
Wettbewerbsverstöße Persönliche Haftung des Geschäftsführers
Es ist keine Seltenheit, dass sich Unternehmen wegen Wettbewerbsverstößen gegenseitig abmahnen. Der BGH hat nun klargestellt, wann Konkurrenten auch den Geschäftsführer in Anspruch nehmen können.
Rebekka Stumpfrock
Dass sich Unternehmen wegen Wettbewerbsverstößen gegenseitig abmahnen, ist an der Tagesordnung. Manche Werbemaßnahmen oder sonstige geschäftliche Handlungen sind eben nicht mit dem Lauterkeitsrecht vereinbar. Aber wann können Konkurrenten nicht nur das Unternehmen, sondern auch dessen Geschäftsführer oder Vorstand persönlich wegen Wettbewerbsverstößen in Anspruch nehmen? Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun klargestellt.
Der Entscheidung (Urteil vom 18.06.2014, Az. I ZR 242/12) lag folgender Sachverhalt zugrunde. Die Klägerin, ein Gasversorgungsunternehmen, nahm ein Unternehmen, das Vertriebspartner eines Konkurrenten war, in Anspruch. Das beklagte Unternehmen vertrieb im Auftrag des Konkurrenten dessen Dienstleistung. Hierzu beauftragte das Vertriebsunternehmen selbständige Handelsvertreter, die den Vertrieb selbst durch eigene Mitarbeiter oder Dritte im Wege der Haustürwerbung durchführten. Bei dieser Haustürwerbung hatten die Werbenden versucht, Verbraucher mit unzutreffenden und irreführenden Angaben zur Kündigung ihrer Gaslieferverträge mit der Klägerin und zum Abschluss neuer Verträge mit dem Konkurrenten zu bewegen.
Die Klägerin nahm daher das Vertriebsunternehmen und dessen Geschäftsführer persönlich wegen diesem wettbewerbswidrigen Verhalten in Anspruch. Der Geschäftsführer habe Kenntnis von den Verstößen gehabt und seinen Betrieb jedenfalls nicht so organisiert, dass er die Einhaltung von Rechtsvorschriften habe sicherstellen können. Das in Anspruch genommene Unternehmen wurde in erster Instanz antragsgemäß verurteilt, genauso wie der Geschäftsführer. In dem vom Geschäftsführer angestrengten Berufungsverfahren wurde die Klage gegen ihn jedoch abgewiesen. Der BGH bestätigte die Klageabweisung.
Der BGH erklärte, dass es zwar bei der Verletzung absoluter Rechte neben der Haftung von Täter oder Teilnehmer auch die sogenannte Störerhaftung gebe. Störer sei, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beitrage. Dies treffe jedoch nicht auf Wettbewerbsverstöße zu, da es dabei nicht um die Verletzung absoluter Rechte gehe. Nach der neueren ständigen Rechtsprechung des BGH könnten bei Wettbewerbsverstößen lediglich Täter und Teilnehmer in Anspruch genommen werden.
Die Frage, ob jemand als Täter in einer diese rechtliche Haftung begründenden Weise an der deliktischen Handlung eines Dritten - hier an den falschen oder irreführenden Darstellungen der im Auftrag des Vertriebspartners handelnden Haustürwerber - beteiligt war, beurteile sich nach den strafrechtlichen Grundsätzen. Für das in Streit stehende Handeln könne der Geschäftsführer nur dann in Anspruch genommen werden, wenn er die Rechtsverletzung selbst begangen oder in Auftrag gegeben habe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Zwar sei nach bisheriger Rechtsprechung eine Haftung auch dann möglich, wenn der Geschäftsführer Kenntnis von Wettbewerbsverstößen habe und es unterlassen habe, sie zu verhindern. Diese Rechtsprechung fuße aber auf der früher angewandten Störerhaftung. Nach Aufgabe der Störerhaftung im Wettbewerbsrecht könne an dieser Rechtsprechung daher nicht mehr festgehalten werden.
