Es gibt viele Gründe, die Abwicklung von Retouren an einen Dienstleister auszulagern. Manche Unternehmen gehen allerdings genau den umgekehrten Weg.
Der Hamburger Schuhhändler Görtz hat vor Kurzem seinem Retouren-Dienstleister Arvato gekündigt, er will das Fulfillment in Zukunft selbst abwickeln. Dafür wurde das unternehmenseigene Logistikzentrum in Norderstedt umstrukturiert: Die Waren aus dem Online-Shop und aus den stationären Filialen wurden in einen gemeinsamen Bestand zusammengeführt.
Damit will Görtz "die kanalübergreifende Verbindung von Filialen und Online-Shop in einem innovativen Multichannel-Konzept vorantreiben", so Michael Köpke, Abteilungsleiter Operations & Analytics. Görtz-Kunden können sich zum Beispiel per Click & Collect ihre Schuhe online aussuchen und sie dann an eine Filiale in ihrer Nähe liefern lassen.
Die Abwicklung von Retouren will das Schuhhaus Görtz jetzt ebenfalls selbst in die Hand nehmen. Deshalb wurde auch die Retouren-Bearbeitung des Online-Shops Goertz.de vollständig in das Lager Norderstedt integriert.
Ein Vorteil: Das Retouren-Handling kann nun kanalübergreifend erfolgen. Davon verspricht sich das Unternehmen nach eigenen Angaben "schnellere Prozesse".
Außerdem soll die Vernetzung mit dem Görtz-Qualitätsmanagement vor Ort zu einer optimierten Steuerung der Retouren-Prozesse führen. Die Integration in den ab jetzt zentralen Lagerbestand soll dafür sorgen, dass die Verfügbarkeit der Ware in den Filialen und im Online-Shop verbessert wird. "Auch neue Cross-Channel-Services wie der Umtausch von Online-Retouren in der Filiale können dadurch effizienter abgewickelt werden," sagt Görtz-Manager Köpke.
Retouren extern abwickeln: Ja oder Nein?
Während Görtz sein Fulfillment inklusive Retouren-Handling zurück ins Unternehmen holt, gehen andere Händler den umgekehrten Weg und lagern die Retouren-Abwicklung aus. Das ergibt vor allem dann Sinn, wenn im Unternehmen selbst nicht genügend Know-how vorhanden ist: "Zählen Teile des Geschäfts nicht zur Kernkompetenz des Online-Händlers, ist immer ein Outsourcing zu überlegen", sagt Dieter Urbanke.
"Übernehmen Retouren-Dienstleister die nachgelagerten Prozesse, muss der Händler selbst dafür kein Know-how und keine Ressourcen aufbauen, sondern kann sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren, üblicherweise also auf die Produktentwicklung und die Sortimentsgestaltung." Urbanke ist Vorsitzender der Geschäftsführung bei dem Unternehmen Hermes Fulfilment, das im Jahr rund 50 Millionen zurückgegebene Teile bearbeitet.
Gerade bei der Retouren-Aufbereitung dürften viele Händler an ihre Grenzen stoßen. Denn hier sind je nach Sortiment aufwendige Prozesse oder auch speziell ausgebildete Mitarbeiter nötig. So gibt es beispielsweise sogenannte Refurbishment-Spezialisten, welche die Beseitigung von Schäden und Gebrauchsspuren übernehmen.
Die Menge der Retouren ist entscheidend

