Übermacht von US-Internetkonzernen Wie Europa gegen Facebook und Google kontern könnte
"Es ist unverzichtbar, dass sich Europa seine Souveränität auch im Digitalen bewahrt", erklärte der ARD-Vorsitzende Ulrich Wilhelm auf den Medientagen in München. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sprach sich für eine alternative EU-Internetplattform aus.
Im Kampf gegen die Übermacht von US-Internetkonzernen helfen nach Einschätzung von Medienexperten und Politikern nur bessere Zusammenarbeit in Europa - und bessere Werte. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach sich am Mittwoch zum Start der 33. Medientage München für eine alternative europäische Internetplattform aus: "Entweder sind wir bereit, den Wettbewerb anzunehmen, oder wir werden am Ende nur Konsumenten sein von anderen Wettbewerbern."
Söder warf in seiner Eröffnungsrede deutschen Medienhäusern und besonders der Medienpolitik mangelndes Reformtempo vor. Vieles gehe zu langsam. "Bis wir ein Fußballspiel anpfeifen, haben die anderen schon drei Ligen gespielt." Die deutsche Medienordnung sei "anachronistisch" und "altbacken". Aber: "Wenn eine Welle da ist, dann muss man sie reiten."
Er kritisierte eine "unendliche Staatsvertrags-Mäanderei" und sprach sich für eine umfassende Reform der deutschen Medienordnung jenseits des gegenwärtig verhandelten neuen Medienstaatsvertrages aus. "Deutschland zögert" - und werde darum zunehmend abgehängt.
Parallelen zum Kalten Krieg
Die türkischstämmige Tech-Soziologin Zeynep Tufekci, Professorin an der Universität von North Carolina in den USA und Journalistin unter anderem für die "New York Times" zog gar Parallelen zum Kalten Krieg. Der Westen haben diesen gegen den Ostblock gewonnen, weil er einfach die besseren Werte, das bessere Lebensmodell angeboten habe. Dem seien die Menschen gefolgt. Ähnlich könne man das in der digitalen Welt mit Alternativen schaffen. Aus Sicht der Wissenschaftlerin haben die GAFA "autoritäre" Strukturen geschaffen, die derzeit "noch" für Kommerz und nicht für autoritäre Politik genutzt werden.
Ein Gegenmodell, das Gleiches anbiete aber keine Daten sammle, sei die einzig denkbare Alternative, um die Macht der Konzerne zu zerschlagen. Vor allem eine Plattform wie YouTube, die Menschen mit dem Algorithmus hinter automatischen Videovorschlägen nicht nur in ihren Ansichten bestätige, sondern zunehmend radikalisiere, sei eine große Gefahr. "Wir werden auseinandergerissen - Bildschirm für Bildschirm", sagte Tufekci.
Andreas Briese, Director YouTube Partnerships Central Europe, betonte in einer anderen Gesprächsrunde, dass die Algorithmen von YouTube in den vergangenen Jahren verändert worden seien. Ursprünglich sollten Videos gefördert werden, die viele Klicks erzielen. Danach seien Videos mit langen Sehzeiten favorisiert worden. Jetzt gehe es darum, Inhalte zu fördern, die breit und vielfältig und nicht in Nischen sind.
Im Frühjahr habe es ein Update gegeben, das sich dem Problem von Hassreden, der sogenannten Hate-Speech, widme.
Der ARD-Vorsitzende und BR-Intendant Ulrich Wilhelm betonte: "Es ist unverzichtbar, dass sich Europa seine Souveränität auch im Digitalen bewahrt." Nahezu alle Plattformen sozialer Netzwerke über Cloud-Services werden demnach von Anbietern außerhalb Europas bestimmt. "Damit werden auch die Relevanz und Sichtbarkeit von Inhalten von Algorithmen gesteuert, deren Funktionsweise allein in den Händen von privaten Unternehmen liegt und deren Geschäftsmodell vor allem auf die gezielte Platzierung von Werbung ausgerichtet ist", sagte Wilhelm.