
Welche Wirkung hat Fernsehwerbung auf das Verhalten der Nutzer im Internet? Tools für TV-Tracking verfolgen die Customer Journey vom Fernseher ins Web.
Von Susann Naumann
Der Fernseher läuft, der Laptop liegt auf den Knien. Im TV wird eine Werbung ausgestrahlt. Der Zuschauer gibt in sein mobiles Gerät die URL des Werbungtreibenden ein oder sucht bei einer Suchmaschine nach der Marke. Ein Szenario, das heute keine Seltenheit, sondern fast Alltag geworden ist. Doch welcher TV-Spot, zu welcher Zeit, auf welchem Kanal, in welchem Umfeld erzielt die beste Wirkung? Wie viele Suchanfragen nach Marke, Produkt oder Aktion löst ein TV-Spot aus? Veranlasst die Werbung die Zuschauer zu bestimmten Aktivitäten im Web?
Antworten auf diese Fragen versprechen die TV-Tracking-Lösungen verschiedener Anbieter. Webanalyse-Dienstleister und Performance-Spezialisten haben diverse Tools entwickelt, die vor, während und nach der Ausstrahlung eines TV-Spots das Nutzerverhalten auf Websites messen und vergleichen.
So unterschiedlich die technischen Lösungen der Anbieter auch sind, so sehr ähneln sie sich in ihren Anwendungsszenarien. Wer TV-Tracking nutzt, will in erster Linie seine eigenen TV-Werbeaktivitäten optimieren. Eine weitere Möglichkeit ist die digitale Verlängerung von TV-Kampagnen, Stichwort Second Screen. So könnte beispielsweise eine Marke in den ersten Minuten nach Ausstrahlung des Fernsehspots im Internet punktuell besonders präsent sein - in Suchmaschinen oder auf Facebook. Hier ein Überblick über die Ansätze für TV-Tracking und die Verlängerung von Kampagnen ins Web:
AT Internet
AT Internet arbeitet mit verschiedenen Technologien zur Erkennung von Daten. Eine davon ist die Automated-Audio-Recognition-Technologie, die in Kooperation mit dem Münchner Spezialisten Wywy angewendet wird. Die über den TV-Audiokanal gewonnenen Erkennungsdaten - welches Programm läuft gerade, welcher Spot hat begonnen - überträgt Wywy an die Webanalyse-Lösung von AT Internet. In die Analyse fließt dann ein, wie eine Fernsehwerbung in den entsprechenden digitalen Kanälen wirkt.
Das Tool misst und vergleicht etwa Klicks, Pfade und Customer Journeys, Suchmaschinenanfragen, Brand Traffic und direkten Traffic. Möglich wird das über eine Datensegmentierung. Besucher sind über Browser-Cookies wiederzuerkennen, sobald sie die Website erneut besuchen. Kauft der Besucher zu einem späteren Zeitpunkt auf der Website etwas ein, kann das System diese Conversion einem TV-Spot zuordnen.
Frank Piotraschke, Country Manager von AT Internet, erklärt den Nutzen des Systems: "In unserem Webanalyse-Tool 'Analyzer III' sehen Werbungtreibende, welche Sendezeiten, Sender und Werbemotive die meisten Besucher auf die Seiten bringen."
Der Babybedarf-Versender Windeln.de hat beispielsweise mit AT Internet den Return-on-Investment einzelner TV-Spots gemessen und daraufhin den eigenen Mediaplan in puncto Sender, Spot-Version und Sendezeit optimiert. Auch das österreichische Angebotsportal Wogibtswas.at hat kürzlich seine erste Fernsehkampagne mit der TV-Tracking-Lösung analysiert. Wogibtswas.at wollte herausfinden, ob der Werbespot "funktioniert" und wie seine Wirkung verbessert werden kann.
"Durch die Echtzeitanalyse wusste das Portal zum Beispiel, welche Sendeplätze sowie welche Wochentage und Uhrzeiten die besten Traffic-Zahlen zur Folge hatten", sagt Andreas Schroeter, Gründer und CEO von Wywy. Seiner Erfahrung nach greifen etwa 80 Prozent aller Besucher, die durch einen Werbespot generiert werden, innerhalb der ersten 90 Sekunden nach dem Spot auf die Webseite des Werbungtreibenden zu.
etracker
Die Lösung von etracker heißt "TV Ad-Analyse". Das Prinzip: Die Data Scientists der Etracker Data Labs ermitteln den sogenannten Uplift durch TV-Kampagnen - also den Anstieg der Besucherzahlen auf der Website. Olaf Brandt, Director Product Management, erklärt: "Um eine akkurate Messung der Wirkung von TV-Werbung vornehmen zu können, müssen fortschrittliche statistische Verfahren eingesetzt werden."
Einfache zeitliche Zuordnungen seien wenig aussagekräftig. Unter Berücksichtigung der relevanten Stellschrauben in den Mediaplänen wie Sender, Umfeld oder Tageszeit könnten hingegen konkrete Optimierungen abgeleitet werden.
Die etracker-Lösung rechnet Traffic-Quellen heraus, die nicht durch das Fernsehen beeinflusst wurden. Dazu zählen beispielsweise Newsletter- oder Display-Kampagnen. Weiterhin werden Mediapläne und Besucher per Datenabgleich gegenübergestellt. Außerdem rechnet das Tool laut etracker sowohl Trend-, als auch Tageszeit-, Wochentag- und saisonale Effekte heraus.
