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Shopware-Deal "Eine Art Gütesiegel für den deutschen Digital Commerce-Markt"

Jan Eiben und Ralph Hübner (v.l.n.r.)

Hampleton Partners

Jan Eiben und Ralph Hübner (v.l.n.r.)

Hampleton Partners

Dass Carlyle und PayPal in den deutschen Shopsoftware-Anbieter Shopware investieren, ist ein Ritterschlag für den Digital Commerce in Deutschland und tut auch dem Ökosystem rund um die Open-Source-Software gut, glauben Jan Eiben und Ralph Hübner von Hampleton Partners.

Seit Gründung ist Shopware zu 100 Prozent eigenfinanziert. Das ändert sich nun: Ein Investment von 100 Millionen US-Dollar soll die internationale Expansion und die Entwicklung neuer Produkte vorantreiben. Die Geldgeber sind der Investmentmanager Carlyle - und PayPal. INTERNET WORLD sprach mit Jan Eiben, Managing Director, und Ralph Hübner, Sector Principal bei Hampleton Partners, die den Deal begleiteten.

Wie kam es zu dem Deal? Kam Shopware auf euch zu oder ihr auf Shopware?
Jan Eiben:
Es war ein bisschen beides. Wir suchen natürlich immer nach spannenden Unternehmen und analysieren, wer in dem Sektor schon alles verkauft oder ein großes Fundraising gemacht hat und wer in dem Bereich noch fehlt. Und dann kann man den ein oder anderen ansprechen. So war es auch bei Shopware. Die hatten selber auch eine Idee und wollten mal reden. Und so haben wir zunächst in einem Workshop eine Standortbestimmung gemacht und geschaut, was ein Partner für Shopware überhaupt mitbringen muss. Denn Geld bekommen, ist das eine, Geld ausgeben das andere. Deutsche Unternehmen wie Shopware brauchen nicht nur jemanden, der ihr Wachstum finanziert, sondern auch einen Partner, der ihnen hilft, das Geld beispielsweise bei der Internationalisierung effizient zu investieren. Es macht schließlich einen Unterschied, ob man ein Jahresbudget von 1,5 Millionen Euro für nationales Marketing allokiert oder 30 bis 50 Millionen für Produktentwicklung und Internationalisierung. Auch bei der Expansion in die USA sind schnell Millionenbeträge verbrannt. Und auch neue Führungskräfte einzustellen, ist eine Herausforderung. Hier können Partner mit Kontakten und Know-how weiterhelfen. Dieser Input drückt sich nicht in Funding-Euro aus, ist aber trotzdem bares Geld wert. Stichwort smart Money.

Was war Shopware denn wichtig?
Eiben:
Die Hamann-Brüder haben ihr Unternehmen in über 20 Jahren aufgebaut. Die haben als Teenager angefangen und inzwischen mehr Zeit mit der Company als Lebenszeit davor verbracht. Wenn man sich dann Investoren ins Haus holt, ist das ein riesiger Schritt. Und natürlich hat man auch Respekt, wenn man als Gründerteam vor Leuten wie denen von Carlyle sitzt - einem börsennotierten Finanzinvestor mit weltweiten Aktivitäten. Shopware war es extrem wichtig, dass die Partner kulturell zu ihnen passen und auch die eigene Sprache sprechen. Und das haben wir am Ende gefunden. Das Investmentmanagement-Team bei Carlyle spricht deutsch. Das ist viel komfortabler, als wenn man es mit englischsprachigen Ansprechpartnern im Silicon Valley zu tun hat, die mit neun Stunden Zeitverschiebung arbeiten.

Ralph Hübner: Wir haben hier einen anderen Ansatz als die Start-ups auf Stereoiden aus Berlin oder im Silicon Valley. Shopware ist ein Familienunternehmen, ja fast schon eine Tellerwäscherstory. Und wir haben Open Source. Da ist das Thema Kultur elementar. Man kann sagen, so behutsam und profitabel wie die Brüder das Unternehmen aufgebaut haben, so sorgfältig waren sie bei der Auswahl der Investoren. Die haben nicht nur eine Roadshow gemacht und Geld eingesammelt, sondern sich viel Zeit genommen, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Das tun viele nicht im erforderlichen Maße. Manche wollen einfach schnell raisen und sich dann ums Business kümmern. Aber vor einem solchen Schritt sollte man sich bewusst machen: Diese Weiche stellt man nicht alle paar Wochen neu. Die wenigsten tun das zwei Mal im Leben.

