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Digital-Vermarktung "Projekt Lotus" und OMS: Das steckt dahinter

Ströer mischt die Digital-Vermarktung in Deutschland auf

Shutterstock.com/amoonrae

Ströer mischt die Digital-Vermarktung in Deutschland auf

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Die Vermarktungslandschaft der Zeitungen ist derzeit heftig in Bewegung. Mit "Projekt Lotus" und Ströer gibt es zwei neue, große Player am Markt. Das sind die Hintergründe der Umwälzungen.

Stichtag ist Montag der 2. November. An diesem Tag soll die Transaktion endgültig abgeschlossen sein, die der deutschen Online-Vermarktungslandschaft einen neuen Marktführer beschert. Der Vermarkter Interactive Media sowie das größte deutsche Internet-Portal T-Online gehen dann vollständig in den Besitz der Ströer SE über.

An der Spitze des Vermarkter-Rankings vollzieht sich damit der schon wochenlang angekündigte Wachwechsel: Ströer Digital wird mit seinen knapp 43 Millionen Unique Usern die mit Abstand größte Reichweite haben.

Und dieser Abstand wird sich bald weiter vergrößern. Denn es dürfte nur eine Frage von Wochen sein, bis das Kartellamt auch die nächste Übernahme von Ströer genehmigt.

Udo Müller, Ströer

Udo Müller, CEO der Ströer SE

Ströer

Zum Portfolio zählt dann auch der Online-Vermarkter OMS, bei dem 450 Webseiten von Tageszeitungen und Radiosendern gebündelt sind. Die Reichweite von Ströer Digital wird damit auf über 70 Millionen Unique User anwachsen, in etwa doppelt so viele, wie sie der Zweitplatzierte im Ranking, United Internet Media, derzeit zu bieten hat. "Die Akquisitionen heben uns auf eine neue Ebene", so Udo Müller, der CEO der Ströer SE.

Innerhalb der OMS war der Schritt, sich in das Ströer-Reich zu begeben, keinesfalls unumstritten. Deren Gesellschafter - 33 deutsche Tageszeitungsverlage, darunter die Rheinische Post, Ippen, Madsack und die Südwestdeutsche Medienholding (SWMH) - hatten sich in der Vergangenheit immer wieder vorhalten lassen müssen, bei ihrer digitalen Strategie nicht unbedingt glücklich vorgegangen zu sein und vorschnell Vorteile aus der Hand gegeben zu haben.

Hohe Investitionen in Programmatic Advertising

Doch es setzte sich die Überzeugung durch, dass technologische Entwicklungen wie Programmatic Buying so hohe Kosten verschlingen würden, dass man nur im Verbund mit einem großen Partner diese Investitionen stemmen kann. Zudem befürchtete man, bei der anhaltenden Konsolidierung des Marktes plötzlich nur noch als kleine Nummer zu gelten.

"Wenn wir als Verlage in der nationalen Digital-Vermarktung weiterhin relevant sein wollen, brauchen wir eine kritische Größe und die haben wir alleine nicht", so Stephan Marzen, Geschäftsführer bei der Rheinischen Post, im Interview. "Deswegen gehen wir eine Partnerschaft mit einem großen, weiteren Vermarkter ein."

Fragwürdigkeiten in der nationalen Printvermarktung

Im Ströer-Reich soll die OMS jetzt einerseits ihre 28 Millionen Unique User bei den Verhandlungen in die Waagschale werfen, andererseits aber als eigenständiges Produkt erhalten bleiben - und zusammen mit Ströer den ganz Großen die Stirn bieten. Marzen: "Wenn jemand in Deutschland die Chance hat, gegen die internationale Konkurrenz eine Position aufzubauen, dann ist es Ströer."

Die Veränderung der OMS ist dabei nicht die einzige Aufgabe, die die Tageszeitungsverleger im Bereich der Vermarktung derzeit umtreibt. Seit Monaten befassen sich die Gesellschafter auch mit der Frage, wie man denn die nationale Printvermarktung besser auf Vordermann bringen könnte. Auch da hatte man sich in der Vergangenheit strategisch einige Fragwürdigkeiten erlaubt.

NBRZ und MHD

Im Jahr 1999 hatten zahlreiche Verlage die Nielsen-Ballungsraum-Zeitungen (NBRZ) gegründet, einen Zusammenschluss von rund 250 Titeln, über die mit einer einzigen Anzeige theoretisch 27,5 Millionen Erwachsene erreicht werden können. Dem Vernehmen nach arbeitete die NBRZ innerhalb ihrer Möglichkeiten wirtschaftlich erfolgreich. Aufgrund ihrer schlanken Strukturen und mächtiger Anzeigengebietsleiter, die um ihre Pfründe fürchteten, gelang es aber nie, die NBRZ zu einer schlagkräftigen Organisation auszubauen.

Statt die NBRZ zu reformieren, gründeten die Verleger das Medienhaus Deutschland (MHD), dessen Premiumpaket den Werbungtreibenden eine Reichweite von knapp 18 Millionen Erwachsenen verspricht. Nebeneffekt der Neugründung: Die Tageszeitungen, die ohnehin stark unter sinkenden Anzeigenerlösen leiden, machen sich seitdem auf dem nationalen Werbemarkt gegenseitig Konkurrenz.

Crossmedia-Pakete: Lotus greift auf OMS zu

Damit soll nun Schluss sein. Denn jetzt kommt das "Projekt Lotus", das sich maßgeblich das Beratungsunternehmen OC&C ausgedacht hat. Die Idee: wieder mal ein nationaler Tageszeitungsvermarkter. Da es hiervon aber schon zwei gibt, sollen jetzt NBRZ und MHD in Lotus aufgehen.

Christoph Rüth ist Sprecher des Projekt Lotus und Geschäftsführer der Madsack Gruppe

Christoph Rüth, Sprecher der Projektgruppe Lotus und Geschäftsführer der Madsack Gruppe: "Wir wollen Zietungen auf dem nationalen Werbemarkt eine Stimme geben."

Madsack

Eine Bestandsaufnahme habe ergeben, dass man so nicht weitermachen könne, sagt Christoph Rüth, Geschäftsführer der Madsack Gruppe und Sprecher der Projektgruppe Lotus: "Wir wollen den regionalen Zeitungen auf dem nationalen Werbemarkt wieder eine Stimme geben und sie aus einer Hand vermarkten." Ein Signal, auf das der Markt lange gewartet habe. Die Zeit drängt auch deshalb, weil Axel Springer und die Funke Mediengruppe gerade ihren gemeinsamen Vermarkter Media Impact ausbauen, der ebenfalls nationale Anzeigen für seine Tageszeitungen verkaufen will. Ob man sich tatsächlich ins Gehege kommt, sei vorerst dahingestellt: Funke ist auch Gründungsmitglied von Lotus, sitzt also in beiden Beiräten.

Kurz wurde auch angedacht, dass Lotus auch die OMS übernimmt und damit sozusagen die geballte Vermarktungspower der Tageszeitungen auf allen Kanälen erhält. Von diesen Plänen wurde aber wieder Abstand genommen. Den Zugriff auf die Webseiten wollten die Verleger dann doch nicht komplett abgeben. Will ein Kunde ein crossmediales Paket schnüren - Anzeigen in Zeitungen und auf deren Webseiten -, kann er dies künftig auch über Lotus abwickeln. Rüth: "Wir haben uns zusichern lassen, dass wir bei der Crossmedia-Vermarktung Zugriff auf unser Inventar haben."

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