Peter Buse, Geschäftsführer im Bereich Arvato SCM Solutions: "Der Dienstleister sollte industriespezifische Retourenprozesse kennen"
www.scm.arvato.de
Die Firma Komsa bereitet retournierte Mobiltelefone auf. Nach einem Funktionstest sowie einer Datenlöschung wird die neueste Herstellersoftware aufgespielt. Defekte Geräte werden - so weit möglich - repariert. Mit einer neuen Verpackung und Etikettierung ausgestattet können die Artikel dann über B-Waren-Kanäle vertrieben werden. Ein weiteres Entscheidungskriterium für oder gegen Outsourcing ist die Menge der Retouren.
"Die Auslagerung macht vor allem dann Sinn, wenn die Anzahl der Retouren den Aufbau einer eigenen Infrastruktur für das Retouren-Management nicht rechtfertigt oder wenn nicht genügend Know-how für Retouren-Logistik im eigenen Haus vorhanden ist", erklärt Carsten Klenner, Experte für E-Commerce-Strategie und Fulfillment bei der Beratungsfirma DMC Commerce Consultants.
Nicht alle sind dieser Ansicht. Während Klenner eine Auslagerung schon bei einer überschaubaren Anzahl von Retouren empfiehlt, rät Peter Buse, Geschäftsführer im Bereich Arvato SCM Solutions, bei hohen Stückzahlen zu einem externen Retouren-Dienstleister.
"Bei Retouren-Quoten von 25 Prozent oder mehr stellen Retouren in der Regel einen signifikanten Kostenblock für den Online-Händler dar", so Buse. Aufgrund von Bündelungseffekten könnten externe Retouren-Dienstleister diese Kosten durch den Einsatz von Automatisierung in der Retouren-Logistik reduzieren.
Geschultes Personal essentiell für gute Retouren-Dienstleister
Outsourcing hat also Vor- und Nachteile: Händler, die ihre Retouren-Abwicklung auslagern, müssen keine hohen Anfangsinvestitionen tätigen, können später aber auch nicht von einer Kostendegression profitieren. Ein weiterer Nachteil sei die Abhängigkeit vom Retouren-Dienstleister, so der E-Commerce-Berater Klenner.
Ist die Entscheidung zugunsten einer Auslagerung des Retouren-Handlings gefallen, muss der richtige Retouren-Dienstleister gefunden werden.
Klenner empfiehlt darauf zu achten, dass der Partner Erfahrungen mit dem eigenen Sortiment sowie gut geschultes Personal in der Annahme der Retouren vorweisen kann. Für retourengeplagte Mode-Shops sei es zum Beispiel wichtig, dass Sonderdienstleistungen wie Bügeln und Reinigen angeboten werden. Arvato-Mann Buse: "Der Retouren-Dienstleister sollte industriespezifische Retourenprozesse kennen, wie beispielsweise die Wiederaufbereitung von Premiumbekleidung in der Fashion-Industrie."
Wichtig: Zügige Abwicklung der Retouren

Dieter Urbanke, Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Hermes Fulfilment GmbH: "Das A und O schneller Retourendurchläufe ist Prozess-Effizienz"
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Ein weiterer Aspekt ist die Geschwindigkeit, mit der ein Retouren-Dienstleister die Rückläufer bearbeitet. Schließlich soll die Ware umgehend wieder in den Verkauf. Eine schnelle Abwicklung - verbunden mit einer zügigen Gutschrift des Kaufbetrags - steigert die Kundenzufriedenheit. Klenner: "Gute Retouren-Dienstleister sorgen dafür, dass retournierte Ware am gleichen Tag vereinnahmt und wieder im Shop verfügbar ist" - das setzt jedoch voraus, dass sich die Versandlogistik am gleichen Ort befindet und die Ware nicht aufbereitet werden muss.
Bei Hermes Fulfilment zum Beispiel beträgt die Durchlaufzeit von Textil-Retouren im Betrieb circa eine Stunde. Für Geschwindigkeit bei der Abwicklung sorgt vor allem ein hoher Automatisierungsgrad: "Das A und O schneller Retouren-Durchläufe ist Prozesseffizienz. Nur mit einer weitgehenden Automatisierung des gesamten Prozesses und einem optimalen Einsatz gut geschulter Mitarbeiter lassen sich schnellstmögliche Arbeitsabläufe und damit eine Verkürzung der Durchlaufzeiten bei hoher Qualität sicherstellen“, betont Urbanke von Hermes.
Automatische Sprach- und Bilderkennungssysteme sowie Sortierroboter unterstützen das Personal bei der Arbeit. So können zum Beispiel die vom Kunden angegebenen Retouren-Gründe automatisch ausgelesen werden.
Preis der Retouren ist volumenabhängig

Carsten Klenner, Manager bei DMC Commerce Consultants: "Gute Dienstleister sorgen dafür, dass retournierte Ware am gleichen Tag vereinnahmt und wieder im Shop verfügbar ist"
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Das Pricing hängt vom Sortiment und vom Auftragsvolumen ab. E-Commerce-Berater Klenner nennt als Anhaltspunkt einen Preis von einem Euro pro Retouren-Sendung und zusätzlich 50 Cent pro Einzelteil. Hinzu kommen Kosten für die Funktionsprüfung und die Wiederaufbereitung. Der Preis für den Rückversand hängt unter anderem davon ab, in welchem Land die Retouren aufgegeben wurden und ob der Kunde sie selbst in einen Paket-Shop gebracht hat.
Der Rückgabeprozess sollte im Interesse der Kunden so einfach wie möglich gestaltet werden. Manche Retouren-Dienstleister wie etwa Arvato bieten Kombi-Retouren-Label für verschiedene Transportdienstleister und Annahmestellen an. Der Kunde kann sich dann aussuchen, ob er sein Retouren-Paket bei DHL oder Hermes aufgibt.
Was die Vertragslaufzeit betrifft sind im Fulfillment längerfristige Verträge die Norm - bei Hermes etwa sind laut Urbanke "mindestens drei Jahre" üblich.