
Es ist zwar erst der Entwurf, aber er sorgt bereits für großen Aufruhr: Die EU-Kommission präsentiert Reformvorschläge für die zukünftige E-Privacy-Verordnung. Sie kommen Nutzern sehr entgegen - der digitalen Wirtschaft weniger.
Die Kommunikation mit Diensten wie WhatsApp, Facebook oder Skype soll nach dem Willen der EU-Kommission besser geschützt werden. Derzeit verlangt die europäische Gesetzgebung den Schutz der Privatsphäre nur bei traditionellen Telefongesprächen. Die Brüsseler Behörde machte nun Reformvorschläge für die zukünftige E-Privacy-Verordnung, denen die EU-Staaten und das Europaparlament aber noch zustimmen müssten. Nationale Regeln zur Vorratsdatenspeicherung werden davon nicht berührt.
Cookies
Der Grünen-Europaabgeordnete Jan Philipp Albrecht kritisierte die Pläne indes als unzureichend. "Anbieter elektronischer Kommunikation sollen in Zukunft die Daten der Nutzer verfolgen und für kommerzielle Zwecke nutzen dürfen, solange die Betroffenen dies nicht ausdrücklich verbieten", erklärte er. "Eine Erfassung des Surf-Verhaltens oder der App-Nutzung sollte (aber) weiterhin nur nach ausdrücklicher Zustimmung erlaubt sein."
Die EU-Kommission will auch die Regeln für Cookies vereinfachen. Cookies sind kleine Datenpakete, die von Websites an die Computer von Nutzern geschickt werden. Mit ihnen lässt sich das Verhalten im Internet erfassen, daher müssen Nutzer dem Setzen von Cookies in der Regel per Mausklick zustimmen. Die EU-Kommission will, dass Nutzer den Einsatz von Cookies stattdessen künftig generell über die Privatsphäre-Einstellungen ihres Browsers regeln.
Für Cookies, die nach Einschätzung der EU-Kommission keine Auswirkungen auf die Privatsphäre haben, soll eine jeweilige Einwilligung des Nutzers nicht mehr nötig sein, zum Beispiel, wenn es um die Erstellung eines "Einkaufswagens" beim Online Shopping geht oder wenn Websites die Zahl ihrer Besucher erfassen wollen.
Unerwünschte Werbung und Adblocker
Wenn es um unerwünschte Werbung geht, will die EU-Kommission die Verbraucher besser schützen. Sie müssten ihr Einverständnis geben, bevor sie automatische Anrufe, SMS oder E-Mails bekommen.
Die Vorgaben für Adblocker, mit denen Internetnutzer ungewollte Online-Werbung unterdrücken können, will die EU-Kommission präzisieren. Derzeit sei unklar, ob Websites überprüfen dürfen, ob Besucher Adblocker nutzen - dies will die EU-Behörde nun ausdrücklich erlauben. Website-Betreiber könnten den Zugang zu ihrem Angebot einschränken oder verhindern, wenn Verbraucher solch ein Programm nutzen.
Der für den digitalen Binnenmarkt zuständige Vizepräsident der EU-Behörde, Andrus Ansip, will zudem die wirtschaftliche Nutzung großer, anonymisierter Datenmengen erleichtern. Dabei geht es etwa um medizinische Informationen zur besseren Gesundheitsversorgung oder Verkehrsdaten zur Vermeidung von Staus.
Ob dazu gesetzliche Regelungen notwendig sind, prüft die EU-Kommission derzeit noch. Ansip persönlich ist dafür. Er wehrt sich insbesondere auch gegen nationale Vorgaben zur Datenspeicherung im eigenen Land, die er als Hindernis für Innovation und wirtschaftliches Wachstum über europäische Ländergrenzen hinweg sieht. "Die Nachricht (an Unternehmen) wäre klar: Bleibt zuhause oder geht gleich in die Vereinigten Staaten", meint er.
Große Kritik von der Digitalwirtschaft
Ebenso wenig zufrieden ist der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW). Er kritisiert diesen Entwurf scharf und warnt vor einer "fundamentalen Gefährdung der heutigen Informationsgesellschaft". Denn eine Einwilligungspflicht für beinahe jede Form der Datenverarbeitung im Internet entziehe zahlreichen Geschäftsmodellen der Digitalen Wirtschaft die Grundlage und gefährdet die Grundfesten der digitalen Gesellschaft.
Der Entwurf der E-Privacy-Verordnung unterscheide im Grundsatz nicht mehr zwischen personenbezogenen, pseudonymen und anonymen Daten: "Der Nutzer soll demnach nahezu immer sein Einverständnis für die Erhebung und Verarbeitung von Daten geben müssen. Das hätte zur Folge, dass etwa Third-Party-Cookies in den allermeisten Fällen nicht mehr ohne explizite Einwilligung eingesetzt werden dürfen. Hierauf basierende Technologien dienen beispielsweise der Reichweitenmessung oder auch Besuchsanalyse von Webseiten oder als Grundlage für die Ausspielung digitaler Werbung, durch die die Mehrzahl der kostenfrei zugänglichen Inhalte und Services im Internet finanziert werden". Das betrifft auch die IVW und die Agof.
Deutliche Verbesserung erhofft
BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr befürchtet, dass es das Internet, wie wir es heute kennen, damit nicht mehr geben wird.
Zudem sei eine akute Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Digitalen Wirtschaft zu erwarten: "Eine solche Regelung bevorteilt vor allem Login-basierte Nutzungsmodelle, bei denen Nutzer ein pauschales Einverständnis für die Erhebung und Verarbeitung ihrer Daten geben. Zudem konterkariert das Vorhaben die auf der Datenverarbeitung basierende Arbeitsteilung digitaler Produkte und Dienstleistungen", erklärt Duhr. "Die Kommission zielt mit diesem Vorschlag auf ein Verbot der Daten- und Informationsverarbeitung auch in Fällen, in denen die Daten keinen Personenbezug haben. Wir erwarten von Parlament und Rat gerade vor dem Hintergrund der Bedeutung der Digitalen Wirtschaft eine deutliche Verbesserung dieser realitätsfernen und rückwärtsgewandten Vorschläge der Kommission."