Klarheit für Geschäftsführer
Bloßes Nichtstun des Geschäftsführers sei nur dann zu ahnden, wenn den Geschäftsführer eine Handlungspflicht zur Vermeidung von Verstößen treffe. Eine solche Handlungspflicht könne sich zum Beispiel aus Gesetz oder Vertrag oder aus einem pflichtwidrigen Vorverhalten ergeben. Die Pflicht müsse aber gerade gegenüber außenstehenden Dritten bestehen. Die schlichte Kenntnis des Geschäftsführers von Wettbewerbsverletzungen scheide jedoch als haftungsbegründender Umstand aus. Erforderlich sei vielmehr grundsätzlich, dass der Wettbewerbsverstoß auf einem Verhalten beruhe, dass nach einem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen dem Geschäftsführer anzulasten sei. Dies sei etwa der Fall bei der Benutzung einer fehlerhaften Firmierung, dem allgemeinen Werbeauftritt des Unternehmens, dem allgemeinen Konzept einer Kundenwerbung, dem Inhalt einer Presseerklärung, in der der Geschäftsführer selbst zu Wort kam, oder dem allgemeinen Internetauftritt des Unternehmens.
Erlange der Geschäftsführer lediglich Kenntnis davon, dass bei der unter seiner Leitung stehenden Geschäftstätigkeit Wettbewerbsverstöße begangen werden oder ihre Begehung bevorsteht, treffe ihn persönlich regelmäßig keine wettbewerbsrechtliche Pflicht, im Verhältnis zu außenstehenden Dritten Verstöße zu verhindern. Allein die Organstellung begründe aber eine Pflicht zur Vermeidung von wettbewerbswidrigem Verhalten nicht. Zu bedenken sei, dass dem Geschäftsführer im Falle einer generellen Haftung für Wettbewerbsverstöße ein kaum kalkulierbares Risiko auferlegt würde.
Besondere Umstände, die in begrenztem Umfang eine Pflicht des Geschäftsführers zur Verhinderung von Verstößen begründen könnten, lägen im vorliegenden Fall nicht vor. Dies könnte allenfalls der Fall sein, wenn sich der Geschäftsführer bewusst der Möglichkeit entziehe, überhaupt Kenntnis von etwaigen Wettbewerbsverstößen in seinem Unternehmen oder von ihm beauftragter Drittunternehmen zu nehmen und entsprechend Einfluss ausüben zu können. Dies sei zum Beispiel der Fall, wenn er sich dauerhaft im Ausland aufhalte.
Die Vergabe an Subunternehmer begründe grundsätzlich keine wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht, da die Vergabe von Aufträgen an Subunternehmer und auch die von diesen betriebene Haustürwerbung grundsätzlich zulässig sei. Eine Gefahrenlage, die zur Haftung des Geschäftsführers führe, könne nicht in der Aufnahme oder der Ausübung einer legalen Geschäftstätigkeit zu sehen sein. Eine persönliche Haftung könne zwar vorliegen, wenn der Geschäftsführer ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk setze, dafür bestehe aber vorliegend kein Hinweis. Die Klage gegen den Geschäftsführer war deshalb abzuweisen.
Unser Tipp:
Der BGH hat für Geschäftsführer Klarheit geschaffen und ihre persönliche Haftung eingeschränkt. Allerdings ist damit eine Haftung von Geschäftsführern nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Gerade die Fälle, die auch oft Gegenstand unserer Rechtstipps sind, wie zum Beispiel der Internetauftritt eines Unternehmens, der allgemeine Werbeauftritt oder die Firmierung einer Gesellschaft liegen im originären Tätigkeits- und Entscheidungsbereich des Geschäftsführers, sodass hier eine persönliche Haftung möglich bleibt.
Rebekka Stumpfrock
KLEINER Rechtsanwälte, Stuttgart
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