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Christian Freese

Ride-Sharing-Dienste Uber Deutschland-Chef: "Die Stimmungsmacher gegen uns sind oft die Taxi-Funkzentralen"

Uber Deutschland-Chef Christian Freese

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Uber Deutschland-Chef Christian Freese

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Der umstrittene Fahrdienst Uber ist in Deutschland nur noch in zwei Städten präsent. Nach einer Umstrukturierung will das Start-up jetzt wieder angreifen - aber der Gesetzgeber muss mitspielen.

In Deutschland ist es seit einiger Zeit still geworden um das aktuell wertvollste und umstrittenste Start-up der Welt: Uber. Der Fahrdienst, dessen internationale Bewertung inzwischen auf sagenhafte 62,5 Milliarden US-Dollar gestiegen ist, hat sich im letzten Jahr an den harschen deutschen Gesetzen zur Personenbeförderung die Zähne ausgebissen und das Geschäftsmodell umgestellt.

Geschlagen gibt sich Uber aber hierzulande noch nicht. Das Unternehmen hat vor Gericht Berufung gegen den Verbot seines Mitfahrdiensts UberPop eingelegt - die Verhandlung darüber soll im Juni stattfinden. Außerdem will das Unternehmen seinen Carpooling-Service UberPool nach Deutschland bringen, berichtet Uber Deutschland-Chef Christian Freese.

Herr Freese, wie geht es Uber in Deutschland heute?
Christian Freese:
Ich denke, wir stehen gut da. Ich bin für 2016 recht optimistisch. Wir haben eine Zeit der Veränderungen hinter uns und haben uns im letzten Jahr neu aufgestellt. Jetzt setzen wir auf die Vermittlung professioneller Fahrdienstleister, sogenannter Mietwagen-Unternehmen, mit Fahrern mit Personenbeförderungsschein. Da sind wir in der Zwischenbilanz auch sehr zufrieden. Unser Ziel ist es, die Mobilität in Deutschland kostengünstig weiterzuentwickeln, das funktioniert mit Uber-X sehr gut, auch für unsere Partner, da wir neue Kundengruppen erschließen für Unternehmen, die sonst von ihren Kunden nur über die Gelben Seiten aufgefunden werden können und oft nur für eine kleine Stammkundschaft fahren.

Letztes Jahr standen Sie massiv unter Druck: Die Taxivertretungen klagten gegen Sie, Ihr Mitfahrdienst UberPop wurde in Deutschland verboten, weil er gegen das geltende Personenbeförderungsgesetz verstieß. Haben Sie diese Debatten hinter sich gelassen?
Freese:
Letztes Jahr wurden viele Randthemen diskutiert, wie beispielsweise die Versicherung der Fahrer. Damals waren wir auch nicht besonders geschickt darin, unseren Service zu erklären, denn eine Versicherung war immer vorhanden. Jetzt haben wir das Gefühl, dass sich die Diskussion weitergedreht hat. Jetzt geht es eher darum, was Uber zur dynamischen Mobilität beitragen kann. Diese Diskussionen führen wir mit Vertretern der Politik, aber auch mit der Wissenschaft, und selbst mit den Taxiunternehmen.

In Berlin vermitteln Sie mittlerweile auch reguläre Taxen, ähnlich wie MyTaxi das tut.
Freese.
Richtig, dort bieten über 1.000 Taxifahrer ihre Fahrten über unsere App an. Wir vermitteln ihnen Geschäft, und sie verstehen dadurch besser, was Uber dem Markt bringt, nämlich eine effiziente, technologische Plattform, die Menschen leicht und schnell zu verschiedenen Mobilitätslösungen bringt. Es gibt natürlich weiterhin auch die hartgesottenen Ewiggestrigen, die wir wohl nie auf unsere Seite bringen werden, weil sie sich einfach nicht mit den Vorteilen der Technologie beschäftigen wollen - vielleicht auch getrieben durch Partikularinteressen. Wenn man die Interessen des Verbrauchers berücksichtigen will, muss man sich meines Erachtens ernsthaft mit Dienste wie Uber beschäftigen. Aber die Fronten brechen da schon etwas auf.

