
Auch wenn Google auf die Coalition for Better Ads verweist - der größte Digitalvermarkter weltweit entscheidet zunehmend, welche Ad-Formate akzeptabel sind und welche nicht. Das passt dem BVDW nicht. Der Verband kritisiert die mangelnde lokale Mitbestimmung.
Seit Mitte Februar 2018 ist es soweit: Wenn Webseiten zu häufig Anzeigenformate zeigen, die von der Coalition for Better Ads als besonders störend eingestuft werden, blockiert der Chrome-Browser Werbung auf dieser Webseite. Zwölf Werbemittel für Desktops und für Mobile hatte die Coalition for Better Ads im vergangenen Jahr als "besonders störend" identifziert.
Die Coalition for Better Ads formierte sich im Herbst 2016 mit dem Ziel, neue, weltweite Standards für bessere digitale Werbung zu etablieren. Google ist die treibende Kraft hinter der Brancheninitiative. Der Druck war deshalb groß geworden, weil der Einsatz von Adblockern stark zugenommen hat. Konsumenten schätzen zwar kostenlose Dienste und Medienangebote im Web, sind aber von zu viel Werbung genervt und laden Adblocker herunter.
Die Coalition for Better Ads ist kein auf die USA beschränktes Gremium. Ihr gehören Branchenverbände, Werbungtreibende, Vermarkter, Adtech-Dienstleister und Publisher aus den USA und aus Europa an. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) ist Mitglied, der European Publishers Council, die World Federation of Advertisers (WFA), Facebook, große Werbungtreibende wie Procter & Gamble und Unilever sowie Online-Media-Agenturen wie GroupM.
Gatekeeper Google
Nun sortiert Google über Chrome diese "schlechten" Anzeigen aus und beruft sich dabei auf die Koalition. Noch ist es zu früh, um abzusehen, welche Auswirkung das neue Adblocking in Chrome auf den deutschen Werbemarkt haben wird. Die Zahl der Webseiten, deren Werbeanzeigen von Chrome herausgefiltert werden, dürfte aber relativ klein sein. Chrome ist der Browser mit den höchsten Marktanteilen weltweit auf Desktops und auf mobilen Geräten. Kein Publisher dürfte es riskieren, dass Anzeigen auf seinen Webseiten blockiert werden, zumal davon nicht nur die als "störend" identifizierten, sondern alle Anzeigen betroffen sind.
Für die digitale Vermarktungsbranche dürfte die Tatsache schwerer wiegen, dass ein Browser-Anbieter, der gleichzeitig der größte Digitalvermarkter weltweit ist, darüber entscheidet, welche Anzeigenformate akzeptabel sind und welche nicht, auch wenn Google dabei auf die Umfrage der Coalition for Better Ads verweist.
Die Macht, die Google auch mit seiner Adtech-Tochter Doubleclick über das digitale Vermarktungsgeschäft bereits hat, wird mit dem Adblocking bestimmter Formate in Chrome noch größer.
Kritiker weisen darauf hin, dass Google mithilfe der Coalition for Better Ads Standards für digitale Anzeigenformate festlegt, von denen die unternehmenseigenen Werbeformate kaum betroffen sind. Das kommt nicht gut an. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) und die Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) hatten schon im Oktober 2017, als die Pläne für das Better Ads Experience Program bekannt wurden, Kritik daran geübt. Das vorgeschlagene Steuerungsgremium sei hochproblematisch, weil es indirekt als "Gatekeeper" für Online-Werbeformate weltweit agieren soll, argumentierten BVDW und OWM.
Keine regionalen Strukturen
Jetzt wird die Kritik noch deutlicher - vor allem am "Better Ads Experience Program". Webseitenbetreiber können sich dafür zertifizieren lassen, dass sie sich an die Vorgaben der Koalition halten. Bis 1. Juli sei die Registrierung kostenlos, danach könne eine Jahresgebühr anfallen, kündigt die Koalition an. Der BVDW begrüßt zwar, dass die Kostenpflicht für Zertifizierungen im Rahmen des "Better Ads Experience Program" auf Hinwirken des deutschen Verbands verhindert wurde. Es fehle jedoch weiterhin an regionalen Strukturen.
BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr kritisiert, dass die Steuerung der CfBA aus den USA die regionalen Märkte nicht berücksichtigt. "Die Erde ist keine Scheibe, auf der alles so funktioniert wie in den USA". "Für die Umsetzung der Zertifizierung in Deutschland oder anderen nationalen Märkten braucht es zwingend regionale Strukturen, die durch Verbände getragen und legitimiert werden. Nur so lässt sich die Akzeptanz und Durchsetzbarkeit in den Märkten sicherstellen", ergänzt Björn Kaspring, Vorsitzender der Fokusgruppe Digital Marketing Quality im BVDW. Für ihn bezieht sich zudem die Coalition for Better Ads nur auf Formatkriterien, Qualität greife aber viel weiter.
Die Angst, die Hoheit über den deutschen Markt zu verlieren, ist spürbar: "Als zweitgrößter digitaler Markt in Europa werden wir uns die Hoheit über Marktentscheidungen nicht aus der Hand nehmen lassen. Die Entscheidung über Standards und deren Umsetzung muss den jeweiligen nationalen Marktgremien obliegen", sagt Kaspring. "Der deutsche Markt, oder eben der Konsument, hat, wie jeder andere Markt auch, seine Eigenheiten, die nirgendwo anders zu finden sind. Es ist wichtig, diese Eigenheiten zu berücksichtigen. Stellen Sie sich vor, dass auf deutschen Autobahnen plötzlich nur noch Autos fahren sollen oder dürfen, deren Lenkrad auf der rechten Seite sitzt. Das macht keinen Sinn", so Duhr.
Es bleibt nun abzuwarten, ob die Forderungen der OWM und des BVDW weiter ungehört verhallen, obwohl der BVDW Mitglied der Coalition for Better Ads ist. Gegen weltweit tätige Konzerne wie Google können sich nationale Branchen und ihre Verbände nicht behaupten.