"Der Deal hilft der ganzen Agenturwelt"

Was bedeutet der Deal für die deutsche Digital-Commerce-Szene?
Hübner:
Shopware ist Open Source. Das heißt, der Deal hilft nicht nur Shopware, sondern auch der ganzen Agenturwelt und allen Partnern, die da dranhängen: Software-Extension-Partner, Logistik, Kundenservice, PoS. Das schafft auch weitere Arbeitsplätze. Und dann muss man sehen: Dass zuletzt mehrere Unternehmen aus Deutschland - Spryker, Commercetools, Shopware - so viel Geld bekommen haben, ist fast schon eine Art Güte-Siegel für den deutschen E-Commerce-Software-Markt und macht es vielen anderen leichter, Partner und Finanzierungen zu finden. Ich bin mir auch sicher, dass der Magic Quadrant in fünf Jahren deutlich anders aussieht als heute, weil viele Unternehmen 100 Millionen US-Dollar zur Verfügung haben, um Ideen umzusetzen. Das war vor wenigen Jahren bei uns in Deutschland noch anders. Da mussten die Gründer zur Sparkasse gehen. Heute gibt es Treibstoff für den Markt, die Investoren haben E-Commerce-Kompetenz und sie haben arrondierende Unternehmen im Portfolio. Sie können echte Mehrwerte liefern und nicht bloß Geld. Und diese Opportunity besteht mit Sicherheit für die nächsten paar Jahre.

Eiben: Im Markt stehen nicht mehr Milliarden, sondern gefühlt Billionen an Private Equity Money zur Verfügung. Und alle Kapitalgeber müssen sich fragen, wo sie ihr Geld investieren. Deutschland ist inzwischen eine spannende Alternative zum Silicon Valley. Vor zehn Jahren wären die Unternehmen hierzulande mit einem 100-Millionen-Dollar-Investment völlig überfordert gewesen. Das wären die berühmten Kanonen auf Spatzen gewesen. Heute sind 100 Millionen US-Dollar keine so herausragende Größe mehr. Und die Unternehmen in Deutschland - im Digital Commerce - können es verkraften. Ich habe gerade auf die Website von Shopware geschaut. Die haben heute Dutzende neue Jobs freigeschaltet. Und das ist aktuell ja die größte Challenge: die richtigen Mitarbeiter zu finden - und zwar nicht nur in Berlin, sondern in Schöppingen oder sonst wo abseits der globalen Hubs.

Deutsche versus amerikanische Kapitalgeber

Shopware will international skalieren. Warum ist da US-Money so entscheidend?
Eiben:
Deutsche Kapitalgeber hätten nicht so leicht funktioniert. Wenn ich expandieren will, wollen die Kunden und Partner wissen: Wo kommt ihr her, wer ist der Investor, kenne ich die? Da sind viele deutsche Investoren leider einfach noch nicht so bekannt, wie sie es verdient hätten. Carlyle und PayPal hingegen hat jeder schon mal gehört. Und auch bei der Personalsuche ist ein namhafter Investor wertvoll. Wenn hinter einem Unternehmen die stabilsten Investoren der Welt stehen, fühlt sich auch jemand sicher, der seinen Job bei einer großen Company aufgibt.

Hübner: Das ist aber auch der Reifephase des Unternehmens geschuldet. Wir reden hier über eine Spätphasen-Finanzierung. Shopware macht einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag an Umsatz. Wenn man in der Frühphase einen deutschen VC an Bord holt, stehen einem die Türen wunderbar offen. Aber wer jetzt so eine Runde macht und für die nächste keinen Fuß in Amerika hat, wird sich dann sehr schwertun. Das Silicon Valley hat ein komplett funktionierendes Kapital-Ökosystem aufgebaut aus Venture Capital, Growth Capital, Private Equity. In Amerika kannst du sagen, ich bin gerade in Phase 4b und dann findest du die richtigen Investoren. Das ist bei uns nicht immer in ausreichendem Maß der Fall.

