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Sonstiges 17.12.2017
Sonstiges 17.12.2017

Serie, Teil 1 Stammdaten managen und optimieren: Die Herausforderungen

shutterstock.com/Jirsak
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Im digitalen Zeitalter treiben Daten den Handel an. Doch die Qualität der vorhandenen Stammdaten ist oft bescheiden. Es fehlt an bereichsübergreifenden Strategien.

Von André Classen, Partner bei der KPS AG

Computern die Preisgestaltung überlassen und jederzeit den Bestpreis erzielen: Vom Dynamic Pricing erwarten viele Online- und Multichannel-Händler bessere Einnahmen oder mehr Geschäft. Technologisch ist Dynamic Pricing bereits umsetzbar. Anhand von Verkaufs- und Absatzzahlen prognostizieren Computerprogramme bereits, wie sich Nachfrage und Produktzyklus entwickeln werden und kalkulieren einen entsprechenden Preis - für unterschiedliche Tageszeiten, Wochentage, Jahreszeiten, für Regionen oder einzelne Städte.

Dynamic Pricing lässt sich aber auch auf Kundengruppen ausrichten. In diesem Fall werden Stammkunden ­höhere Rabatte gewährt als Neukunden. Gleiches gilt für Kunden, die regelmäßig hohe Warenkörbe oder geringe Retouren produzieren. Auch können mit Dynamic Pricing potenzielle Kunden mit kurzfristigen Rabattaktionen gelockt werden: Computern und vor allem Daten sei Dank.

Ohne Datenauswertung kein Vertriebskanal

Dynamic Pricing ist nur ein Beispiel für die vielen Möglichkeiten, die Big Data und Echtzeitanalysen bereits eröffnen. Viele Händler setzen außerdem auf das Ausspielen personalisierter Angebote im Internet und wollen unterschiedliche Vertriebs­kanäle für Click & Collect-Angebote verzahnen. Doch solche Strategien sind ohne die Auswertung von Daten nicht denkbar. Damit Analysetools, Bewertungen und Ausgabe- oder Lieferprozesse kanalübergreifend funktionieren, müssen die Stammdaten, auf denen sie beruhen, korrekt, einheitlich, aktuell und singulär sein.

Hieran hapert es bei der neuen digitalen Wirtschaft - nicht nur im Handel. Das ist das Ergebnis der Studie "Revival der Stammdaten" der Beratung Lünendonk, die in Zusammenarbeit mit den E-Commerce-Spezialisten von KPS und den Technologieunternehmen Salt Solutions und Zetvisions entstand. Laut der Studie bekunden satte 85 Prozent der Unternehmen Probleme mit ihren Stammdaten, mit deren Erhebung und Auswertung: Sie ­bemängeln Dubletten in den Datensätzen, vor allem aber uneinheitliche Datenstrukturen. Angesichts der fortschreitenden ­Digitalisierung ist das schlichtweg ein ­katastrophaler Befund, zumal der Handel in Deutschland mit Konzernen wie ­Google und Amazon konkurriert. Diese wiederum haben ihre Daten im Griff und überraschen immer wieder mit neuen, kundennahen Angeboten. Schlecht gepflegte oder vernachlässigte Daten hingegen binden nicht nur Arbeitszeit, sondern schmälern auch die Produktivität und den Erfolg.

Aufgrund dessen widmet sich diese zweiteilige Serie der Problematik "Stammdaten": Die erste Folge beschäftigt sich mit der Bedeutung von Stammdaten und der Notwendigkeit einer einheitlichen, ­bereichsübergreifenden Strategie für das Datenmanagement. In der zweiten Folge werden geeignete Maßnahmen für die Pflege bestehender Daten und Optimierungsmöglichkeiten bei der Erhebung neuer Daten genannt.

Ohne gute Datenqualität gibt es keinen Erfolg

Im Handel ist das Management von Stammdaten sicher nicht einfach. Die Menge und Komplexität der Daten wächst mit der Anzahl der Produkte, ihren Variationen, unterschiedlichen Preisen, aber auch mit häufigen Änderungen im Sortiment des Anbieters. Nicht zuletzt steigt die Zahl der Daten im Multichannel-Handel durch die Verknüpfung unterschiedlicher Vertriebswege zusätzlich rapide an. Die Qualität von Stammdaten unterscheidet sich laut der Studie aufgrund von vier zentralen Merkmalen: 62 Prozent der befragten Händler bewerten die Aktualität ihrer Daten eher als schlecht. Daten, die nicht aktuell sind, binden Arbeitszeit. Der Händler kann sich nicht auf sie verlassen kann - Konsistenz fehlt. 68 Prozent der Befragten beobachten Lücken in ihren ­Datensätzen, es besteht keine Vollständigkeit. Zuletzt verhindern unterschiedliche Bezeichnungen eine einheitliche Einordnung und Zuweisung der Daten. Die Unternehmen sind folglich bei Semantik und Ausdruck zu unachtsam.

