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Lukas Kircher

Lukas Kircher von C3 "Die Zukunft gehört der hybriden Agentur"

Lukas Kircher, Editorial Designer, Gründer und Geschäftsführer von C3

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Lukas Kircher, Editorial Designer, Gründer und Geschäftsführer von C3

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"Das dreckige Geheimnis von Content Marketing? Es macht Spaß." Das sagt einer, der es wissen muss: Lukas Kircher ist Mitgründer von C3 und spricht im Interview über London, Performance und Social Media.

Bei der Medienagentur C3 dreht sich zwar immer noch alles um Content Marketing, den Alltag bestimmen inzwischen aber auch Themen wie Performance und Wirkungsnachweise. Was hinter der Akquisition der Londoner Agentur Seven steckt, welche KPIs Content Marketing wirklich braucht und warum Twitter von Kai Diekmann profitiert, erklärt uns Lukas Kircher, Editorial Designer, Gründer und Geschäftsführer von C3 im Interview.

Das erste Quartal des Jahres ist geschafft, ein kleines Resümee: Wie liefen die ersten Monate für C3?
Lukas Kircher: Wir haben es ja mit Müh und Not geschafft vor der großen Content-Marketing-Welle zu surfen. Dabei haben wir aber die Geschwindigkeit unterschätzt, mit der sich das Thema in der Branche verbreitet hat. Normalerweise wird man als Gründer im Frühling immer sehr nervös, beinahe schon fast depressiv, weil am Jahresanfang nicht viel passiert. Man hat die laufenden Kosten, die Kunden sind aber noch sehr zögerlich. Dieses Jahr war das komplett anders. Wir haben aktuell 48 offene Stellen alleine in Deutschland, wir sind über 600 Leute und gewinnen laufend neue Kunden hinzu. Also es ist gerade hochspannend.

Gibt es intern noch eine Aufteilung in Burda und Kircher Burkhardt?
Kircher: Das ist alles ziemlich gut zusammengewachsen. Wir hatten keine Fluktuation, wir arbeiten auf allen Ebenen eng zusammen. Wir hatten auch das Glück, dass zwei menschlich sehr intakte Unternehmen zusammengekommen sind. Für die Mitarbeiter hat sich aber auch nicht viel geändert, es gab, wie auch im Portfolio, wenig Überschneidungen und viele Ergänzungen.

Sie haben jüngst die Londoner Agentur Seven übernommen. Was ist die Idee dahinter?
Kircher: Seven hat mehr eine strategische Rolle. Wir wollen damit einen europäischen Content-Marketing-Champion bauen. Denn wir sehen, dass das Thema Internationalisierung immer wichtiger wird. Daher ist London für uns auch strategisch so wichtig. Wir können so für amerikanische oder asiatische Marken Kampagnen in London bauen. Die Stadt ist einfach die Schaltstelle für Kommunikation in Europa.

In Sachen Content sieht es anders aus. Hier ist es wichtig, dass dieser nicht zentralistisch geführt wird. Eine Geschichte, ein Narrativ, das für die englische Kultur beispielsweise Sinn macht, muss nicht automatisch in Deutschland genauso gut funktionieren. Das macht Sprache nicht mit, sie ist untrennbar mit Kultur verbunden. Daher ist es aus Content-Sicht also unerlässlich, diverse länderspezifische Agenturen zu haben.

Eine andere wichtige strategische Rolle von London nenne ich gerne "Innovations-Arbitrage". Seven ist in bestimmten Themen einfach weiter, zum Beispiel bei der intelligenten Verknüpfung von Social und Campaigning oder bei der Data-Insights-getriebenen Bearbeitung von Content-Strategien. Da können wir unseren Kunden nun noch mehr Cutting Edge bieten. Wir überlegen beispielsweise, ob wir ein Innovation Lab in London gründen, wo wir Kunden und Mitarbeiter mitnehmen und ihnen zeigen können, was unsere Praktiken sind.

