
Gastbeitrag Wie Online-Händler mit Daten Geld verdienen können
In Zeiten des Shop-Sterbens sucht der Online-Handel neue Wege, um Einnahmen zu erhöhen. Doch nur wenige Händler nutzen das Werbepotenzial ihres Shops - das Vermarktungsgeschäft bleibt stattdessen in der Hand der Content-Portale.
Von Melanie Vogelbacher, Geschäftsführerin bei Q division
In das Vermarktungsgeschäft starten Online-Händler mit zwei starken Assets, die Werbungtreibende begehren und die sie nirgendwo anders erhalten: Einer Website, auf der User von vornherein Geld ausgeben wollen. Und der Kenntnis darüber, welcher User welches Produkt begehrt.
Die Website als Werbefläche
Die Idee, sich von Lieferanten finanziell unterstützen zu lassen, ist für Händler nicht neu. Werbekostenzuschüsse (WKZ) sind im stationären Handel schon lange üblich, beispielsweise für Platzierungen an Regalköpfen oder für Sonderaufsteller am POS.
Auch der Online-Handel entdeckt zunehmend die Finanzierung über Werbekostenzuschüsse und schafft entsprechende Werbeflächen. Vor allem Online-Shops, die aufgrund ihrer Größe wichtige Vertriebspartner für Markenhersteller sind, lassen sich diese Werbemaßnahmen gut bezahlen.
Für Marken wie für Händler sind diese Deals hochattraktiv, weil sie den Absatz auf dem Shop fördern und die Markentreue stärken können. Doch das Geschäft mit der Onsite-Werbung hat auch seine Grenzen: Zum einen sind die eigenen Werbeflächen endlich. Zum anderen sind WKZ-Töpfe der Hersteller nicht besonders groß.
Das Geschäft mit den Daten
Deutlich weniger begrenzt ist das zweite Standbein, dass sich der Online-Handel in der Vermarktung schaffen kann: Das Angebot an Brand-Advertiser, die anonymen Userdaten des Shops als Targetingfilter für eigene Werbekampagnen zu nutzen. Display-Werbekampagnen, finanziert aus Mediabudgets, schalten Markenhersteller so oder so. Durch die Daten der Händler nun auch mit Fokus auf User mit akutem Kaufinteresse.
Der Händler verfügt über Kundendaten, die er selbst bereits gezielt für Bestandskunden- und Neukundenwerbung einsetzt: Durch Markierung von Usern mit Cookies startet er Retargeting-Kampagnen auf jene User, die sich im Shop für ein Produkt interessiert, es aber nicht gekauft haben. Diese Möglichkeit kann er auch Markenherstellern seiner von ihm vertriebenen Produkte einräumen. Cookies als Targeting-Filter für Display-Kampagnen dritter Werbungtreibender bereitzustellen, ist datenschutzrechtlich bedenkenlos möglich.
Rechenbeispiel Datenvermarktung
Aber lohnt sich das Geschäft mit den Daten für Händler finanziell? Durchaus, wenn man es sich einmal durchrechnet. Targeting-TKPs für Kundendaten aus dem E-Commerce liegen im Schnitt bei einem Euro. Überschlagen wir das einmal anhand eines mittelgroßen Shops mit 1.000.000 Unique Usern im Monat.
Erfahrungsgemäß kann jeder dieser Unique User im Monat durchschnittlich zehnmal mit Werbebannern angesprochen werden. Daraus ergeben sich zehn Millionen Ad Impressions - ergibt ein Vermarktungspotenzial von 10.000 Euro im Monat bei Vollauslastung und exklusiver Vermarktung der Profile an einen einzigen Advertiser. Für einen mittelgroßen Shop ist schon das ein attraktives Zubrot zum Verkauf der eigenen Waren.
Hierbei ist noch nicht berücksichtigt, dass ein User zeitgleich für verschiedene Werber interessant sein kann - beispielsweise, wenn er zusätzlich zur Spielekonsole auch Interesse an einem Spiel hat. Teilweise führen Kampagnen auch zurück in den Shop des Datenproviders. Händler können also auch mit einem werbeinduzierten Anstieg der Verkäufe rechnen.
Weiterhin erschließen sich Webshops mit dem Datenangebot weit mehr als die für sie ursprünglich bereitgestellten WKZ-Budgets. Brand-Advertiser und Mediaagenturen entdecken zunehmend datengetriebende Branding-Werbung für sich. Auch bei Markenkampagnen entscheidet die Relevanz über den Werbeerfolg. Die ist für den User dann gegeben, wenn er ein aktuelles Interesse an einem Produkt hat. Und genau hier ist die nächste Chance für den Händler: Media-Budgets sind um ein Vielfaches höher als WKZ-Budgets.
Vermarktung leicht gemacht
Bei der Datenvermarktung bieten sich für Online-Händler übrigens unterschiedliche Wege an: Die Vermarktung über öffentliche Marktplätze ist eine Option, die jeder Shop nutzen könnte, aber mit vielen Nachteilen verbunden ist. Beispielsweise vergibt der Datenlieferant jedes Recht an Mitbestimmung und Transparenz. Kontrolle darüber, wer die Daten am Ende nutzt, gibt es nicht. Der Händler muss befürchten, dass Wettbewerber seine wertvollen Userdaten für eigene Kampagnen nutzen. Weiterhin lassen öffentliche Marktplätze oft keine Differenzierung im Angebot zu - die Gefahr, dass die hochqualitativen und hochpreisigen Buying-Intent-Daten des Händlers in dem Angebot untergehen, ist hoch.
Naheliegend ist die Direktvermarktung der Daten. Aus dem Unternehmen heraus verspricht sie maximale Kontrolle und Transparenz. Der Online-Händler weiß, welche Marken seine Profile einsetzen. Und der Werbungtreibende weiß, woher die Daten stammen. Große Marken wie Otto, Zalando oder Amazon vermarkten ihre Daten schon direkt.
Große und kleine Shops
Lohnenswert ist der Aufbau einer eigenen Vermarktung aber nur für ein paar wenige, sehr große Online-Shops, die über entsprechende Reichweiten und Ressourcen verfügen. Andere Online-Händler können diese Werberelevanz durch Synergiemodelle erreichen. Eine Alternative kann der Zusammenschluss zu Vermarktungsnetzwerken sein, ein anderer die Zusammenarbeit mit einem Profildatenvermarkter, der Angebot und Nachfrage in dem Markt bündelt. Diese Dienstleister akquirieren Marken- und Mediaplaner-Kunden, gestalten bei Bedarf entsprechende Kampagnen und beteiligen den Online-Shop als Profildaten-Geber mit einem Targeting-TKP. Zugleich gewährleistet der Dienstleister ein datenschutzkonformes Vorgehen.
Die Spielregeln sind dieselben wie in der Eigenvermarktung: Die Datenhoheit verbleibt beim Online-Shop selbst. Der Händler kann entscheiden, welche Marken und Kampagnen auf seine Userprofile werben. Der Werbungtreibende hingegen erhält Transparenz über den Ursprung der Daten.
Fazit: Online-Shops können nur gewinnen, wenn sie zusätzliche Erlösquellen erschließen. Nicht zuletzt spricht der geringe Aufwand für Werbeangebote an die Hersteller dafür.