
Finanzierung von Inhalten, Reichweitensteigerung, Stellenabbau: Der Journalismus steht im Online-Zeitalter vor zahlreichen Herausforderungen. Trotzdem sagt Pauline Tillmann: "Journalismus ist der beste Beruf der Welt". Die junge Auslandskorrespondentin ist mit einem Stipendium der Michael-Jürgen-Leisler-Kiep-Stiftung 13 Wochen durch die USA gereist und hat die großen Trends gesammelt, welche die Medienbranche derzeit bewegen.
Dabei hat sie zahlreiche Gesprächspartner getroffen, vom Start-up-Gründer bis zum Wissenschaftler. Die Publikation wurde in Zusammenarbeit mit der Standortinitiative für die Digital- und Medienwirtschaft nextMedia.Hamburg und der Hamburg Media School umgesetzt

Trend 1: Mobile und Mobile Reporting
"Der größte Trend, den man derzeit ausmachen kann, ist Mobile. Ich bin davon überzeugt: Darauf müssen sich Verleger und Medienhäuser in Deutschland noch stärker als bislang einstellen", meint Pauline Tillmann. Deshalb sollten Verlage Angebote schaffen, die für das Lesen auf dem Smartphone optimiert sind. Aber nicht nur konsumiert, auch produziert wird immer mehr mobil. "Heute kann man mit dem Smartphone in Supersendequalität drehen und schneiden", meint etwa die Journalistin Sandra Sperber

Trend 2: Social Media
Soziale Netzwerke generieren Traffic für News-Portale und machen damit ebenfalls einen der wichtigsten Trends aus. In den USA kommen mittlerweile 30 Prozent der Online-User von Facebook und Co. Medien wie die Huffington Post oder BuzzFeed setzen verstärkt auf "User Generated Content", also auf Inhalte, die nicht von der Redaktion stammen, sondern von Online-Nutzern. Die Kommunikation zwischen Publikum und Journalisten müsse auf Augenhöhe und in beide Richtungen ablaufen, meint Tillmann

Trend 3: Datenjournalismus
In den USA sind Datenjournalisten schon selbstverständlich Teil der Redaktion, in Deutschland ist das noch anders. Unter Datenjournalismus versteht man die nutzergerechte Analyse und grafische Aufbereitung von großen Datenmengen. Gerade in Deutschland haben es Journalisten allerdings noch schwer, an bestimmte Daten zu kommen

Trend 4: Die lange Form
Online-Journalismus ist gleich Häppchenjournalismus? Lange Zeit ist man davon ausgegangen, dass Menschen keine langen Artikel im Netz lesen wollen. Studien haben aber gezeigt, dass Leser durchaus bereit sind, längere Geschichten auf dem Smartphone oder Tablet zu konsumieren - wenn sie gut gemacht sind. Wie lange Texte im Web funktionieren können, zeigt etwa der 31-Jährige New Yorker Noah Rosenberg mit seiner Plattfrom narrative.ly., die monatlich rund 700.000 Leser erreicht - Tendenz steigend

Trend 5: Unternehmerjournalismus
Start-ups gibt es auch im Journalismus - zumal in einer Zeit, die durch Stellenabbau geprägt ist. Ein bekanntes Beispiel für "Entrepreneurial Journalism" ist das 2014 gestartete Online-Magazin Krautreporter.de. "Unternehmerjournalismus ist eine Form von Journalismus, die mitdenkt, wo das Geld herkommt", sagt der freie Journalist Christian Fahrenbach, der etablierte Medien mit seinen Geschichten beliefert. "Mittelfristig ist der Plan, nicht mehr von diesen etablierten Medien abhängig zu sein, sondern ein eigenes Medium zu werden." Der Experte Jeremy Caplan glaubt, dass es in den nächsten Jahren ein großes Wachstum an spezialisierten Quellen geben wird, die eine ähnlich hohe Reputation genießen werden wie traditionelle Medien