Umgekehrt ist es so, dass Seven keine eigene Technologie hat und wir eine starke Tech-Abteilung in den letzten Jahren aufgebaut haben, mit Mobile- und Backend-Erfahrung. Ideal ist es, wenn man den kreativen Freigeist, das Visionäre, mit dem Daten- und Technik-getriebenen Denken zusammenbekommt. Dann hat man schon ein tolles Angebot im Köcher.

So ganz ohne Konkurrenz sind Sie hier ja nicht. Bertelsmann, Telekom, Ströer…. Was ist Ihr USP?
Kircher: Wir hören tatsächlich oft, dass Größe alleine kein Argument ist. Da muss ich aber sagen, bei den Aufgaben, die jetzt bei unseren deutschen Kunden anstehen, ist Größe schon ein gewichtiges Argument. Wir sind in der Lage, Content Centric Communication zwei, drei, vier Jahre durchzuhalten - in gleichbleibender Qualität und Taktung. Content Marketing hat viel mit Taktung, mit Ausdauer, zu tun. Das ist auch, glaube ich, der größte strukturelle Unterscheid zwischen einer Content-Marketing-Agentur und einer klassischen Agentur. Man muss jeden Tag neu reagieren, man hat jeden Tag neue oder leicht angepasste Produktionsprozesse, weil sich wieder etwas getan hat am Markt, auf das man reagieren will. Hier ist ein völlig neuer Agenturtypus gefragt, die Zukunft gehört der hybriden Agentur, bei der ganze Agenturteams vor Ort tief in die Prozesse eines Unternehmens eingebunden sind, um in Echtzeit rund um die Uhr Content und kreative Ideen zu entwickeln. Die Agentur selbst wird eher zur Basis-Station, die als Think Tank für Mitarbeiter und Kunden intensiv über Strategie und Innovationen nachdenkt.

"Jede Agentur ist plötzlich auch eine Content-Marketing-Agentur"

Woher kommt plötzlich all die Konkurrenz?
Kircher: Das ist relativ einfach. Vor fünf Jahren gab es keinen Content-Marketing-Etat bei Kunden. Also hat man das als exotische Hobby-Beschäftigung einiger weniger abgetan. Jetzt, wo es so viele spannende und interessante Projekte gibt, wo auch ordentliche Preiszettel daran kleben und der Titel nun Content Marketing ist, versucht sich natürlich jede Agentur, die in unserem Markt tätig ist, auch als Content-Marketing-Agentur. Es gibt verschiedene Arten von Wettbewerb. Das eine sind eben klassische Agenturen, Digital- oder PR-Agenturen, die sich jeweils aus ihrer Sicht und mit ihrem gelernten Instrumentarium dem neuen Markt annähern. Das andere sind Beispiele wie Bertelsmann, die mehrere Units unter einem Dach zusammenfassen. Ich glaube, das tut der Branche insgesamt gut. Denn alles, was ich sehe, ist, dass der Bedarf gigantisch ist und steigt. Doch aktuelle Beispiele zeigen, dass es nicht gerade einfach ist, wirklich alle Gewerke des Content Marketings in einer integrierten Agentur aufzubauen. Da haben wir einen gewissen zeitlichen Vorsprung, auf dem wir uns aber gewiss nicht ausruhen können.

