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Amazon-Sperre

Suspendierungs-Welle Viele neue Account-Sperren, Update: Grund für Suspendierungswelle entdeckt?

Amazon.de, Thorsten Henning, Wikipedia
Amazon.de, Thorsten Henning, Wikipedia

Über die Amazon-Seller schwappt aktuell eine neue Suspendierungs-Welle hinweg. Zahlreiche Accounts wurden gesperrt, allen wird seitens Amazon eine Verbindung zu einem bereits gesperrten Konto unterstellt. Die meisten Betroffenen sind sich keiner Schuld bewusst.

In rund drei Wochen treten die neuen AGB von Amazon in Kraft, die Dritthändlern gegenüber der Plattform mehr Rechte einräumen. Kurz vorher scheint Amazon unter seinen Seller-Accounts noch einmal kräftig aufzuräumen. In den einschlägigen Facebook-Gruppen Wortfilter, Multichannel Rockstars, Amazon SEO und anderen berichten zahlreiche Händler von sofortigen Account-Sperren. Alle haben von Amazon die gleiche Begründung bekommen:

"Ihr Konto steht mit einem Konto in Verbindung, mit dem auf unserer Website keine Waren verkauft werden dürfen. Daher können Sie nicht weiter bei Amazon.de verkaufen", heißt es in der entsprechenden E-Mail. Die Erklärung hilft den meisten betroffenen Händlern allerdings nicht weiter - welches andere gesperrte Konto ist gemeint? Und was genau heißt im Amazon-Sprech "in Verbindung stehen"? 

Rätselraten

Da Amazon wie gewöhnlich nicht oder nur sehr spärlich auf Rückfragen von Händlern reagiert - so Rückfragen denn bei gesperrtem Verkäufer-Konto überhaupt möglich sind - ist Rätselraten angesagt. "Wir haben einen privaten Account, der auf die gleiche Anschrift läuft wie der Firmenaccount - aber das kann doch kein Grund für eine Sperre sein", grübelt beispielsweise der Seller Stefan Lieser, der unter dem Selller-Namen ProJam Music auf Amazon Gitarrenseiten verkauft und in diesem Jahr bereits zweimal ohne Erklärung wochenlang gesperrt wurde.

Beide Male wurde die Sperre durch Amazon wieder aufgehoben - ebenfalls ohne Erklärung; jetzt steht der Account zum dritten Mal still. "Zudem haben wir verschiedene Amazon-Tools im Einsatz." Doch die besagten Tools sind unter Händlern weit verbreitet, auch hier kann sich Lieser keinen Zusammenhang zur Sperre vorstellen. 

Ähnlich geht es auch Stefan Quisdorf, der seit den 2000er Jahren mit zwei voneinander getrennten Firmen auf Amazon vertreten ist. Während seiner bisherigen Tätigkeit hatte der Händler, bis auf eine mehrmonatige Verifizierung im letzten Jahr, keine Konflikte mit Amazon. Seit Montag sind nun beide Accounts komplett gesperrt. "Ich habe auch keinen Zugriff mehr auf mein Seller Central", berichtet der Händler. "Ich kann nicht auf meinen FBA-Lagerbestand zugreifen, ich kann meine Konten nicht einsehen und ich komme nicht an mein Guthaben ran. Und Kontakt zum Seller Support aufnehmen kann ich auch nicht, weil das nur aus dem Seller Central heraus möglich ist." Besonders bitter für den Händler: Auch die Bestellungen aus seinem Online Shop wickelte Quisdorf bisher über FBA ab. Doch jetzt kann der Händler den Versand von Produkten aus dem FBA-Lager an seine Shop-Kunden nicht mehr anstoßen. "Da bleibt nur: selber Pakete packen", seufzt Quisdorf. Während die Lagergebühren für das FBA-Lager weiterlaufen.

Transparente Kommunikation? Fehlanzeige

"Mir ist die Sperrung ein Rätsel", so der Händler. "Wir haben keine Verbindungen zu Rezensionsvermittlern, wir nutzen auch sonst keine Tools oder Dienstleister, die auf der Blacklist stehen. Es gibt zudem kaum eine Gemeinsamkeit zwischen unseren zwei rechtlich voneinander getrennten Accounts, aus der ich ableiten könnte, warum uns Amazon gesperrt hat. Wir wissen einfach nicht, was los ist - und von Amazon kommt keine Erklärung."

So kurz nach der Vereinbarung mit dem Bundeskartellamt, in der sich Amazon künftig zu mehr Transparenz gegenüber den Dritthändlern verpflichtet, ist die Aktion ein Schlag ins Gesicht für viele Seller. "Es ist schon sehr auffällig, dass Amazon so kurz vor Inkrafttreten der neuen AGB eine so groß angelegte Suspendierungs-Aktion durchführt", so Oliver Prothmann, Präsident des E-Commerce-Verbands BVOH. "Amazon muss endlich transparenter und kommunikativer werden."

"Die aktuelle Suspendierungswelle zeigt mal wieder das Ungleichgewicht zwischen Amazon und den Dritthändlern", kritisiert der Online-Händler und Gründer der Multichannel-Rockstars-Gruppe Michael Atug, dessen Handy aktuell durch die vielen Nachrichten zu immer neuen Sperrungen in seiner Händler-Community gerade heiß läuft. "Ich bin auch noch sehr skeptisch, ob sich da nach dem 16. August etwas Gravierendes ändert. In den AGB steht zwar jetzt, dass Amazon sofortige Sperrungen gegenüber dem betroffenen Händler begründen muss - aber wie hilfreich und ausführlich diese Begründung sein muss steht da nicht. Wenn es so läuft, wie im aktuellen Fall, dann bekommen die Händler zwar jetzt eine Erklärung - zum Beispiel, dass ihr Konto mit einem bereits gesperrten Account in Verbindung steht - aber die hilft dem Händler ja nicht weiter."

Amazon kommentiert die Vorgänge auf Anfrage nicht. Die Account-Suspendierungen seien aber kein Bug, sondern von Amazon gewollt, bestätigte das Unternehmen gegenüber Wortfilter.de

Update I: Suspendierungen könnten mit still gelegten alten Konten zusammenhängen

In den Händlerkreisen rund um die "Frankfurter Gruppe" und den Händlerverband BVOH wird aktuell eine Theorie kolportiert, die die massenhaften Sperrungen erklären könnte. "In der Vergangenheit konnten Händler Länder Konten getrennt anlegen," schreibt Mark Steier auf Wortfilter.de. "Und einige Händler haben noch Alt-Konten die möglicherweise vergessen wurden oder die nicht gekündigt worden sind. Nun hätte aber für jedes der Konten eine VAT-Bescheinigung hinterlegt werden müssen. Das wurde aber von allen Händlern übersehen."

Händler, auf die diese Theorie zutrifft, müssen jetzt eine endgültige Terminierung (Löschung) der ungenutzten Konten in Auftrag geben und für alle aktiven Konten eine Umsatzsteuerbescheinigung einreichen. Damit könnte einigen Händlern geholfen sein; erste Berichte von Sellern, die tatsächlich nur ein einziges Konto nutzen, schon längst eine VAT-Bescheinigung vorgelegt haben und trotzdem gesperrt sind, deuten aber darauf hin, dass es noch andere Gründe für die Suspendierungen geben muss.

Update II: Viele Suspendierungen wieder aufgehoben

Seit vergangenen Freitag melden mehrere Händler, dass ihre Accounts wieder freigeschaltet wurden. In der begleitenden E-Mail spricht Amazon von Fehlern, die aus "Vorsichtigkeit" entstehen könnten. 

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