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Fernbedinung zeigt auf einen Fernseher mit der Aufschrift: Smart TV

Marktüberblick Smart-TV und seine Möglichkeiten im Marketing

Shutterstock.com/Piotr Adamowicz
Shutterstock.com/Piotr Adamowicz

2014 haben Smart TVs in Deutschland ihren Durchbruch erlebt. Doch wie steht es um den Markt, das Nutzungsverhalten und die Möglichkeiten für Werbungtreibende?

Mitte April 2015 war es so weit: Der Amazon Fire TV Stick kam auch in Deutschland in den Handel. Über eine HDMI-Verbindung können Nutzer ihre Fernsehgeräte mit dem Internet verbinden und dort auf verschiedenste Dienste wie die Video-Plattform Netflix oder mehrere ­Gaming-Apps zurückgreifen - für 39 Euro. Dieses preisgünstige Gadget könnte die Zahl der Fernseher, die in Deutschland mit dem Internet verbunden sind, und somit unter den Begriff Smart TV fallen, noch einmal deutlich erhöhen.

Wie viele das momentan in Deutschland sind, ist schwer zu beziffern. Thorsten Schütte-Gravelaar, Geschäftsführer der Vermarktungsplattform Smartclip, vertraut dabei auf die Zahlen von Sevenone Media.

In der aktuellen Studie vom Herbst 2014, die von der GfK Retail und Technology durchgeführt wurde, wird von 10 Millionen HbbTV-fähigen Geräten gesprochen. Das bedeutet, dass knapp 97 Prozent der Smart TV in Deutschland mit der HbbTV-Technologie kompatibel sind.

Insgesamt gibt es laut der Studie 24 Millionen Empfänger in Deutschland, die mit dem Internet verbunden sind - neben Smart TV ist dies beispielsweise auch über Internet-Sticks (z.um Beispiel Google Chromecast, Amazon Fire TV Stick), Set-Top-Boxen (z. B. Apple TV), Blu-ray-Player oder auch Spielekonsolen möglich.

Schütte-Gravelaar glaubt, dass damit jetzt die kritische Masse in Deutschland erreicht sei. Cornelia Schmid, Analystin bei der Münchner Kommunika­tionsberatung Brainagency, ist sich dennoch nicht sicher: "Im Moment gibt es ­bezogen auf die an das Internet angeschlossenen TV-Haushalte verschiedenste Zahlen, hier fehlt dem Markt noch eine verlässliche Angabe. Aktuell realistisch ist die Annahme, dass circa ein Drittel der Haushalte ­ihren Fernseher auch tatsächlich mit dem Internet verbunden hat und somit Smart TV benutzt." Die Frage nach der konkreten Anwendung der vorhandenen Technologien bleibt umstritten.

TV ist und bleibt ein Lean-Back-Medium

So ist es auch nicht verwunderlich, dass im Bezug auf den Interaktivitätsfaktor der Smart-TV-Geräte die Meinungen aus­einandergehen. Für Thomas Wagner ist es in einem ersten Schritt entscheidend, dass der Begriff der Interaktivität differenziert betrachtet wird.

Der Vorsitzende der ­Geschäftsführung der Sevenone Media ist zuständig für den Verkauf klassischer und digitaler TV-Werbeformen: "Nebentätigkeiten beim Fernsehen sind nicht neu. Früher wurde in der Zeitung geblättert, jetzt ist man auf dem Second Screen unterwegs."

Wichtig ist für Wagner jedoch der Fakt, dass der Augenkontakt vom Second Screen immer wieder zum großen Bildschirm zurückführt: "Auch im Unterbewusstsein kann das Fernsehen Botschaften beim Nutzer verankern, wenn er auf dem Second Screen unterwegs ist."

Laut einer Studie, so der Sevenone-Chef, kommen 70 Prozent der User früher oder später wieder auf den großen Screen zurück. Trotz dieser hohen Quote bezweifelt Schmid, dass sich die interaktiven Elemente auf dem Smart TV durchsetzen wird: "TV bleibt meiner Meinung nach Lean-Back-Medium, aber durch die Lean-Forward-Möglichkeiten können die Konsumenten selbstbestimmt entscheiden, ob und wann sie aktiv werden."

Ähnlich sehen das auch Damian Rodgett, Managing ­Director bei der Agentur Pilot Screentime, und Smartclip-Geschäftsführer Schütte-Gravelaar. Sie bestätigen eine Studie von Tomorrow Focus Media, die im abgelaufenen Jahr 466 Personen zu ihrem Nutzungsverhalten auf dem Smart TV befragt hatte.