Dennoch ist die abgespeckte Variante, die Sie mittlerweile in Deutschland anbieten, recht weit entfernt von der ursprünglichen Uber-Idee, nach der ja vor allem Privatleute mit ihren eigenen PKW als Fahrer für Uber fungieren sollten. Besonders innovativ oder disruptiv klingt Ihre neue Ausrichtung nicht mehr - schließlich bieten andere Dienste wie MyTaxi ja den gleichen Service an.
Freese:
Wenn wir von der Nachfrage her denken, dann setzen wir auch nach der Neuausrichtung das um, was uns wichtig ist, nämlich flexible Mobilität für Menschen, die kein eigenes Auto nutzen wollen. Da sind wir unserer Linie also auch weiterhin treu, wenn wir Fahrdienste und Taxifahrer vermitteln. Auf Angebots-/Fahrer-Seite ist natürlich noch viel Spielraum drin zwischen völlig unreguliertem Ridesharing, wo es weltweit aktuell hingeht, und dem aktuell in Deutschland gültigen überregulierten Personenverkehr. Zwischen den beiden Extremen spielen sich unsere Möglichkeiten ab. In den USA beispielsweise gibt es gesetzliche Regeln für echtes Ridesharing, das sogenannte Regulated Ridesharing; dort fahren 50 Prozent unserer Fahrer weniger als zehn Stunden pro Woche. So etwas ist in Deutschland nicht möglich, weil die Überregulierung und hohen Zutrittsbarrieren sich nur lohnen, wenn man den Job Vollzeit betreibt.

Verstehen Sie Uber als Teil einer Grundversorgung für Mobilität, für die klassische Taxis stehen sollen?
Freese:
Sagen wir so: Unser Angebot ist sehr, sehr zuverlässig, sogar zuverlässiger als ein Taxi. In Berlin kommt ein Fahrzeug in zwei, drei Minuten, in München dauert es sechs oder sieben Minuten. Zu jedem Zeitpunkt sind Fahrzeuge verfügbar. Durch unsere dynamische Preisbindung loggen sich mehr Fahrer zu Zeiten ein, in denen es eine höhere Nachfrage gibt. Gerade in solchen Zeiten höherer Nachfrage gibt es andererseits ja oft kein Taxi mehr, beispielsweise wenn eine Bahn an einem Bahnhof in einer Kleinstadt ankommt. Die ersten beiden Fahrgäste bekommen ein Auto, die anderen müssen sich etwas Anderes überlegen. In Großstädten stehen die Taxis dafür stundenlang am Bahnhof und warten, im Durchschnitt wartet ein Taxi 72 Prozent der Schicht auf einen Fahrgast. Die Fahrgäste zahlen also für die Leerzeiten mit.

Dafür zahlen die Fahrgäste bei Ihnen den erhöhten Bedarf mit, dank Ihres dynamischen Preissystems, dem "Price Surging", bei dem die Preise mit der Nachfrage ansteigen...
Freese:
Wir sehen uns nicht als Teil des ÖPNVs, sondern wir ergänzen ihn. Wir sehen, dass sich die typischen Mobilitätssilos - Autofahrer, ÖPNV-Nutzer, Taxi-Nutzer - auflösen, dass die Menschen einen Mobilitätsmix bevorzugen. Wir sind ein Teil dieses Mix. Morgens mit dem eigenen Auto hin und abends auf dem gleichen Weg wieder zurück entspricht nicht den Gewohnheiten unserer Nutzer. Die fahren mit den Öffentlichen hin, nehmen sich mittags ein Leihfahrrad und fahren abends mit Uber zurück.

"Es ist schwierig, genug Angebot für die Nachfrage zu bekommen"

In einem anderen Interview haben Sie kürzlich gesagt 'Wir sind keine direkte Konkurrenz zum Taxi.' Das scheinen die Taxifahrer weltweit aber anders zu sehen. Erst kürzlich kam es beispielsweise in Indonesien und Mexiko bei Taxler-Protesten gegen Uber zu gewalttätigen Ausschreitungen. Wie erklären Sie sich diesen Zorn?
Freese:
Schauen wir dafür einmal in unsere Kernmärkte wie San Francisco. Dort ist der Taximarkt seit dem Markteintritt von Uber weitgehend stabil, vielleicht ein Prozent runtergegangen, aber kaum mehr. Die sichtbare Erkennung des Taxis an Flughäfen oder Bahnhöfen ist weiterhin ein wichtiges Asset - wir bedienen auch dort ganz andere Kundengruppen als die Taxis. Wir sind aber natürlich schon eine Konkurrenz für die Taxizentralen, die Fahrten an die Taxifahrer vermitteln. Und die sind dann auch häufig die Stimmungsmacher gegen uns - aber das ist nun mal ein ganz normaler Wettbewerb, der da zwischen zwei Unternehmen stattfindet. In Deutschland, wo wir ja auch Fahrten an Taxifahrer vermitteln, sehen die Taxi-Unternehmen in unserem Dienst UberX durchaus die Chance, sich ein zweites Standbein aufzubauen. Wir aktivieren eine völlig neue Nutzergruppe, die vorher selten bis nie Taxi gefahren ist. Auch Taxi-Unternehmer interessieren sich für diese neue und zusätzliche Nachfrage.

