Offenbar hat Amazon gestern mehrere Händler-Accounts suspendiert - die Accounts mehrerer Rezensionsvermittler wurden ebenfalls gesperrt. Der Vorwurf: Verstöße gegen die Richtlinien zu Produktrezensionen.
Dass Kundenbewertungen auf Amazon nicht immer das sind, was sie zu sein scheinen - nämlich ehrliche Rezensionen von echten Käufern - ist innerhalb der E-Commerce-Branche längst bekannt. In den einschlägigen Händlergruppen machen besonders dreiste Bewertungs-Fakes schnell die Runde.
Bisher genossen die Bewertungen aber zumindest auf Kundenseite noch hohes Vertrauen - in den meisten Kundenbefragungen zur Customer Journey rangieren Bewertungen als Informationsquelle ganz weit oben. Doch das ändert sich gerade: Im April ergab eine Untersuchung der britischen Verbraucherorganisation "Which?", dass rund 20 Prozent der Bewertungen auf Amazon.co.uk gefälscht sind.
Mittlerweile ist auch das deutsche Bundeskartellamt auf das Problem aufmerksam geworden: Die Aufsichtsbehörde hat im Mai eine Sektoruntersuchung eingeleitet und will dabei zahlreiche Betreiber von Internet-Portalen befragen.
Kritik an der Glaubwürdigkeit
Die zunehmende Kritik an der Glaubwürdigkeit von Produktrezensionen hat Amazon Deutschland nun offenbar dazu bewogen, sich des Problems verstärkt anzunehmen. Letzte Woche hat der Marktplatz seinen Kennzahlenmonitor für die Verkäuferleistung geändert. Er soll Händlern dabei helfen, Kontosperrungen zu vermeiden.
Neu in diesem Bereich im Seller-Konto ist der Unterpunkt "Verstöße gegen unsere Richtlinien für Produktrezensionen von Kunden". Zu diesen Richtlinien gehört beispielsweise die Vorgabe, dass Kundenrezensionen korrekt und vollständig sein müssen, nicht gekauft werden dürfen und natürlich tatsächlich von Kunden stammen müssen. Wer gegen die Richtlinie zu Produktrezensionen verstößt, riskiert die Sperrung seines Verkäuferkontos, so Amazon auf Nachfrage von Wortfilter.
In einer Information an alle Amazon-Händler wurde Amazon noch deutlicher: "Bezahlte Rezensionen sind gemäß Community-Richtlinien verboten und Amazon geht akribisch mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen Anbieter solcher nicht authentischer Bewertungen und ihre "Kunden" vor", heißt es in der Nachricht. "Verkäufer dürfen diese illegalen Angebote nicht nutzen, erlangen wir Kenntnis über einen Verstoß, ergreifen wir Maßnahmen, die die Schließung des Verkäufer-Kontos beinhalten können."
Verstoß gegen Richtlinien
Gestern ging Amazon dann offenbar noch einen Schritt weiter: Mehrere Händler wurden von Amazon suspendiert, wird in einschlägigen Branchenkreisen berichtet. In der E-Mail, die über die Sperrung informiert und Internetworld.de vorliegt, heißt es: "Sie haben Kundenrezensionen für Ihre Produkte manipuliert. Dies verstößt gegen unsere Richtlinien."

Sperrung wegen Rezensionsmanipulation
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Auch die Händler-Accounts von bekannten Bewertungsvermittlern wie AMZTigers, AMZStars, Amarate und anderen, bei denen Händler Bewertungen für ihre Produkte kaufen können, wurden gesperrt.
Andere Händler berichteten von der vorübergehenden Sperrung einzelner Produkte. Diese würden vom Amazon-Team für Produktrezensionen untersucht, so die Erklärung von Seiten des Seller Services - diese Untersuchung könne bis zu 7 Tagen dauern. Die betroffenen Produkte können in dieser Zeit nicht verkauft werden.
Statement von Amazon
"Wir haben klare Teilnahmebedingungen für Rezensenten und Verkäufer definiert und ergreifen bei einem Verstoß Maßnahmen, die eine vorübergehende Sperre, einen dauerhaften Ausschluss oder rechtliche Schritte beinhalten können", betont ein Amazon-Sprecher auf Anfrage von INTERNET WORLD BUSINESS, der die kolportierten Sperrungen nicht näher kommentieren wollte.
"Wir arbeiten mit Prüfteams und automatisierten Systemen, um unechten Rezensionen vorzubeugen, sie aufzuspüren und Maßnahmen gegen die Betreiber dieses Missbrauchs zu ergreifen. Nach unseren Schätzungen sind mehr als 90 Prozent der nicht authentischen Bewertungen computergeneriert. Wir verwenden maschinelles Lernen, um alle eingehenden und bestehenden Rezensionen 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche zu analysieren und bei Bedarf zu blocken oder zu entfernen", so der Sprecher weiter.