Dabei gab mehr als die Hälfte der Nutzer an, das Endgerät zum Schauen von Videos zu nutzen (51,1 Prozent), knapp die Hälfte der Nutzer streamt Inhalte aus Mediatheken (44,8 Prozent). Immerhin fast ein Drittel sucht auf dem Smart TV nach weiterführenden Informationen zum Programm. Dies funktioniert über den HbbTV-Bereich der Fernsehgeräte. Dort sind zusätzliche Produktinforma­tionen oder ergänzende Funktionen wie Votings verfügbar.

Smart TV ermöglicht durch Red-Button-Technologie neue Werbemodelle

An dieser Stelle wird es für die Werbungtreibenden interessant. Denn im HbbTV-Bereich, der über den sogenannten Red Button der Fernbedienung erreicht werden kann, können Unternehmen aktiv werden.

"Durch das Drücken des Red Buttons gelangt der Nutzer zum Beispiel auf die Microsite des Kunden, auf der ihm Content mit Mehrwert angeboten wird", erklärt die Projektmanagerin von Brainagency.

Ein weiteres Werbemodell sind die Switch-in Ads: Beim Umschalten des Programmes im Smart TV ­erscheint für rund zehn Sekunden eine Red-Button-Box im rechten unteren Bereich des Bildschirms, die beispielsweise mit der Botschaft des Werbekunden ­gefüllt werden kann. In einem zweiwöchigen Test im Oktober und November 2014 wurde der Trailer zum ersten Teil des Kinofilms Mockingjay mit der Switch-in-Technologie auf Pro Sieben, Sat1, Sixx und Kabel 1 eingeblendet.

Der Spot erzeugte 4,8 Millionen Ad Impressions und rund 45.000 Klicks, was einer Klickrate von knapp ­einem Prozent entspricht. Dies sei im Vergleich zu Online-Kampagnen kein schlechter Wert, so Schmids Einordnung. Außerdem erwische man den Nutzer in einem Moment hoher Aufmerksamkeit.

Trotzdem sei von einem extensiven Einsatz ­abzuraten, um den Zuschauer nicht abzuschrecken, damit dieser nicht letzten Endes den Stecker des Smart TV zieht.

Neben dem Red Button und den Switch-in Ads sind vorinstallierte Anwendungen auf den Smart-TV-Geräten reizvoll. In den Apps können Unternehmen zum Beispiel über Video-Formate oder via Banner werben und außerhalb des laufenden Fernsehprogramms Zuschauer ansprechen.

Durch die Integration digitaler Werbestrategien wie Frequency Capping und Adserver-Technologien in den Fernsehbereich ergeben sich für Werbungtreibende neue Möglichkeiten. Da die Geräte über die IP-Adresse des Netzes örtlich zuordenbar werden, können nationale Werbespots regionalisiert ausgestrahlt werden.

"Es ist grundsätzlich heute schon ermittelbar, wo das Gerät steht, wie es grundsätzlich genutzt wird, wann das ­Gerät ein- und ausgeschaltet wird und auf welchem Sender der Nutzer ist", erläutert Schütte-Gravelaar.

Durch Smart TV bestehe für Regional- und Spartensender die Chance, den eigenen Anteil an den Werbeerlösen zu steigern. Der technologische Fortschritt mache es möglich, gezielt auch kleine und mittlere TV-Reichweiten zu buchen und somit womöglich an der Vormachtstellung von Sevenone Media und IP Deutschland zu rütteln. Die beiden Player vereinten 82,6 Prozent der Brutto-Werbeeinnahmen aus dem deutschen TV-Markt im Jahr 2013 auf sich.

Der nächste Schritt im Smart TV führt zum Behavioral Marketing. Sobald die Vermarkter wissen, wer vor dem Fernseher sitzt, können die Werbeformate eine tiefere Ebene erreichen und Kunden noch konsequenter ihre Zielgruppe ansprechen.

Dies wird erst möglich, wenn das lineare Fernsehen größtenteils über Breitbandkabel (IP TV) gestreamt wird, sagt Wagner. Und Cornelia Schmid von Brainagency ist sich sicher: "Die Preisfindung, die Werbeplatzauswahl und auch der Inhalt wird in ­Zukunft dynamisch sein. Es wird sich noch ein wenig hinziehen, aber das wird die Zukunft sein."

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