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Customer-Data-Plattformen

Marketingtechnologie Customer-Data-Plattformen: Das steckt hinter dem Trend

shutterstock.com/Montri Nipitvittaya
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Was unterscheidet Customer-Data-Plattformen von Data-Management-Plattformen? Ein genauerer Blick auf einen Trend in der Marketingtechnologie-Branche.

Von Karsten Zunke

Die Anbieterlandschaft im datenbasierten Marketing ist unübersichtlich. Bereits seit einigen Jahren entwickeln sich Marketingtechnologien rasant und sorgen neben dem technologischen Fortschritt für eine wachsende Begriffs- und Definitionsvielfalt. Es gibt Data-Management-Plattformen (DMP), Datenmarktplätze, Datenvermarkter und Tools für Customer Relationship Management (CRM), um nur einige zu nennen. Nun macht eine weitere Anbieterkategorie von sich reden: Customer-Data-Plattformen (CDP).

Ende März haben die US-amerikanische Firma Raab Associates Inc. und das Berliner Unternehmen Crossengage den europäischen Ableger des "Customer Data Platform Institute" gegründet. Das amerikanische CDP-Institute gibt es schon seit 2013. Sein Ziel ist es, die digitale Marketingbranche über Customer-Data-Plattformen zu informieren. Dazu erstellt das CDP-Institute regelmäßig einen Bericht darüber, welche Anbieter in dieses Segment einzuordnen sind. Der aktuelle Report "Customer Data Platfom Industry Update" teilt die 52 Anbieter in drei Kategorien ein: Datengewinnung, Analyse und Customer Experience. Die Funktionen überschneiden sich jedoch häufig.

Die meisten in dem Bericht vom Januar aufgelisteten Unternehmen stammen aus den USA. Zu den Anbietern zählen unter anderem Action IQ, Agilone, mParticle, Segment, Crossengage und Lytics. Dem Report zufolge verfügt die aufstrebende Branche über ein Finanzierungsvolumen von rund 1,2 Milliarden US-Dollar.

"Jeder will eine CDP sein" betitelte die US-Fachzeitschrift "Adexchanger" einen Artikel im Mai. Auch daran lässt sich ­ablesen, dass Customer-Data-Plattformen im Trend liegen. Zudem drängen US-amerikanische Start-ups im Bereich Data ­Management gerade nach Europa. So hat beispielsweise das US-Unternehmen Reltio, Anbieter einer "Master-Data-Management"-Lösung, im Mai in London ein Büro eröffnet.

Anbieterübersicht

Gut für Unternehmen mit vielen eigenen Kundendaten

Doch was machen Customer-Data-Plattformen genau und wie unterscheiden sie sich von Data-Management-Plattformen? "CDP sind das technologische Rückgrat, um besseres Customer Relationship ­Management über alle Kanäle hinweg zu betreiben", sagt Manuel Hinz, Mitgründer und Geschäftsführer des CDP-Anbieters Crossengage.

Bei Customer-Data-Plattformen handelt es sich um eine vergleichsweise junge Marketingtechnologie, die vor fünf Jahren erstmals definiert wurde. Sie ist insbesondere für Unternehmen geeignet, die ihre Kundendaten in verschiedenen Systemen ablegen, zum Beispiel im Shop-System, in einer Kundendatenbank oder einem Data Warehouse. Eine CDP integriert all diese Datenquellen. Sie ist Cloud-basiert und dockt über Schnittstellen an vorhandene Systeme an. Bestehende Marketingtechnologie-Lösungen brauchen daher nicht unbedingt ausgetauscht zu werden. So kann eine CRM-Software beispielsweise eine Datenquelle von vielen sein, die eine CDP speisen. 

Eine zusätzliche Schicht, die Technologien verbindet

Laut Definition des CDP-Instituts gehören zu einer CDP drei wesentliche Merkmale:

  • Sie wird vom Marketing betrieben und kontrolliert
  • Sie schafft eine einheitliche Basis für Kundendaten
  • Sie ist offen für andere Systeme 

Dank der Schnittstellen kann sich die ­Lösung wie eine zusätzliche Schicht über die CRM- und Marketingtechnologien ­eines Unternehmens legen.

Kosten

Customer-Data-Plattformen sind für Unternehmen mit vielen eigenen Kundendaten interessant. Mit ihnen lassen sich zum Beispiel komplexe Kundensegmentierungen bilden. Diese Segmente können dann an die verschiedenen Auslieferungstechnologien übergeben werden, etwa an E-Mail-Lösungen, Mobile-Push- oder auch Demand-Side-Plattformen (DSP). Auf diese Weise kann das Marketing auf Basis von Echtzeitdaten Entscheidungen treffen, um Kunden gezielt und personalisiert anzusprechen. Das Zusammenführen der Daten in der CDP aus verschiedenen Datenquellen soll außerdem eine einheitliche Sicht auf den Kunden ermöglichen - über alle Touchpoints hinweg.

