
Ingo Kamps, CEO der cayada GmbH
Ingo Kamps, CEO der cayada GmbH
Kein Gamechanger: Durch die Ankunft von Google Pay wird sich in Deutschland wenig ändern. Bis das gute alte Portemonnaie eingemottet werden kann, wird noch viel Wasser den Rhein runter fließen.
Die Zahl der Banküberfälle in Deutschland ist seit vielen Jahren stark rückläufig. Gab es 2003 noch 767 polizeilich erfasste Raubüberfälle auf Geldinstitute, waren es laut Statista im Jahr 2017 nur noch 100. Dieser Rückgang ist allerdings nicht darin begründet, dass die Deutschen immer weniger mit Scheinen und Münzen bezahlen und somit bei den Banken nichts mehr zu holen ist. Mit 70 Prozent aller Transaktionen steht Bargeld noch immer mit weitem Abstand an der Spitze.
Anders sieht es in Schweden aus, wo immer mehr Geschäften schon an der Eingangstür den Hinweis anbringen, dass sie kein Bargeld mehr akzeptieren. Sage und schreibe 95 Prozent aller Transaktionen laufen im Land des Knäckebrots bereits elektronisch. Da somit für den klassischen Bankräuber nichts mehr zu holen ist, sank dort die Zahl der Überfälle auch auf zwei.
Mit einer solchen Ausgangssituation wäre Schweden eigentlich prädestiniert für den Start von Google Pay gewesen, doch stattdessen ist der digitale Bezahldienst des Technologieunternehmens aus Mountain View tatsächlich vor Kurzem in Deutschland gestartet.
Mit Google Pay können Nutzer hierzulande ab sofort mit dem Smartphone bezahlen. Bei Beträgen bis 25,00 Euro reicht es, dass mit NFC (Near Field Communication) ausgestattete Smartphone an ein entsprechendes Kassensystem zu halten. Für darüber liegenden Summen muss noch eine zusätzliche Freigabe erfolgen.
Diese Grenze entspricht genau der von Kreditkartenzahlungen in den USA. Natürlich tritt Google mit dem Selbstverständnis an, dass Einkaufs- und Bezahlverhalten in Deutschland nachhaltig zu verändern.
Auch wenn es auf den ersten Blick nicht schön ist, dass erneut ein US-Anbieter auf den Plan tritt, um in eine Domäne der deutschen Banken einzubrechen, ist große Nervosität vor dem Markteintritt von Google Pay wahrscheinlich unnötig.
Scheitert Mobile Payment am Vertrauen?
In seinem Heimatland USA ist Google Pay genau wie sein Mitbewerber Apple Pay schon seit mehreren Jahren verfügbar. Beide haben sich auch dort bisher nicht so durchsetzen können, wie es von den Unternehmenslenkern prophezeit wurde. Auch wenn der praktische Nutzen durchaus vorhanden ist und die Bezahlung leicht von der Hand geht, scheinen Finanztransaktionen eine Bastion zu sein, bei der das Vertrauen der Nutzer in diese Konzerne endet - und das obwohl Datenschutz jenseits des Atlantiks keine ganz so tragende Rolle spielt wie in Europa. Viele Konsumenten scheinen nicht gewillt zu sein, den Silicon Valley-Größen neben ihrem Surfverhalten im Internet auch noch das Kaufverhalten offenzulegen und in die Lage zu versetzen, die Daten aus beiden Quellen miteinander zu verknüpfen.
Dessen scheint sich auch Google bewusst: Um hierzulande Vertrauen aufzubauen hat man sich gleich einheimische Partner aus der Finanzbranche geholt und kooperiert unter anderem mit der Commerzbank, Wirecard und Comdirect. Doch selbst diese Charme-Offensive stößt bereits an Grenzen, denn die hierzulande mächtige Sparkasse hat einer Kooperation mit Google Pay über den hauseigenen Twitter-Kanal bereits eine deutliche Absage erteilt. Man werde stattdessen in Kürze mit einer eigenen Payment-App an den Start gehen. Da diese Lösung aber wahrscheinlich dann im Ausland nicht funktionieren wird, müssten Nutzer wahrscheinlich mindestens zwei Optionen auf dem Smartphone parat halten. Wirklich praktisch ist das auch nicht.
Es ist ja auch nicht so, dass es nicht bereits Versuche gegeben hätte, mobile Bezahlsysteme in Deutschland zu etablieren. Die Mobilfunkunternehmen hatten sich schon vor Jahren aufgemacht, eigene Systeme zu etablieren und haben diese nach einiger Zeit heimlich, still und leise wieder beerdigt. Ob die damals noch notwendige Notwendigkeit zum Mitführen eines NFC-Chips das einzige Killerkriterium gewesen sein mag, erscheint nach aktuellem Stand zumindest noch zweifelhaft. Mit Payback Pay gibt es neben anderen einen aktiven Player, der aber bisher keine offiziellen Zahlen zur Nutzung veröffentlicht hat.
Die Situation in China
Während die westliche Welt also noch in seiner Gesamtheit auf den Durchbruch von Mobile Payment wartet, sieht die Lage im Reich der Mitte ganz anders aus. Dort hat sich mobiles Bezahlen schon längst als Standard etabliert. Allerdings gibt es dort eine besondere Situation, die auf andere Märkte so nicht zutrifft: Mit WeChat existiert quasi eine monopolisierte App und es gibt einen klaren Willen seitens der chinesischen Politik, mobiles Bezahlen zu etablieren.
Für die hiesige Situation würde ich aber tippen, dass sich durch die Ankunft von Google Pay wenig ändern wird. Technikaffine Nutzer mit Android-Smartphones (darunter auch ich selbst) werden das System definitiv mal ausprobieren und im passenden Fall auch verwenden. Bis hingegen das gute alte Portemonnaie eingemottet werden kann, wird wohl noch viel Wasser den Rhein runter fließen. Schließlich befinden sich auch noch andere Dokumente in der Geldbörse.