
Kommt der Paketbote, ist oft niemand zu Hause. Ein Gegenmittel: Packstationen und Paketkasten-Anlagen, denn sie stehen jederzeit zu Diensten und entlasten die Zusteller. Doch nicht jedes System ist offen für alle.
Wer berufstätig ist und viel online bestellt, hat die Wahl zwischen Pest und Cholera: Er kann sich die Ware nach Hause schicken lassen und darauf hoffen, dass ein hilfsbereiter Nachbar sie annimmt. Hat er aber Pech, ist bei den Nachbarn auch niemand zu Hause und die Sendung landet in einer Postfiliale, die um 9.00 Uhr öffnet und um 17.30 Uhr wieder schließt. Auch Paket-Shops, oft kleine Schreibwarenläden, haben in der Regel nur tagsüber geöffnet. Oder der Kunde lässt sich seine Bestellung an den Arbeitsplatz liefern. Nicht jeder Arbeitgeber sieht es jedoch gern, wenn sich am Empfang die privaten Pakete der Mitarbeiter stapeln.
Paketkästen oder Packstationen dagegen sind rund um die Uhr verfügbar. Das ist nicht nur für die Empfänger von Vorteil. Auch die Paketdienste sparen Zeit und Kosten, wenn der Zusteller nicht vergeblich klingeln muss. Neben öffentlich zugänglichen Paketautomaten wie den Packstationen von DHL und den Locker von Amazon gibt es auch Anlagen für Mehrfamilienhäuser und Unternehmen sowie Paketkästen für Privathaushalte.
DHL stockt Kapazitäten der Packstationen auf
Rund 3.400 Packstationen hat DHL inzwischen in den Städten und Gemeinden der Republik aufgestellt. "Allein im Großraum Berlin haben wir in den letzten anderthalb Jahren über 150 neue Packstationen aufgebaut und die Fächerkapazität mit heute circa 40.000 Fächern nahezu verdoppelt", sagt Ramin Benz, Vice President Consumers bei DHL Paket. Doch es reicht immer noch nicht. Im Vorfeld des letzten Weihnachtsgeschäfts hatten die Packstationen in Berlin mit Kapazitätsproblemen zu kämpfen und DHL riet den Kunden, auf Paket-Shops auszuweichen oder ihre Sendungen noch am Einlegetag abzuholen.
Deshalb plant DHL, das Automatennetzwerk weiter auszubauen. Wegen der Platznot in den Städten sollen in Zukunft auch kompaktere Anlagen eingesetzt werden. Benz: "Schon jetzt planen wir mit weiteren Packstationen in deutschen Ballungsräumen und Gebieten mit hoher Kundennachfrage." Mehrere Hundert neue Packstationen sollen bis Ende 2018 hinzukommen. Was die Standorte der gelben Anlagen betrifft, kooperiert der Paketdienst mit Tankstellen, Discountern und Supermärkten wie Rewe.
Amazon Locker noch nicht weit verbreitet
Amazon verfolgt eine ähnliche Strategie mit seinem Paketkasten Amazon Locker. Die Automaten haben keine Nummern wie bei DHL, sondern tragen Namen wie etwa "Jana" oder "Betty". Sie stehen zum Beispiel auf Aldi-Parkplätzen oder bei Shell-Tankstellen. Die im September 2017 offiziell eingeführten Automaten sind auch in ausgewählten Geschäften des Telefon-Anbieters O2 oder in Berliner Spätkauf-Läden zu finden.
Im Vergleich zu den DHL-Packstationen ist Amazons Netz noch recht grobmaschig: Ungefähr 180 Amazon Locker befinden sich an Standorten in Berlin, München, Augsburg, Hamburg sowie in Städten in Nordrhein-Westfalen. Ob der E-Commerce-Riese sein Locker-Netz ebenfalls ausbauen will? "Ankündigungen zu einer Ausweitung des Locker-Netzes in Deutschland hat Amazon nicht gemacht", so die Deutschlandzentrale auf Nachfrage.
Abholung binnen 3 bis 9 Tagen
Damit sich ein Online-Kunde seine Bestellung an eine DHL-Packstation liefern lassen kann, muss er bei DHL Paket registriert sein. Ist die Packstation allerdings voll oder das Fach für das Paket zu klein, kann es passieren, dass die Sendung doch in einer Postfiliale landet. Pakete und Retouren können auch ohne Registrierung verschickt werden. DHL arbeitet zudem an der Optimierung der Packstationen. So sollen beispielsweise bis Ende des Jahres per Smartphone gekaufte Paketmarken an der Packstation ausgedruckt werden können.