Eiben: Aber es hat sich ja auch viel zum Guten verändert in Deutschland - gerade im Frühphasenbereich. Da kann man beispielsweise mit Project A, Cherry, HV Capital oder Hightech Gründerfonds, oder Lakestar wunderbare Partner finden. Aber ein Unternehmen wie Shopware, das nach 20 Jahren noch keinen Investor hat, ist für Project A uninteressant, weil es zu groß ist und zu langsam wächst. Und wer dann nicht mehrere Investoren in einem Club am Tisch sitzen haben will, tut sich in Deutschland schwer. Wir wollen überhaupt nicht dafür plädieren, ausschließlich auf die amerikanischen Investoren zu schauen und alles andere für zweite Liga zu halten. Es kommt immer auf das Business Model an. Aber hier hat es Sinn gemacht. Im Übrigen raten wir auch davon ab, nur auf die Investoren-Marke zu schauen. Da können die anderen noch so neidisch gucken, wenn man Sequoia als Investor gewonnen hat, wenn die kulturell nicht zum eigenen Unternehmen passen, fühlt man sich schnell unter Druck gesetzt und die Partnerschaft macht keinen Spaß oder funktioniert am Ende gar nicht. Genauso wenig raten wir übrigens dazu, nur den extremen Bewertungshöhen hinterherzurennen. Wenn die Kluft zwischen Bewertungswunsch und Substanz zu groß ist, wird es hart, den Spagat in den kommenden Jahren auszuhalten. Denn was macht der Investor? Der schaut sich die Forderung an und je größer die Spreizung zwischen Substanz und Analyse und Forderung ist, desto mehr Netz und doppelten Boden ziehen die Investoren ein. Man kann ein bisschen erahnen, dass es Firmen gibt, die nach außen hohe Bewertungen haben, aber beim Exit für die Gründer wenig übrig bleibt, weil die garantierte Verzinsung der Investoren so hoch ist. Diese Unternehmer haben dann fünf Minuten Fame als Unicorn, ansonsten aber nur für das Festgehalt gearbeitet.

Shopware als Technologiebrückenkopf

Was findet PayPal denn spannend an Shopware?
Hübner:
Zunächst mal muss man sagen: Leadinvestor ist Carlyle. Aber Deutschland ist einer der größten PayPal-Märkte überhaupt. Und Shopware betreibt eine Plattform, über die 20 Milliarden Euro GMV laufen. Shopware als Technologiebrückenkopf ist also ein wichtiger Partner.

Eiben: Im Kern steht bei Shopware nicht mehr das Thema Webshop, sondern eine Software, die sehr unterschiedliche und auch komplexe Geschäftsmodelle und jegliche geschäftliche Transaktion ermöglicht. Shopware 6 ist nicht nur Päckchen verschicken, sondern Dienstleistungen anbieten, Handy samt Vertrag verkaufen, Dinge leihen, Events organisieren - und alles muss dann ja mit einem Check-out versehen werden.

Einige kritische Stimmen im Markt zeichnen ein anderes Szenario zum Shopware-Deal, nämlich, dass es nun ähnlich laufen könnte wie damals mit Magento?
Hübner:
Diese formulierte Sorge aus Sicht der Community ist nachvollziehbar. Ich weiß aber nicht, ob hier vor allem auch Nostalgie-Wehmut mitschwingt, nämlich, dass der bisherige boostrapped Star Shopware jetzt auf einmal auch großes Investorengeld aufnimmt. Ganz nüchtern betrachtet ist es dann aber so, dass der Vergleich mit der zehn Jahre alten eBay-Magento-Story maximal als interessante Schlagzeile taugt. Situation und Deal-Struktur sind hier und heute komplett anders gelagert. Aber eines ist genau richtig, nämlich, dass Shopware mit Carlyle jetzt einen weltweit führenden Skalierungspartner als Lead-Investor hat. Investoren dieser Güteklasse wissen schon, was sie tun und laufen sicher keinen alten "bad practice"-Modellen hinterher. Ich glaube nicht, dass man denen das ernsthaft unterstellen will. Und dann gilt im Deal-Making auch immer wie im Sport: Man sollte nach einem Spiel nicht unbedingt alle Kritiken oder die Kicker-Note lesen. Da überlagern persönliche Interessen leicht auch mal die Sachebene.

Eibner: Diese Nebengeräusche gehören dazu, sind aber dann auch egal. Wichtig ist jetzt, dass Shopware nun in die Expansionsumsetzung geht. Da gibt es genug zu tun. Und da ist es hilfreich, wenn man gute, global erfahrene Partner an seiner Seite hat. Die Skalier-Erfahrung des Finanzierungspartners spart sozusagen Geld. Das verkennen viele, die nur die Dollar-Summen zählen und vergleichen.

Shop-Tec - das ist nicht nur eines der wichtigsten Themen für Händler, sondern auch einer der Schwerpunkte der MOONOVA 2023: Vom 14. bis 16. März 2023 geht die MOONOVA in die Fortsetzung - live und digital auf der Eventplattform LO:X.
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