
Christopher Reher, Programmatic Consultant bei Platform161 und Diplom-Jurist
Christopher Reher, Programmatic Consultant bei Platform161 und Diplom-Jurist
Die geplante einheitliche Datenplattform einiger Großkonzerne sorgte für Aufsehen. Unser Gastautor sieht darin nicht nur Vorteile: Denn gerade kleinere und mittlere Markteilnehmer werden an den Rand gedrängt. Spannend wird es auch beim Datenschutz.
Von Christopher Reher, Programmatic Consultant bei Platform161 und Diplom-Jurist
Der Zusammenschluss deutscher Großkonzerne um eine eigene Registrierungs-, Identitäts- und Datenplattform zu gründen, ist eine interessante Entwicklung und folgerichtig, wenn man sich in direkter Konkurrenz zu Google sieht beziehungsweise sehen möchte.
Betrachtet man jedoch Googles derzeitige Marktmacht, gerade auch in Bezug auf die mögliche Verwendung von Daten, dann gibt es wenige Möglichkeiten hier tatsächlich Wirkung zu entfalten. Mit dem Zusammenschluss wird eine Art Gegengewicht (wenn auch ein kleines) geschaffen, welches sich primär im Bereich der digitalen Werbung und der besseren und effizienteren Nutzung von personenbezogenen Daten niederschlagen kann.
Start-ups und mittelständische Unternehmen werden an den Rand gedrängt
Bei der neuen Datenplattform der Großkonzerne handelt es sich um einen weiteren Schritt in Richtung "closed Internet", der nicht unbedingt nur positiv verlaufen muss. Gerade an diesem Punkt werden sich noch die Geister scheiden. Denn der Trend hin zu "closed Internet"-Geschäftsmodellen verspricht durch die einfachere Handhabe verschiedener Prozesse eine bessere Marktposition für die beteiligten Unternehmen.
Aber auf der anderen Seite werden dadurch gerade kleinere und mittlere Markteilnehmer sowie (neue) Start-ups noch viel mehr an den Rand gedrängt und von wichtigen Einnahmequellen (Werbebudgets) ausgeschlossen.
Profitieren werden in jedem Fall sowohl die Nutzer als auch die beteiligten Unternehmen. Denn die deutlich besser ausgesteuerte Werbung, die sich zudem wesentlich besser an den tatsächlichen Interessen der jeweiligen Nutzer orientiert, schafft für beide Seiten einen erheblichen Mehrwert. Daraus kann ein neues Marktsegment hervorgehen, das mit individuellen Lösungen punktet und qualifizierte und aufgeklärte Nutzermengen erstellt, so dass Kunden zukünftig nicht mehr mit unnötiger Werbung irritiert und Marke und Umsatz positiv beeinflusst werden.
Höheres Niveau in Sachen Datenschutz
Verknüpft man die werbetechnische und rechtliche Sicht, ergibt sich ebenfalls ein sehr interessantes Bild. Gerade in Bezug auf die ab dem 25. Mai 2018 verbindlich wirksame EU-DSGVO, können sich daraus verschiedene Ausgänge ergeben.
Im optimalen Fall führt die gemeinsame Plattform zum ersten Mal dazu, dass tatsächlich eine informierte Einwilligung der Nutzer über die Verwendung ihrer Daten ermöglicht wird. Vorausgesetzt, die beteiligten Unternehmen machen in einem ausführlichen und äußerst einfach zu verstehenden Registrierungsprozess dem Nutzer verständlich, was genau diese Datenzusammenführung für ihn bedeutet und wie die Daten fortan genutzt werden.
Langfristig wird dieser initiale Hinweis jedoch in Anbetracht der aktuellen Rechtsprechung, die auf das Einverständnis des Nutzers im jeweiligen Einzelfall abzielt, nicht ausreichen. Eine konstante und intensive Betreuung der künftig Registrierten bleibt daher unabdingbar. Dieser Fokus auf den Einzelfall wird durch die ab 2018 wirksame EU-DSGVO und deren Forderung nach "Data Privacy by Design" sowie "Data Privacy by Default" noch verstärkt.
"Data Privacy by Design" zielt hierbei darauf ab, dass Systeme, die personenbezogene Daten erheben, das zukünftig nur noch in einem minimal nötigen und datenschutzrechtlich einwandfreien Rahmen tun.
"Data Privacy by Default" zielt im Gegensatz dazu eher auf den für den Nutzer sichtbaren Bereich ab. Hier geht es darum, dass alle Einstellungen einer Website grundsätzlich den maximalen Schutz der personenbezogenen Daten des Nutzers gewährleisten (kein Tracking, keine Benachrichtigungen) und der Nutzer diese Daten je nach Wunsch aktiv freigeben oder beispielsweise eine konstante Benachrichtigung über die Nutzung seiner Daten beantragen kann.
Geht man also davon aus, dass diese Grundprinzipien umfänglich im Rahmen des Zusammenschlusses beachtet und aktiv angewendet werden, sowie eine Neustrukturierung der Datenerhebungsprozesse vorgenommen wird, dann könnte die Daten-Allianz zu einem höheren wenn auch nicht perfekten Datenschutzniveau führen.
Mehr Rechte für den User, weniger Daten für den Werbungtreibenden?
Das zukünftige Recht der Nutzer, die Verwertung ihrer Daten abzulehnen, birgt jedoch auch einige Risiken. Dann führt der "closed Internet"-Ansatz im schlimmsten Fall dazu, dass ganze Bevölkerungsgruppen von erheblichen Marktsegmenten abgeschnitten werden.
Aus juristischer Sicht würde hier eine Variante des Kopplungsverbotes einschlägig sein, welches im Prinzip verbietet, dass eine marktbeherrschende, erheblich marktrelevante Leistung lediglich solchen Nutzern zugänglich ist, die sich den einhergehenden Nutzungsregeln (Datenherausgabe) beugen und gleichzeitig den Nutzern, die ein solches nicht tun, einen erheblichen sozialen Nachteil entstehen lässt.
Bei Ansicht der beteiligten Unternehmen und gerade auch unter Berücksichtigung der potenziellen Beteiligung der Bürgerportale, dürfte eine Nichtbeteiligung nach dieser Argumentation nämlich tatsächlich einen erheblichen sozialen Nachteil begründen.
Hier sind die teilnehmenden Unternehmen dazu angehalten, alternative Nutzungsmöglichkeiten anzubieten (Payment Models, Paywalls, reduced content/upgradable content), um gerade diesen Ausschluss nicht eintreten zu lassen.
Im Falle einer Ablehnung des Plattform-Angebotes durch die User und ohne valide alternative Zugänge, wäre die Plattform an sich ein erheblicher Rückschritt im Gesamtkonzept des freien Internets. Es bleibt also spannend, wie mit diesem Spannungsfeld schlussendlich umgegangen wird und ob alternative Nutzungsmodelle vorgebracht werden.