
Austria-Chef Dieter Kindl Rakuten: "Senioren sind eine große Chance für Online-Händler"
Rakuten-Austria-Chef Dieter Kindl
Rakuten-Austria-Chef Dieter Kindl
Senioren sind die unterschätzte Zielgruppe im E-Commerce. Rakuten-Österreich-Chef Dieter Kindl gibt Einblicke in den Marktplatz und erklärt, warum Web-Händler sich mehr um die Silver Surfer kümmern sollten.
Online-Shopbetreiber setzen gerne auf ein jugendliches Image, mit dem junge Käufer angesprochen werden sollen. Dabei sind die über Sechzigjährigen die Zukunft des E-Commerce. Warum das so ist und welche Chancen sich Web-Händler entgehen lassen, erklärt Dieter Kindl, CEO von Rakuten Austria und Head of Business Development EU, im Interview mit INTERNET WORLD Business.
Unterschätzen Online-Händler die Zielgruppe der Senioren?
Dieter Kindl: Generell ja. Wir haben Auswertungen über alle unsere Händler getätigt und festgestellt, dass die über 60-Jährigen die am deutlichsten wachsende Zielgruppe bei uns sind, auch in absoluten Zahlen. Ihr Anteil an allen Shoppern stieg über sieben Prozent im vergangenen Jahr. Alleine schon aus demographischen Gegebenheiten müsste man diese Käuferschicht noch viel stärker forcieren.
Haben Senioren andere Bedürfnisse beim Online-Shopping als jüngere Käufer?
Kindl: Nach unseren Erhebungen haben sie das. Und zwar insbesondere bei den Themen Beratung, Vertrauen und Komfort. Beispielsweise nutzen Kunden der Generation 60 Plus fünfmal so häufig telefonische Beratung als durchschnittliche Käufer. Für Online-Händler ist das eine große Chance, auch weil diese Generation weniger preissensitiv ist. Da ist ein guter Service mehr wert als 3,50 Euro Ersparnis. Zudem ist die Absprungrate umso geringer, je älter der Kunde ist. Keine Unterschiede sehen wir hingegen bei den gekauften Produkten. Hier ist der Mix ähnlich bunt wie bei den anderen Altersgruppen. Software rangiert auf Platz eins, gefolgt von Tiernahrung und Grills. Da werden also keine Klischees bestätigt.
Wie sieht es beim Thema Payment aus?
Kindl: Die über Sechzigjährigen kaufen drei Mal häufiger auf Rechnung ein als jüngere Nutzer. Dafür geben sie weniger gern ihre Kreditkartendaten her. Da zeigt sich wieder die hohe Bedeutung, die Vertrauen für diese Zielgruppe hat.
Welche Rolle spielt der mobile Kanal für ältere Kunden?
Kindl: Mobile Commerce spielt definitiv eine Rolle bei dieser Zielgruppe, das vergessen viele Händler. Je älter der Kunde, desto höher ist zwar der Anteil an Desktop-Bestellungen. Aber 72 Prozent der über 50-Jährigen finden es wichtig, bei einem Händler sowohl offline als auch online oder mobil shoppen zu können. Der Bevölkerungsschnitt liegt nur marginal höher bei 74 Prozent. Das heißt, auch für ältere Nutzer ist Multichannel inzwischen selbstverständlich geworden. Der Traffic-Anteil, der über mobile Endgeräte kommt, ist bei unseren über fünfundsechzigjährigen Kunden in den vergangenen sechs Monaten um etwa 20 Prozent angestiegen.
Haben Sie bei Rakuten eine Strategie, wie sie auf die 60-Plus Nutzer eingehen?
Kindl: Ja, wir wollen vertrauensfördernde Maßnahmen weiter ausbauen, die Zielgruppe noch genauer unter die Lupe nehmen und unser Produkt weiter an die älteren Nutzer anpassen. Über den Marktplatz schaffen wir gerade für kleine und unbekannte Händler Vertrauen bei der Zielgruppe.
"Es gibt noch großen Aufholbedarf"
Ältere Internetnutzer empfinden die gerne verwendete Bezeichnung "Silver Surfer" häufig als diskriminierend. Ab wann ist man eigentlich Silver Surfer?
Kindl: Ich habe Schwierigkeiten mit dieser Definition. Wenn 40 das neu 30 ist, ist 70 das neue 60, also ist auch der Silver Surfer älter geworden. Ältere lassen sich aber generell nicht gerne als Best Ager oder Silver Surfer bezeichnen. Der Ausdruck Senioren zählt inzwischen wieder zur bevorzugten Selbstbezeichnung der über Sechzigjährigen, wie eine aktuelle Umfrage zeigt.
Viele Online-Shops richten sich mit einer jugendlichen Sprache eher an jüngere Menschen. Haben ältere Nutzer damit ein Problem?
Kindl: Aus der Erfahrung heraus würde ich sagen, spielt auch hier das Thema Vertrauen eine große Rolle. Aber wer, wie bei uns, vor allem Software kauft, kommt ohnehin nicht an Anglizismen vorbei, da lässt sich unsere Zielgruppe nicht von abschrecken. Trotzdem sollten Shopbetreiber es mit den Anglizismen nicht übertreiben.
Vor welche Herausforderungen stellt die zunehmende Alterung der Gesellschaft den Handel?
Kindl: Ich glaube beim Thema Vertrauen gibt es noch großen Aufholbedarf, Stichwort telefonische Beratung und Rechnungskauf, und beim Thema Komfort im Allgemeinen. Menschen werden mit zunehmendem Alter allgemein weniger mobil. Hier haben gerade stationäre Händler, die das Vertrauen älterer Kunden genießen, eine große Chance, wenn sie Multichannel-Services anbieten und die Ware auf Wunsch auch nach Hause schicken. In einem Pilotprojekt haben wir selbst einen "Online-Bamberg-Shop" auf Rakuten.de eröffnet, in dem lokale Händler über unseren Marktplatz ihre Waren verkaufen. Dieses Angebot schätzen vor allem ältere Kunden.