
Tracking iOS-Update: Diese Maßnahmen sollten E-Mail-Marketer jetzt ergreifen
Im Juni hat Apple im Rahmen seines iOS-Updates neue Datenschutzbestimmungen eingeführt. Viele sind jetzt verunsichert, weil damit das Tracking von E-Mail-Öffnungen unterbunden wird. Sebastian Pieper, Head of Marketing bei Artegic, beschreibt, was künftig wichtig wird.
Wenn man wissen will, welche Auswirkungen das iOS 15 Update auf das E-Mail Marketing haben wird und welche Maßnahmen man bereits jetzt ergreifen kann, um negative Konsequenzen für sein E-Mail Marketing zu minimieren oder sogar ins Positive zu verkehren, sollte man sich zuerst zwei Fragen stellen:
1. Was genau ändert sich technisch?
2. Wie viele E-Mail Empfänger sind davon überhaupt betroffen?
Zu Frage 1: Das Tracking von Öffnungen erfolgt aktuell über sogenannte Zählpixel, unsichtbare Bilder, die in E-Mails eingebunden werden. Senden Sie einem Empfänger eine E-Mail über eine professionelle E-Mail-Marketing-Lösung, werden die Bilder in dieser Mail (inkl. Zählpixel) bei Öffnung der Mail durch den Empfänger von Ihrem Server nachgeladen. So können Sie die Öffnung erkennen, zumindest solange der Empfänger das Nachladen von Bildern nicht unterdrückt.
Beim Versand an einen Apple Mail Client unter iOS 15 werden die Medieninhalte der E-Mail (also auch der Zählpixel) auf einen Proxy-Server bei Apple zwischengespeichert. Jeder Abruf durch den Apple Proxy wird so als Öffnung gezählt. Öffnet der Empfänger danach die E-Mail, werden die Medieninhalte vom Server bei Apple abgerufen. Ihre E-Mail-Marketing-Technologie kann nur noch den Abruf durch den Apple Proxy tracken, der natürlich bei 100 Prozent liegt. Dies verfälscht nicht nur Ihre Öffnungsraten beim KPI Reporting, sondern auch alle Ihre Maßnahmen, die auf dem Tracking von Öffnungsraten basieren, z.B. Versandzeitoptimierung, Betreffzeilen-Testing oder Reaktivierung von Nicht-Öffnern. Dazu später mehr.
Zu Frage 2: Der Anteil an iOS-Nutzern in E-Mail-Marketing-Verteilern beträgt im Durchschnitt etwa 32 Prozent, kann jedoch von Branche zu Branche oder von Unternehmen zu Unternehmen stark variieren. Die Schwankungen reichen von 25 bis 50 Prozent. Von diesen iOS-Nutzern verwenden ca. 77 Prozent den Apple Mail Client. Andere Clients auf Apple-Endgeräten sind nicht betroffen. Manche E-Mail-Marketing-Technologien erlauben es, den Anteil an Nutzern unterschiedlicher Clients und Endgeräte unter den eigenen Empfängern zu ermitteln. Doch selbst, wenn Sie nur sehr wenige iOS-Apple-Mail-Nutzer in Ihrem Verteiler haben, sollten Sie sich nicht zu sicher fühlen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass andere Client-Anbieter dem Beispiel Apples folgen werden.
Auswirkungen und Handlungsempfehlungen
Tracking und KPI: Aktuell spiegeln Öffnungsraten reale Öffnungen (bei geladenen Bildern) wider und sind ein wichtiger KPI zur Beurteilung des Erfolgs von E-Mail-Kampagnen. Nach dem iOS 15 Update werden die getrackten Öffnungsraten verfälscht. Sie sind entweder höher, da alle an iOS-15-Apple-Mail-Nutzer versendeten Mails als Öffnungen gezählt werden. Oder sie sind niedriger, falls Sie technisch in der Lage sind, die Apple Proxy Zugriffe zu erkennen und herauszufiltern. Klickraten und andere KPI, die im Funnel nach der Öffnung kommen, sind nicht beeinträchtigt. Fokussieren Sie sich deshalb in Ihrem Reporting verstärkt auf diese KPI, insb. Klicks, Conversion und betriebswirtschaftliche Kennzahlen wie Umsatz pro Empfänger. Am Ende des Tages verdienen Sie kein Geld mit Öffnungen, sondern mit Euros. Wenn Sie trotzdem halbwegs realistische Öffnungsraten erfassen möchten, können Sie diese (nach Filterung der Apple-Proxy-Öffnungen) aus den verbleibenden Öffnungen und den Klicks hochrechnen.
Testing und Optimierung: Die Öffnungsrate ist aktuell der wesentliche KPI zur Betreffzeilenoptimierung durch Testing. Mehrere E-Mails mit unterschiedlichen Betreffzeilen werden an Testgruppen versendet und die beste Betreffzeile anhand der höchsten Öffnungsrate ermittelt. Mit dem iOS 15 Update werden die Ergebnisse solcher Tests verfälscht, wodurch möglicherweise die "falsche" Betreffzeile gewinnt. Um weiterhin aussagekräftige Ergebnisse erhalten zu können, müssen Sie deshalb die Anzahl der Testempfänger pro Betreffzeile erhöhen.

