
Gastkommentar Google und Amazon: Meine Konjunkturprogramme des Monats
Die Wirtschaft wurde von Covid-19 hart getroffen. Neben den Branchen Tourismus und Kultur hat insbesondere der Einzelhandel gelitten. Doch nun bekommt er Unterstützung, ausgerechnet von der High-Tech-Konkurrenz.
Von Stephan Kopp, Geschäftsführer Plan.Net Performance
Mit Beginn des Lockdowns Mitte März mussten stationäre Einzelhändler bis auf wenige Ausnahmen fast landesweit ihre Türen schließen. Betroffen waren sowohl große Ketten als auch inhabergeführte Fachgeschäfte. Diese Einschränkungen kamen für die Händler zur Unzeit, da insbesondere Geschäfte in den Innenstädten bereits seit Jahren unter dem Konkurrenzdruck der Grünen Wiese, also den großen Einkaufszentren in der Peripherie und des Online-Handels leiden.
Und so verwundert es auch kaum, dass Amazon seinen Umsatz im zweiten Quartal nach eigenen Angaben um 40 Prozent auf knapp 89 Milliarden US-Dollar steigerte. Der Aktienwert des Unternehmens aus Seattle konnte seit Beginn der Pandemie in der Spitze um sagenhafte 75 Prozent zulegen. Zum Vergleich: Die Aktie von Googles Mutterkonzern Alphabet hat sich in diesem Jahr bislang kaum bewegt und ist nurmehr halb so viel wert, wie die von Amazon.

Stephan Kopp, Geschäftsführer Plan.Net Performance
Plan.Net Performance
Im Gegensatz dazu wird die Liste der Insolvenzen seit März immer länger, um mit Konzernen wie Galeria Karstadt Kaufhof oder Esprit nur die Spitze des Eisberges zu nennen. Während der Einzelhandel also leidet, soll er nach Wunsch der Experten aber zugleich der Motor einer wirtschaftlichen Erholung sein. Das IfW spricht in seiner Konjunkturstudie von einem "kräftigen Nachholeffekt" des Einzelhandels und auch das Berliner DIW-Institut setzt bei seiner Prognose auf eine starke Binnennachfrage des privaten Konsums.
Hilfe oder PR: Tech-Giganten positionieren sich
In dieser Situation ist es für Google und Amazon natürlich mehr als nur gutes Timing, gemeinsam mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) eigene Initiativen zur Unterstützung des Einzelhandels anzukündigen: So will Amazon mit "Quickstart Online" potenziellen neuen Händlern auf seiner Plattform Zugang zu dringend benötigtem Know-How für das Marktplatzgeschäft verschaffen. Google plant mit "Zukunft Handel" ein Programm, dass kleinen Fachgeschäften den schnellen und günstigen der Aufbau eines hybriden Geschäftsmodells samt Website und Online Shop ermöglichen soll.
Dass viele Einzelhändler damit nicht automatisch gerettet sind, sondern sich im Anschluss dem in weiten Teilen noch aggressiveren Wettbewerb und Preiskampf im Internet ausgesetzt sehen werden, wird dabei geflissentlich verschwiegen. Ein Webshop oder Amazon-Konto alleine lösen nämlich noch kein Umsatzproblem, besonders wenn zugleich keine Sichtbarkeit erreicht wird. Das wissen auch Großkonzerne leider nur allzu gut.
Shoppen mit der Karte: Googles smarte Lösung
Eine gute Ergänzung ist dabei jedoch eine kleine Meldung aus der Suchmaschinenecke. Denn Google hat im Zuge seines Bestrebens sein Shopping-Vertical in Konkurrenz zu Amazon zu positionieren, den beliebten Google-Maps-Dienst mit seiner Produktsuche kombiniert. Bislang nur in den USA verfügbar, kann man sich nun Produkte samt Beschreibung und Verfügbarkeit in Geschäften in der unmittelbaren Nähe anzeigen lassen.
Dieses kleine Feature Update kann große Wirkung entfalten: Nicht nur für Menschen, die es besonders eilig haben und nicht auf den Paketdienst warten wollen, sondern auch für die Sichtbarkeit und Wahrnehmung des lokalen Einzelhandels auf Smartphones in einem etablierten Kontext wie Google. Noch ist dies nur eine kleine Randnotiz unter Experten, aber wenn sich unser Einkaufsverhalten durch Corona wirklich dauerhaft ändern sollte, weist Google damit einen Weg in die Zukunft. Shopping auf der Landkarte ist darüber hinaus genau der blinde Fleck, den Amazon niemals bedienen wird können oder wollen.