zu Start-ups aufnehmen. Solche Vernetzungen sind sehr wertvoll.
Innerhalb eines Verticals arbeiten miteinander konkurrierende Unternehmen zusammen. Wie funktioniert das?
Klingspor: Diese Frage haben sich wohl alle Mitglieder gestellt. Wenn konkurrierende Unternehmen gemeinsame Aktivitäten planen, besteht zunächst die Sorge, ein anderer könnte einen Vorsprung erhalten. In der Praxis ist diese Angst unbegründet, da alle Partnerunternehmen vor vergleichbaren Herausforderungen stehen und Lösungen suchen. Auch der Austausch zwischen den Partnern ist sehr hilfreich.
Warum denken Sie, dass sich die Zusammenarbeit mit Start-ups lohnt?
Klingspor: In unserer langjährigen Historie haben wir sehr robuste und gut funktionierende Geschäftsmodelle etabliert. Dennoch erleben wir einen Generationswechsel, der dazu führt, dass wir von unseren Stakeholder mit neuen Erwartungen konfrontiert werden. Hierbei ist es zunächst unerheblich, ob es sich um unsere Kunden, Vertriebspartner, Aktionäre oder Mitarbeiter handelt. Durch die Zusammenarbeit mit Startups befassen wir uns mit Themen, die insbesondere in der jüngeren Generation höchste Aktualität besitzen. Nur wenn wir es schaffen, dass unsere Geschäftsmodelle auch den Erwartungen der Stakeholder in der Zukunft gerecht werden, können wir unsere bisherigen Erfolge ausbauen.
Investieren Sie auch in Start-ups, wenn es zur Strategie passt?
Klingspor: In erster Linie sind wir am gegenseitigen Erfahrungsaustausch interessiert, um die Zukunft der Versicherungsbranche mitzugestalten. Wir können uns aber auch vorstellen, in ein junges Unternehmen zu investieren, es als Geschäftspartner zu gewinnen oder sogar in den Konzern zu integrieren, wenn es sich anbietet und zu uns passt. Investitionsentscheidungen machen wir vom Einzelfall abhängig.
Wie die Branchenprogramme der Accelerators im Detail aufgesetzt sind, wird in diesem Artikel beschrieben.