Sebastian Pieper, Head of Marketing bei der Artegic AG
Artegic
Marketing Automation: Öffnungen sind ein beliebter Trigger für zahlreiche Marketing Automation Use Cases. So können beispielsweise Empfänger, die eine E-Mail nicht öffnen, die Mail nochmal mit einer anderen Betreffzeile erhalten oder in einem anderen Kanal (z.B. SMS oder Print) kontaktiert werden. Auch Follow-Ups nach einer Öffnung sind beliebt. An Öffnungen gekoppelte Trigger werden künftig für Apple Mail auf iOS-15-Nutzer immer bzw. gar nicht mehr ausgelöst. Diese Empfänger laufen in Ihren Kampagnen falsche Abzweigungen entlang und erhalten ggf. Mails mit unpassenden Inhalten oder bekommen falsche Datenfelder gesetzt. Um dem entgegenzuwirken, bauen Sie Ihre Marketing-Automation-Kampagnen um. Koppeln Sie Trigger an andere Reaktionen als die Öffnung. Falls Sie einen hohen Anteil an iOS 15-Nutzern haben, erstellen Sie ggf. eigene Automations oder eigene Automation-Abzweigungen nur für diese Nutzer. Eine weitere Empfehlung: Nutzen Sie interaktive Inhalte in Ihren E-Mails, z.B. Slider, Content Expander, Micro-Shops oder In-Mail Formulare. So steigern Sie das Engagement mit Ihren Mailinhalten und können dieses tracken, ohne dass der Empfänger die E-Mail über einen Klick auf einen Link verlassen muss.
Scoring: Mit manchen E-Mail-Marketing-Technologien können Sie Empfängern Scoring-Werte zuweisen, z.B. Öffnung = 10 Punkte, Klick = 20 Punkte, etc. Solche Scoring-Werte werden für Apple Mail auf iOS 15-Nutzer verfälscht. Damit sind diese Nutzer nicht mehr mit den Nutzern anderer Clients vergleichbar und auch Trigger, die auf den Scorings basieren, werden falsch ausgelöst. Nehmen Sie die Öffnungen ggf. aus der Berechnung Ihrer Scoring-Werte heraus, erhöhen Sie die Werte anderer Reaktionen und passen Sie bei Scoring-basierten Triggern die Schwellwerte an. Evtl. können Sie Ihre Empfänger auch in zwei Kategorien mit jeweils unterschiedlichen Scoring-Mechaniken einteilen.
Versandzeitoptimierung: Bei der Versandzeitoptimierung wird der durchschnittliche Öffnungszeitpunkt zur Ermittlung der optimalen Versandzeit genutzt, sowohl für einzelne Empfänger als auch für ganze Verteiler. Die optimale Versandzeit für eine Apple Mail unter iOS 15-Nutzern ist künftig nicht mehr über den Öffnungszeitpunkt zu ermitteln. Für den Gesamtverteiler wird sie verfälscht. Prüfen Sie, ob ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Öffnungs- und Klickzeitpunkt besteht, z.B. ein Klick innerhalb von zwei Minuten nach Öffnung. Falls ja, ermitteln Sie die optimale Versandzeit über den Klickzeitpunkt.
Dynamische Inhalte: Inhalte von E-Mails können zum Zeitpunkt der Öffnung dynamisch ausgespielt werden. So ist es z.B. möglich, Live-Inhalte wie Countdowns, Lagerbestände, individuelle Preise oder zum Standort passende Angebote auszuspielen. Dies funktioniert für Apple Mail unter iOS 15-Nutzern nicht mehr. Diese Nutzer erhalten immer die Inhalte, die zum Zeitpunkt des Abrufs durch den Apple-Proxy aktuell waren. Richten Sie daher für Proxy-Abrufe generische Fallbacks ein, die unabhängig vom aktuellen Kontext und ohne Echtzeitaktualität funktionieren.
Fazit: Marketer müssen sich auf wichtigere KPIs konzentrieren
Die Ankündigung von Apple hat für viel Aufregung unter E-Mail-Marketern gesorgt, vor allem da das E-Mail-Marketing lange Zeit vor den Eingriffen großer Marktplayer sowie signifikanter regulatorischer Änderungen sicher erschien. Die Anpassungen unter iOS 15 sind jedoch kein Beinbruch für E-Mail-Marketer. Sie können sogar eine Chance sein, wenn E-Mail Marketer sich auf wichtigere KPI konzentrieren, ihre Maßnahmen stärker nach genutzten Clients differenzieren und mit innovativen Lösungen wie interaktiven Inhalten in E-Mails experimentieren. Auch die Anbieter von E-Mail-Marketing-Technologien sind gefragt, um Funktionen wie die automatische Filterung von Apple Mail unter iOS 15-Nutzern oder das Hochrechnen von Öffnungsraten als Standard in Ihren Lösungen anzubieten und E-Mail-Marketern so die Arbeit zu erleichtern.