Koexistenz mit Data-Management-Plattformen

Von einer Data-Management-Plattform (DMP) unterscheidet sich eine CDP durch den Fokus auf die Daten. Bei einer CDP dreht sich alles um die sogenannten First-Party-Daten, also die Kundendaten. Eine Data-Management-Plattform hingegen dient vorrangig dazu, Daten von Drittanbietern zu verwalten. Hinzu kommt, dass eine DMP Cookie-basiert arbeitet. Eine CDP nutzt verschiedenste Identifier und kann neben anonymen IDs auch persönliche Identifier wie E-Mail- oder Post-Adressen zur Datensynchronisation heranziehen.

In der Praxis koexistieren CDP und DMP daher häufig innerhalb eines Unternehmens, ebenso wie CRM-Lösungen. "CDP sind ergänzend und komplementär zu DMP zu sehen - sie sind also originär kein Wettbewerb", sagt Holger Mews, Chief Revenue Officer von Adform in Hamburg. Der dänische Ad-Technologie-Anbieter hat unter anderem eine Data-Management-Plattform im Portfolio. ­"Sowohl DMP als auch CDP können viel voneinander lernen und beide ­haben dieselbe Mission: nämlich die Personalisierung des Marketings", sagt Mews. Er kann sich gut vorstellen, dass beide, DMP und CDP, in der Zukunft miteinander verbunden sein werden.

Das sieht Dino Bongartz, CEO des Data-Management-Plattform-Anbieters The Adex, auch so: "CDP ergänzen eine DMP sinnvoll um einige sehr spezielle ­Bereiche und sind für andere Aufgaben gedacht. Die Kernfunktionen einer DMP können CDP nicht übernehmen." Er hält es für einige Kunden für sinnvoll, neben der DMP auch eine CDP einzusetzen.

Bessere Abstimmung der Marketing-Kanäle

Wie eine CDP in der Praxis eingesetzt werden kann, zeigt das Beispiel der DB Vertrieb GmbH, einer Tochter der Deutschen Bahn (DB). Deren Bereich "Online-/Mobile-Vertrieb und Marketing" betreut das Reiseportal Bahn.de, die App "DB Navigator" und das Online-Marketing. Ursprünglich hatte das Unternehmen im CRM-­Bereich eine klassische Infrastruktur aufgebaut, bestehend aus einer Kampagnen-Management-Lösung, einer Business-Intelligence-Komponente für die Definition von Kundensegmenten und einem E-Mail-Service-Provider für den Versand. Dies war ein funktionales Setting in einer ­Phase, in der das E-Mail-Marketing für die Kundenansprache im Fokus stand.

Ziel von DB Vertrieb war es jedoch, durch den Aufbau von Cross-Channel-Fähigkeiten eine größere Reichweite in der Bestandskundenkommunikation herzustellen und individualisierte Botschaften per E-Mail, über die Webseite und die App aufeinander abzustimmen. Um dieses Ziel zu erreichen, wären größere Investitionen in die existierenden Systeme nötig gewesen und ein hoher Entwicklungsaufwand bei den internen IT-Teams entstanden. Stattdessen entschied sich das Unternehmen für eine CDP mit kanalübergreifender Kampagnensteuerungslogik.

Die ­bestehende E-Mail-Lösung und das A/B-Testing-Tool wurden an eine Customer-Data-Plattform angebunden und damit die Auslieferung in die gewünschten Kanäle E-Mail, Webseite und App realisiert. Auf der Entwicklungs-Roadmap steht der Anschluss weiterer Kanäle wie WhatsApp und Push-Mitteilungen. "Mit der CDP konnten wir die Cross-Channel-Fähigkeit herstellen, ohne auf interne IT-Ressourcen angewiesen zu sein und haben Flexibilität bei der Integration neuer Marketing-­Kanäle", erläutert Henrika Meusert, Teamleiterin CRM im Bereich Digital Business bei DB Vertrieb.

Vorteile der CDP

Die CDP verwaltet die Segmentbildung von Zielgruppen und die Kampagnensteuerung über die verschiedenen Kanäle in einer Lösung. Kernsysteme wie die Kundendatenbank werden von der ­Lösung nicht ersetzt. "Es ist ein additives System, das die Marketing-Prozesse deutlich ­beschleunigt", sagt Meusert. So kann das Marketing-Team Segmentierungen und Potenzialabschätzungen mit der CDP aufgrund des Echtzeit-Streamings der Daten auf Knopfdruck erledigen, während komplexe Abfragen auf klassischen Datenbanken dafür in der Regel mehrere Stunden Rechenzeit benötigen. Der große Vorteil der CDP ist, dass wir klassische CRM-Daten mit Echtzeit-Events verknüpfen können", sagt Meusert. Klassische CRM-Systeme sind in der ­Regel nicht in der Lage, an Websites anzudocken. Jetzt kann die DB Vertrieb zum Beispiel erstmals Warenkorbabbrecher adressieren. Sie ließen sich über das alte Setting nicht erfassen.

Unternehmen haben häufig zwar viele Daten, doch sie alle konzertiert "zu ­heben", ist eine große Herausforderung. Customer-Data-Plattformen könnten ein Mittel sein, um die Datensilos aufzubrechen und einen besseren Blick auf die eigenen Kunden zu gewinnen.

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