In Deutschland vermitteln Sie aktuell aber vornehmlich Chauffeur-Fahrten von Mietwagenfirmen, deren Fahrer einen gültigen Personenbeförderungsschein haben, ähnlich wie Ihre Mitbewerber, die Sixt-Tochter MyDriver oder das Daimler-Investment Blacklane. Finden Sie dafür genug Fahrer?
Freese:
Wir waren in Deutschland ursprünglich in fünf Städten unterwegs. In manchen Städten war es tatsächlich sehr schwierig, genug Angebot für unsere Nachfrage zu bekommen. Das Mietwagengeschäft in Deutschland ist so prohibitiv kontrolliert, dass es diesen Markt fast nicht gibt - in Düsseldorf gibt es vielleicht 30 Fahrdienstleister, das ist einfach zu wenig, um ein flächendeckendes Angebot zu bekommen. Wir versuchen deshalb, Menschen dazu zu bewegen, sich selbstständig zu machen als Fahrdienstleister, die dann für uns fahren, aber da sind die Auflagen so hoch, dass die Zulassungen Monate dauern können und von den Behörden besonders scharf kontrolliert werden. Deshalb konzentrieren wir uns aktuell auf die Städte, in denen es genug Angebot gibt, und suchen parallel nach Möglichkeiten, Fahrern bei der Zulassung zu helfen.

Das ist das Ziel für den deutschen Markt? Der Aufbau eines breiteren Mietwagen-/ Chauffeurmarkts?
Freese:
Mittelfristig, ja. Langfristig liegt das Ziel aber darin, in allen Städten UberPOOL zu starten, dass mehrere Fahrten in einem Auto poolt, das heißt mehrere Menschen, die in dieselbe Richtung möchten, teilen sich spontan ein Fahrzeug mit Fahrer. Wichtig für so einen Service ist, dass er live on demand innerhalb von wenigen Sekunden funktioniert - aber dafür brauchen wir einen liquiden Markt mit einem entsprechend hohen Durchlauf. In San Francicso laufen etwa 50 Prozent der Fahrten über UberPOOL. Hier wird sehr schön deutlich, wie Technologie die Situation aller verbessern kann: Die Fahrgäste teilen sich den Fahrpreis, die Fahrer haben immer mindestens einen zahlenden Fahrgast im Auto sitzen und verdienen mehr, und die Verkehrs- und Parkplatzsituation in Städten wird entlastet.

Das klingt, als wäre neuer Ärger mit den deutschen Behörden vorprogrammiert...
Freese:
In Deutschland hängt die Einführung von UberPOOL sicherlich nicht nur von der Größe des Markts, sondern auch von der Zusammenarbeit mit den Behörden ab.

Von BMW hat man kürzlich gehört, man könne sich dort vorstellen, DriveNow zum Ridesharing-Service aufzubohren. Macht Sie das nervös?
Freese:
Nein, das stimmt mich eher freudig. Deutschland sollte als Land der Mobilität eine führende Rolle bei diesem Thema einnehmen. Das funktioniert ja in Sachen Carsharing schon sehr gut, im Bereich Ridesharing eben noch nicht. BMW bestätigt mich darin, dass wir hier ein Thema vorantreiben, das auch andere interessant finden. Dabei wollen wir gar nicht unbedingt das Rad neuerfinden. Wir sind nur der Meinung, dass das Personenbeförderungsgesetz nur punktuell verändert werden sollte, zum Beispiel sind die Ortskenntnisprüfung oder die Rückkehrpflicht heute nicht mehr zeitgemäß. Würde sich hier ein Bewusstsein für nötige Veränderungen durchsetzen - und das sehen nicht mehr nur wir so - wäre für die Zukunft der Mobilität in Deutschland schon viel gewonnen.

Wo Uber und seine zahlreichen, ebenfalls sehr finanzstarken Konkurrenten weltweit stehen, lesen Sie im großen Titel-Schwerpunkt zum Thema "Ridesharing und die Disruption der Mobilität" in der aktuellen Print-Ausgabe 08/2016 von INTERNET WORLD Business.

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