Wie steht es um die Gerüchte, Sie wollen eine eigene Mediaagentur gründen?
Kircher: Wir haben ein methodisches Problem. Die Art, wie wir Media machen, ist nicht dieselbe wie die einer klassischen Mediaagentur. Wir werden keine Mediaagentur im Sinne einer klassischen Mediaagentur aufbauen, aber wir haben uns in den letzten fünf Monaten verstärkt mit dem Thema Performance und Media-Strategie-Planung beschäftigt. Da kommt uns zugute, dass bei Burda natürlich auch Kollegen sitzen, die aus dem Bereich Mediaplanung kommen. Die Seite Paid Content Marketing wird hier sukzessive weiterentwickelt. Wir haben halt andere Rahmenbedingungen. Denn wenn ein Kunde beispielsweise sieht, dass sein Content auf Facebook organisch gut ankommt und diesen mit Promoted Posts stärken möchte, aber eben individuell unterschiedlich für 50 Contents pro Woche, kann er damit nicht einfach zu einer Mediaagentur gehen. Das ist nun etwas, was wir selber aufbauen. Wir nennen das "Content Growth Hacking". Die Mischung zwischen organischem Growth und taktischem Paid Growth ist unverzichtbar für Content Marketing.

Content Marketing (CM) ist ja immer noch ein schwieriger, nicht idealer Begriff…
Kircher: Ja, tatsächlich ist er auch für mich immer noch irreführend. Man glaubt, es ist ein eigener Kanal, eine Strategie. Tatsächlich ist es aber eine Querschnittsdisziplin, die alle beteiligten Touchpoint-Owner dazu zwingt, weniger darüber nachzudenken, wie sie ihre drei wichtigsten USPs der Produkts hübsch verpacken können. Es geht darum, was bei den Menschen passiert, wie sie reden, wenn die Marke nicht dabei ist. Es ist eine sehr vom Konsumenten ausgehend gedachte Kommunikation, und das betrifft alle Kanäle.

CM war lange nichts Besonderes, wurde dann Trend und ist jetzt wieder Mainstream. Wie beobachten Sie als CM-Vorreiter die Entwicklung?
Kircher: Wir sitzen alle da und lachen uns ein bisschen ins Fäustchen. Wir als Geschäftsführer freuen uns einfach über jeden neuen Etat, über jeden neuen Kunden, der das Thema schon wirklich durchdrungen hat. Die Kunden sind smart, was diese in den letzten Jahren an Know-how zugelegt haben, ist sensationell. Den Ehrgeiz, "Content-Marketing-Papst" und Auskunftsperson für dieses Thema zu sein, habe ich nicht. Dafür macht das andere viel mehr Spaß. Aber wir werden uns jetzt wieder mehr öffnen. Wir werden jetzt auch zu Themen eingeladen, da wäre wir vor zwei, drei Jahren gar nicht eingeladen worden, wie Data Driven Marketing, Content-Strategien, Social Media oder Lead Etats und so weiter.

"Der Vorteil von Twitter? Der Diekmann ist drin"

Wo steht Content Marketing heute?
Kircher: Es gibt seit 15 Jahren die Disruptions-Theorie. Und es gibt immer dieselbe Kurve. Es fängt an mit einem absoluten Hype. Es folgt ein Tal der Tränen, hier profilieren sich die, die sagen: "Wir haben früher alles besser gemacht." Dann kommt langsam aber sicher der permanente Anstieg im Bereich Wirkung, es gibt die ersten Erfolgs-Cases. Und dann sagen alle: "Wenn das so gut funktioniert, will ich auch damit anfangen." Wir befinden uns gerade kurz vor diesem Anstieg. Und: Das dreckige Geheimnis von Content Marketing ist einfach: Es macht Spaß.

Das Thema Wirkungsnachweise wird also auch im CM wichtig. Auf welche KPIs kommt es an?
Kircher: Das ist eine interessante Debatte, weil ich glaube, dass es keine zusätzlichen KPIs braucht, um Content Marketing zu messen. CM ist an und für sich eine innovative Methode, mit Marketing in einer sehr Konsumenten-zentrischen Art und Weise umzugehen. Was interessiert die Leute, wie kann ich sie unterhalten? Die Art der Messung ist aber letztlich genauso, wie wir sie immer gemacht haben. Möchte ich Awareness pushen, habe ich dafür meine KPIs, möchte ich Leads messen, eben andere. Wir haben in den letzten 18 Monaten daran gearbeitet, dass wir einfach die Business-Metriken eines Unternehmens einbauen lassen müssen. Und genau das passiert.