Trend 6: Philantropie und gemeinnütziger Journalismus
In den USA ist der Journalismus stark von gemeinnützigen Stiftungen wie besonders der "John S. und James L. Knight Foundation" geprägt. Diese hat seit ihrer Gründung im Jahr 1950 etwa 370 Millionen Euro für die Förderung von Qualitätsjournalismus und Meinungsfreiheit ausgegeben. Viele reiche Amerikaner investieren ihr Geld nicht etwa in einen neuen Sportwagen, sondern in Wahlkämpfe oder eben auch die Zeitung ihres Vertrauens. Ein weiterer Trend sind gemeinnützige Zeitschriften wie etwa "Mother Jones", wo ein Großteil der Geschichten auf der Website stattfindet. Es geht um brisante Themen wie Wafffen, Korruption und Datenschutz

Trend 7: Hyperlokale Blogs
Auch Blogs, die sich auf einen bestimmten Stadtteil beschränken, sind ein Trend, der sich in den USA beobachten lässt. Katarina Hybenova, Betreiberin von "Bushwick Daily" ist so erfolgreich mit ihrem Blog über den New Yorker Stadtteil, dass sie davon leben kann. "Unser Geschäftsmodell beruht darauf, dass wir Werbeflächen auf unserer Webseite verkaufen. Dabei handelt es sich vor allem um lokale Werbekunden", erklärt Hybenova. Auch in Deutschland gibt es erfolgreiche Beispiele, wie etwa die "Prenzlauer Berg Nachrichten" aus Berlin oder rheinneckarblog.de

Trend 8: Crowdfunding
Bekanntestes Beispiel für Crowdfunding im Journalismus sind hierzulande die Krautreporter. In den USA, wo kulturelle Projekte weniger staatliche Unterstützung erhalten, spielt Crowdfunding noch eine wesentlich größere Rolle. Ein Pendant zu Krautreporter.de ist dort etwa die Plattform Spot.us. Wer Geld per Crowdfunding einsammeln will, sollte leicht verständlich vermitteln, worum es bei dem jeweiligen Projekt geht

Trend 9: Native Advertising und Paid Content
Einer Bitkom-Studie zufolge steigt die Zahlungsbereitschaft für Online-Inhalte. 2014 soll demnach bereits jeder vierte Internetnutzer für Journalismus im Web bezahlt haben. Ein weiterer Trend ist Native Advertising, also Werbung, die sich als journalistischer Inhalt tarnt. "Viele Verleger wechseln gerade zu Native Advertising", stellt etwa Kuldeep Kapad fest, Betreiber der Plattform "AdsNative", die Verleger und Werbekunden zusammenbringt: "Es wird die Bannerwerbung früher oder später ersetzen", glaubt er

Trend 10: Multimedia
Die Grenzen zwischen Radio, Online und TV verschwimmen in Zukunft immer mehr, glaubt Pauline Tillmann: "Multimedia ist die Zukunft". Besonders beeindruckt hat sie auf ihrer Reise der Campus der University of Southern California in Los Angeles, wo sich die "School for Communication and Journalism" befindet. In dieser Talentschmiede soll der Nachwuchs fit für den Journalismus von morgen gemacht werden und neben dem Schreiben eben auch lernen, wie man gute Online-Videos dreht

Zur Person
Pauline Tillmann (32) ist freie Auslandskorrespondentin in St. Petersburg, unter anderem für die ARD, und hat das Projekt "Deine Korrespondentin" initiiert. Schwerpunkt ihrer Arbeit sind Reportagen und Radio-Features über soziale, kulturelle und politische Themen aus Russland und der Ukraine. Im Sommer 2013 hat sie ihr erstes E-Book "Frei arbeiten im Ausland" veröffentlicht. Im Herbst 2014 war sie 13 Wochen in den USA unterwegs und hat zur Zukunft des Journalismus recherchiert. Daraus ist ihr zweites E-Book, "Zehn Trends für Journalisten von heute", entstanden.