
Analyse Miss Pompadour führt Versandkosten ein: Sollen HändlerInnen das nachmachen?
Mit Miss Pompadour führt ein weiterer bekannter Onlineshop Versandkosten ein, ohne Ausweichmöglichkeiten über einen Mindestbestellwert anzubieten. Es wird langsam salonfähig, Versandkosten zu berechnen. Details zur Entscheidung und ein Überblick über die Markttendenzen.
Erik Reintjes, der Geschäftsführer von Miss Pompadour, hat auf LinkedIn bekannt gegeben, dass das Unternehmen wieder volle Versandkosten von seinen KundInnen verlangen wird. Die Kosten betragen jetzt 4,90 Euro pro Bestellung. In den letzten 1,5 Jahren gab es einen kostenlosen Versand ab einer Bestellung von 70 Euro. 2022 fielen bei Miss Pompadour für Bestellungen unterhalb einer Freigrenze von 60 Euro noch 3,90 Euro an.
In Frankreich und Holland hält Miss Pompadour zur Markteinführung noch an versandkostenfreiem Versand ab 120 beziehungsweise ab 100 Euro fest, um Umsätze und KundInnen zu generieren. Im DACH-Kernmarkt scheint das nicht mehr nötig zu sein.
Der Clou an der Business-Entscheidung: Laut Reintjes hat sich an den maßgeblichen Kennzahlen nichts verändert. Die Konversionsrate ist erhalten geblieben, die Umsätze und die Warenkorbhöhe ebenfalls.
Der Fall zeigt, dass es sinnvoll sein kann, Versandkosten einzuführen und auch auf Freigrenzen zu verzichten. Allerdings stellt sich die Frage, wie übertragbar das Ergebnis dieser Entscheidung ist.
Wer Miss Pompadour nicht kennt: Das ist ein junges E-Commerce-Unternehmen, das sich auf die Umgestaltung von Wohnungen spezialisiert hat. Mit einer sehr individuellen, hauseigenen Farb-Kollektion mit über 90 Farbtönen und insgesamt über 400 Farbtönen im Angebot unterstützt das Unternehmen KundInnen bei der Verschönerung ihres Zuhauses. Zusätzlich werden auch hochwertige Farben anderer europäischer Hersteller angeboten.
Miss Pompadour ist also in der glücklichen Lage, mit exklusiven Produkten über ein sehr wertvolles Alleinstellungsmerkmal zu verfügen - optimale Voraussetzungen, um nicht unter Zugzwang durch versandkostenfreie MitbewerberInnen zu geraten.
Trotzdem zeigt das Beispiel von Miss Pompadour, dass es sich für HändlerInnen lohnen kann, die eigene Versandkostenstruktur auf den Prüfstand zu stellen. Dabei hilft unser nachfolgender Überblick über die allgemeine Marktsituation.
Marktübersicht: Wie Deutschlands OnlinehändlerInnen Versandkosten berechnen
Miss Pompadour ist nicht allein, beispielsweise Otto.de, die Nummer zwei in Deutschland hinter Amazon, berechnet für den Paketversand generell 2,95 Euro. Otto hat allerdings ein Hintertürchen: Wenn KundInnen ein Abo namens Up+ kaufen, zahlen sie ein Jahr lang keine Versandkosten mehr. Das zeigt aber auch schon die Richtung der allgemeinen Markttendenz auf: Es verschenkt zwar niemand mehr den Versand, aber kompromisslose Versandkosten berechnen die wenigsten HändlerInnen.
Die Regel ist eigentlich ein Mindestbestellwert, der dann versandkostenfreie Pakete verspricht.
Der Paketdienstleister Parcellab hat Mitte 2022 und Anfang 2023 in einem Whitepaper die Ergebnisse einer Erhebung zusammengefasst, die den Trend abbildet: Verschickten vor dem Angriff von Russland auf die Ukraine noch 33 der Top-100-Händler ohne Bedingungen kostenlos, reduzierte sich die Zahl bis Juli 2022 auf 12.
Im ersten Quartal 2023 hat Parcellab dann einen Vergleich zwischen alteingesessenen Marken und jungen D2C-Brands gemacht und festgestellt, dass dort nur noch 10 Prozent kompromisslosen Gratisversand bieten, und nur noch 22 Prozent der alteingesessenen Marken.
Eine kompromisslose Versandkostenberechnung stellte Parcellab bei 10 Prozent der jungen D2C-Brands und bei 20 Prozent der alteingesessenen Marken fest. Die meisten Brands verlangen lediglich einen Mindestbestellwert.
Der Versandkosten-Standard im DACH-Raum
- Ein Mindestbestellwert ist Standard: Die Mehrheit der Brands bietet einen versandkostenfreien Versand ab Erreichen eines Mindestbestellwerts an.
- Mindestbestellwert zwischen 30 und 50 Euro: Die Mehrheit der Brands, die einen Mindestbestellwert als Freigrenze einsetzen, setzen die Grenze zwischen 30 und 50 Euro.
- 3-5 Euro Versandkosten: Die Mehrheit der Brands, die Versandkosten berechnen, setzt zwischen drei und fünf Euro an
- Nur 22 Prozent berechnen generell Versandkosten
(Quelle: Whitepaper Post Purchase Experience Management. Eine Analyse der Post-Purchase-Kommunikation von jeweils 50 namhaften D2C- und Corporate Brands. parcelLab 2023.)
Sollen HändlerInnen Versandkosten berechnen?
Die Frage, ob Versandkosten generell berechnet werden oder wie hoch die Versandkosten sein sollten, müssen OnlinehändlerInnen vom Wettbewerbsumfeld abhängig machen.
Ein wirtschaftlich kalkulierter Mindestbestellwert als Freigrenze dürfte für die meisten HändlerInnen die Vernunftentscheidung sein.
Generell Versandkosten zu berechnen, ist immer noch ein mutiger Schritt, der voraussetzt, dass Alleinstellungsmerkmale vorhanden sind und die HändlerInnen über eine etablierte Marktpräsenz verfügen.