Das Uplift-Monitoring schließlich bestimmt die Ausstrahlungszeitpunkte und berechnet den Uplift. Durch die Erfassung der Website-Daten liegen in der Regel vollständige Besuchersequenzen vor. Auf diese Weise wird ersichtlich, ob Nutzer die Produktseite angesehen und Produkte in den Warenkorb gelegt oder bestellt haben.
Booming
Die Performance-Marketing-Agentur Booming verknüpft mit ihren Produkten "TV triggered Search" und "TV synchronized Display" Online- und TV-Werbung. Die Search-Lösung erkennt die Ausstrahlung von TV-Spots und reagiert darauf unmittelbar mit automatischen Geboten auf relevante Suchbegriffe. Das von Booming eingesetzte TV-Monitoring arbeitet mit einem kombinierten Audio- und Video-Fingerprint und unterscheidet sich dadurch nach Angaben des Unternehmens vom TV-Monitoring anderer Anbieter.
Sobald ein Spot im TV läuft, wird ein Signal an das Google-Adwords-Konto gesendet, das eine Anpassung der Gebotsstrategie auslöst. Nach Ablauf des festgelegten Zeitfensters werden die Gebote wieder auf das Ausgangsniveau zurückgesetzt.
Bei "TV synchronized Display" kann per Real-Time Advertising die TV-Werbung ins Netz verlängert werden und erscheint als Display-Werbung zum Beispiel auf Facebook oder innerhalb des Google-Netzwerks. Mit definierten Erfolgskennzahlen wie Traffic oder Sales lässt sich analysieren, wie sich die einzelnen Faktoren einer Spot-Schaltung - beispielsweise Wochentag, Zeitschiene und Umfeld - auf den Erfolg auswirken.
hurra
Ähnlich wie Booming bietet die Performance-Agentur hurra Communication die Verbindung der TV-Werbung mit Online-Marketing-Maßnahmen an. Die "TV Ad Detection" der Stuttgarter erkennt in Echtzeit alle TV-Spots, die auf TV-Sendern laufen. In einem zweiten Schritt wird im Moment der Ausstrahlung ein digitaler Steuerimpuls an die Campaign-Tools von hurra gesendet. Diese lösen eine Verlängerung der Werbung ins Netz aus. Unter anderem über Real-Time Advertising wird dann Display-Werbung beispielsweise bei Facebook oder im Google-Netzwerk geschaltet.
Möglich ist auch die digitale Verlängerung in Form von Keyword Advertising in Google Adwords. Außerdem bietet hurra einen Uplift-Report, der die Effektivität der TV-Schaltung zum Beispiel auf Google oder Youtube misst und aufzeigt, welche Spots am effektivsten waren. Den Unterschied zur Booming-Lösung beschreibt Markus Schindler, Head of Sales und Marketing bei hurra: "Wir erheben, speichern und analysieren sämtliche Daten selbst und kaufen sie nicht von Drittanbietern."
Weiterer Effekt: Die Tracking-Lösung verbindet Besuche auf der Seite mit Einkäufen innerhalb der Session sowie den Einkäufen, die in einer anderen Session stattgefunden haben.
intelliAd
Der Algorithmus für das TV-Tracking von intelliAd berechnet den Einfluss von TV-Spots auf die verschiedenen Online-Kanäle und legt dafür sekundengenau die echten Sendezeiten zugrunde. Neben den Klicks und Conversion Rates können über das TV-Tracking auch Umsatz und Return on Investment pro Werbespot und Sendezeit erfasst werden - nach Aussagen von intelliAd noch Tage nach der Ausstrahlung.
Die TV-Tracking-Software lässt außerdem Rückschlüsse auf die Wirkung von TV-Spots in der Customer Journey zu. So kann gemessen werden, wie ein TV-Spot den Gesamt-Traffic beeinflusst und welcher Uplift an Klicks und Conversions erzeugt wird. Der Unterschied zu anderen Lösungen: intelliAd gewichtet nach TV-beeinflussten Kanälen, Kampagnen oder Ad Groups sowie nach Kanälen, die nicht von TV beeinflusst wurden.
Der Münchner Technologiedienstleister hat mit dem Touristikanbieter Berge & Meer im Dezember 2013 eine Kampagne gefahren. Dabei wurde ersichtlich, dass die Einblendung der URL im TV-Spot allein oft nicht reicht. Vielmehr muss dem User der Nutzwert aufgezeigt werden, wenn er nach dem Anschauen des Spots online geht. Weiterhin sollte sichergestellt sein, dass der Nutzer die im TV-Spot gestartete Kommunikation direkt online wiederfindet.
Beispiel: Der TV-Spot bewirbt eine Indienreise, die aber in den Suchmaschinen oder auf der Homepage des Anbieters nicht sofort sichtbar ist. intelliAd-COO Mischa Rürup betont: "Mit TV-Tracking lässt sich genau errechnen, ob sich die Kosten für TV-Werbung lohnen beziehungsweise ob der ROI stimmt." Nutzer-Tracking und der Einkauf von Display-Werbung in Echtzeit ermöglichen das Zusammenspiel von TV und Internet. Künftig dürfte die Abstimmung beider Kanäle noch ausgefeilter werden.
Wie sich der Medienbruch zwischen TV und Online beim Marketing überbrücken lässt, darüber hat sich auch die Media- und Kommunikationsagentur D.C. Media Networks Gedanken gemacht - und fünf Tipps erarbeitet, wie sich Werbewirkung und Media-Effizienz durch die Verzahnung von TV und Online deutlich steigern lassen.