Wer bei Amazon bestellt, kann im Checkout einen Locker als Lieferanschrift auswählen. Um das Fach zu öffnen, bekommt er von Amazon einen Abholcode per E-Mail zugeschickt. Retouren nehmen die grauen Paketautomaten von Amazon nicht entgegen. Drei Tage haben Amazon-Kunden Zeit, ihre Sendungen abzuholen. Bei DHL sind es neun Tage und das soll laut DHL-Mann Ramin Benz auch so bleiben - trotz der begrenzten Kapazitäten.
Anlagen für Mitarbeiter und Mieter
Neben den öffentlich zugänglichen Anlagen unterhält DHL auch sogenannte "Inhouse-Packstationen" für Mitarbeiter in Großunternehmen wie zum Beispiel BASF, Siemens oder Volkswagen. So muss sich die Poststelle nicht um die Privatpakete der Angestellten kümmern.
Auch Kooperationen mit Wohnbaugesellschaften werden für den Paketdienst immer wichtiger. Im Sommer 2016 starteten die Wohnbaugesellschaft Vonovia und DHL ein Pilotprojekt mit 50 Paketkästen in einer Wohnanlage in Berlin. Nach der erfolgreichen Pilotphase hat Vonovia damit begonnen, weitere Gebäude mit den Paketkastenanlagen auszustatten. "Derzeit stehen mehrere Hundert Anlagen für unsere Mieter in Berlin zur Verfügung - und es werden sukzessive mehr", so Jana Kaminski, Sprecherin von Vonovia. Die Mieter seien sehr zufrieden mit den Anlagen. Aktuell hat nur DHL Zugang zu den Anlagen. "Perspektivisch würden wir es selbstverständlich begrüßen, für die zunehmende Zahl von Zustelldienstleistern eine parallele Lösung anbieten zu können", sagt Kaminski.
Anbieterneutrale Lösungen für alle Paketlieferanten
Der Amazon Locker, die DHL-Packstation oder auch der DHL-Paketkasten für Privathaushalte sind auf einen Anbieter beschränkt. Es können nur Sendungen von Amazon beziehungsweise DHL empfangen oder aufgegeben werden. Parcellock hingegen, ein Joint Venture der drei Versanddienstleister Hermes, GLS und DPD, hat ein Anbieter-übergreifendes elektronisches Schließsystem für Paketkästen entwickelt.
Paketkästen mit dem sogenannten Parcellock-System kommen in Einfamilienhäusern oder als Paketkastenanlage in Mehrfamilienhäusern zum Einsatz und sind derzeit von verschiedenen Herstellern erhältlich. Die Kooperationspartner Hermes, GLS und DPD sind automatisch an das System angeschlossen. DHL oder andere Lieferdienste, etwa von Apotheken, können bei Bedarf gesondert dazugebucht werden.
Parcellock ohne DHL
Bei Parcellock einsteigen will DHL nicht, so Manager Benz: "Für DHL sind Qualität, optimierte Prozesse und Sicherheit wichtige Grundsätze. Bezüglich Parcellock ist es so, dass wir bis dato noch gar nicht die Möglichkeit hatten, die Parcellock-Lösung auf die für uns relevanten Kriterien bezüglich Qualität und Sicherheit zu prüfen. Aus diesem Grund haben wir uns bislang auch dagegen entschieden, das System zu unterstützen." Gunnar Anger, Geschäftsführer von Parcellock, kennt diese Antwort von DHL bereits und widerspricht. "Es ist keinesfalls so, dass DHL keine Möglichkeit hatte, Parcellock zu testen."
Für Privathaushalte bieten zahlreiche weitere Hersteller Paketkästen mit mechanischen Schließmechanismen an, die von verschiedenen Paketdiensten genutzt werden können. Nachdem der Zusteller das Paket eingelegt hat, wird die Tür verriegelt und kann nur noch vom Empfänger geöffnet werden. Häufiger Nachteil: Viele solcher Boxen können nur jeweils ein Paket aufnehmen. Andere Hersteller, wie etwa Heibi, arbeiten mit einer speziellen Fallklappe, über die das Paket nach unten ins Innere der Box rutscht. So können mehrere Pakete nacheinander zugestellt werden - auch von verschiedenen Paketdiensten.