Ist das inzwischen auch Kundenwunsch?
Kircher: Ja, sicher. Diese verlangen heute beispielsweise bei einem Projekt mehr Leads und wollen CPL angezeigt haben. Bei anderen geht es um Reputation, da sind Awareness und Engagement am wichtigsten. Bei wieder anderen geht es um die Frage, ob die Strategie bei Mitarbeitern angekommen ist, da hilft nur eine klassische Mitarbeiterbefragung. Ich glaube, bei den KPIs müssen wir überhaupt nicht innovativ sein. Es gibt genug Kennziffern im Markt, mit denen man gut arbeiten kann. Was sich verändert hat bei uns ist, dass wir uns in den letzten 18 Monaten eine Strategie-Abteilung aufgebaut haben. Die macht genau diese Herleitung, ausgehend vom Problem hin zu den KPIs, und entwickelt dann plastisch die bestmögliche Strategie. Wir haben also von der Planung bis zur Ausführung und der Belegbarkeit alles in einem Haus.

Sie haben einmal gesagt, zehn Prozent des Marketingbudgets sollte in CM fließen…
Kircher: Ja, denn diese zehn Prozent sind nicht so substantiell, dass das klassische Marketing darunter leiden würde. Aber mit zehn Prozent eines vernünftigen Marketing-Budgets können wir schon wahnsinnig viel anfangen. Deswegen haben wir bei mehreren Projekten gesagt, mit zehn Prozent können wir ein hochwirksames CM-Projekt starten. Das hilft dann zu sehen, ob man künftig mehr in Content Marketing investieren möchte.

Social Media ist für CM unumgänglich. Welchen Kanal bevorzugen Sie?
Kircher: Das kommt auf die Branche an. Wenn es B2B ist gerne LinkedIn oder auch Twitter. Twitter ist zwar in Deutschland nicht unbedingt die Nummer eins, hat aber einen Vorteil: Der Diekmann ist drin. Und viele andere Multiplikatoren. Über diese komme ich wiederum an die Nutzer, die vielleicht nicht auf Twitter sind. LinkedIn ist sensationell international, wenn ich in Fachthemen hinein möchte. Für viele Content-Projekte, aber auch für die Agentur finde ich Facebook wunderbar - das ist ja so ein bisschen "die Bunte" in der Branche.

Es gibt natürlich auch Schattenseiten im CM. Wie sehen Sie das Problem der Übersättigung, den "Content Schock"?
Kircher: Das ist für mich Teil des vorher beschriebenen Tals der Tränen. Die Widerstandskräfte steigen. Das hat damit zu tun, dass ernsthafte und substantielle Budgets ins Spiel kommen und dass bestimmte Agenturausprägungen manchmal darunter leiden, dass es CM gibt. Das hat aber nichts damit zu tun, dass Kunden sagen würden, wir haben zu viel Content. Ich habe nur Kunden, die sagen, wir brauchen mehr, aber eben relevanteren Content.

Können KMUler da überhaupt noch mithalten?
Kircher: Ja klar, gerade die, weil sie Spezialthemen haben und Nischen, die gar nicht vertreten sind. Es ist viel schwieriger für große Unternehmen, die Themen haben, die sehr allgemein sind oder gut besetzt auf dem Markt. Letztlich kommt es auf ganz alte journalistische Tugenden an. Der Leser hat sehr wenig Zeit und will diese nicht mit Dingen verplempern, die ihm keinen Spaß machen und ihn nicht ansprechen. Da müssen wir uns wieder rückbesinnen. In der ersten Hype-Welle wurde gerne sehr viel Content herausposaunt, was es gerade gab. Nun brauchen wir strategische Ordnung, auf Basis von Data Insights müssen Unternehmen nachdenken, was der Kunde wirklich will. Creativity formed by data, darauf wird es hinauslaufen.

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