Datenabgleich muss auch technisch abgestimmt sein

Innerhalb eines Unternehmens erfassen mehrere Abteilungen Daten, oft auch mit unterschiedlichen Instrumenten und Programmen. Bespielt ein Händler etwa mehrere Vertriebskanäle, werden die Kundendaten im Laden, im Shop-System, aber auch in der Service-Abteilung und in der Kundenberatung meist in unterschiedlichen Programmen gesammelt. An allen Schnittstellen können sich Fehler einschleichen: Werden etwa Namen nicht einheitlich erfasst, entstehen Dubletten in den Datensätzen und die Kundenhistorie kann nicht umfassend über alle Kanäle hinweg betrachtet werden. Bezeichnen Category Manager zudem Eigenschaften und Produktvorteile im Shop-System mit Trendwörtern, können sie im Warenwirtschaftssystem nicht eindeutig zugeordnet werden. Im Shop steigt so das Angebot, bei der Zusammenführung der Daten aus unterschiedlichen Quellen kommen die Systeme bei der Vielfalt aber ins Straucheln.

Als größte Hürden bei der Erhebung von Stammdaten hebt die Lünendonk-Studie den Mangel an Strategien und Zielen, fehlendes Problembewusstsein im Management sowie die unzureichende Kommunikation zwischen unterschiedlichen Fach­abteilungen hervor. Das wird im Zusammenspiel von IT und Fachabteilungen ­ersichtlich. Denn in den meisten Unternehmen wählt die IT entsprechende Analysetools aus und integriert diese in die ­bestehende Softwarearchitektur.

Datenmanagement lebt von der internen Abstimmung

Die Auswertung der Daten liegt wiederum in der Verantwortung von Marketing, Einkauf, Kundenservice und anderen Abteilungen. Auch an dieser Schnittstelle fehlt es meist an Kommunikation und gemeinsamem Vorgehen. Denn während etwa jeder fünfte IT-Mitarbeitende die Datenfragen als gelöst ansieht, teilen laut der Studie nur 12 Prozent der Spezialisten aus anderen Abteilungen diese Meinung.

Mit der Digitalisierung steigen jedoch die Anforderungen an die Stammdaten. Denn jetzt übernehmen Maschinen und mathematische Modelle die Analysen und brauchen dazu einheitliche und konsistente Datensätze. Seit Jahren investieren die Unternehmen in Softwarelösungen zur Optimierung ihres Datenmanagements. Doch bei der Inte­gration versäumen sie es, die Technik an ihre Strukturen anzupassen, vor allem aber personell Verantwortlichkeiten zu bestimmen und Ziele für das Management und die Pflege der Stammdaten zu formulieren. Ohne Strategie lassen sich aber die Datensätze aus unterschiedlichen Abteilungen, Vertriebskanälen und elektronischen Programmen nicht vereinheitlichen, die IT arbeitet so an den Bedürfnissen von Marketing, Einkauf und Cate­gory Management vorbei und umgekehrt.

Sollen Big Data und Analytics tatsächlich das Geschäft antreiben, wird die Strategie fürs Datenmanagement eine Führungsaufgabe. Sie beginnt mit der grundsätzlichen Überlegung, welche Daten für das Unternehmen und seine Geschäfte wichtig sind oder wichtig werden könnten. Für die formulierten Ziele sollten die Verantwortlichkeiten am besten in abteilungsübergreifenden Teams danach eindeutig benannt werden. So kann ein Transformationsprozess starten, in dem nicht nur Daten einheitlich erhoben und nach klaren Kriterien gepflegt werden, sondern sich die beteiligten Abteilungen neu strukturieren und  digitaler werden können. Datenmanagement kann also der Beginn eines umfassenden Change-Prozesses werden. Die Datenstrategie sollte zudem zum Schutz persönlicher Kunden- und Nutzerdaten klare Richtlinien enthalten. Wer wann Zugriff auf welche Daten erhält, muss geregelt sein.

Planung und Optimierung von Stammdaten lassen sich schlecht voneinander trennen. Die betroffenen Fachbereiche übernehmen die inhaltliche Definition und Zuordnung von Stammdaten, die IT-Abteilung passt daran die eingesetzten Programme und Tools an. Doch beim ­Datenmanagement sollten die Sichtweisen aller Beteiligten kontinuierlich eingebunden werden. Daher empfiehlt es sich die Verantwortung für das Datenmanagement in bereichsübergreifende Teams zu legen. Wenn die Beteiligten geklärt haben, welche Stammdaten in Zukunft benötigt werden, können sie Methoden für die einheitliche Erhebung und Speicherung, aber auch die Kriterien zur Pflege des vorhandenen ­Datenbestands erarbeiten. Mit diesen Vorbereitungen sollte sich die Datenlage bald und spürbar verbessern und das Unternehmen schneller die Hebelpunkte erkennen können. Damit lassen sich letztlich auch die internen Prozesse und die ­eigenen Leistungen verbessern.

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