
Sanierungsfall Die Keller Group sucht einen neuen Eigentümer: Die Hintergründe der Insolvenz
Paukenschlag zum Jahresende: Die Münchner Keller Group ist ein Sanierungsfall. Immerhin läuft das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Geschäftsführer Marcus Trute spricht über die Hintergründe.
Für die Münchner Keller Group, ihres Zeichens Online-Sport und -Sneaker-Händler, war der 28. November 2022 ein absoluter Tiefpunkt - und mit Sicherheit ein Wendepunkt in der Historie. Nach schwierigen Monaten brauchte das Unternehmen um die drei Geschäftsführer Marcus Trute, Jakob Keller und Ingo Stober dringend frisches Kapital. Der Termin beim Notar zur Beurkundung der Vereinbarung mit einer Beteiligungsgesellschaft war schon festgezurrt, die Finanzspritze in greifbarer Nähe. Doch unerwarteterweise platzte der Deal. Auch ein weiteres unverbindliches Angebot einer dritten Partei könnte nicht mehr rechtzeitig innerhalb der Antragsfrist verhandelt werden.
Geschäftsbetrieb wird fortgeführt
Und so blieb der Keller Group GmbH nichts anderes übrig, als einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beim Amtsgericht München zu stellen - immerhin in Eigenverwaltung. Saniert werden soll das 2005 gegründete Unternehmen von der Wirtschaftskanzlei Dentons um Andreas Ziegenhagen und Dirk Schoene. Am Freitag erhielten sämtliche Lieferanten ein Schreiben, wo es unter anderem hieß: "Während des Eigenverwaltungsverfahrens bleibt die Gesellschaft weiter voll handlungsfähig und wird ihren Geschäftsbetrieb unverändert eigenverantwortlich fortführen. (…) Wir haben darüber hinaus entschieden, dass wir im Interesse aller Lieferanten sämtliche Neulieferungen von Waren bereits innerhalb von 21 Tagen nach Wareneingang bezahlen und die eingeräumten Zahlungsziele von 30 Tagen oder mehr nicht ausnutzen werden. Die verkürzte Zahlungsfrist unsererseits dient dazu, das Vertrauen unserer Lieferanten zu erhalten und auch im Interesse der Lieferanten den Besonderheiten des vorläufigen Eigenverwaltungsverfahrens Rechnung zu tragen."
Der Verkauf der Keller Group ist gestartet
Zuletzt war es der Keller Group immer wieder gelungen, sich Geldmittel nach dem sogenannten Venture-Capital-Prinzip zu holen. Beteiligungsgesellschaften wie COI Partners oder Reimann hatten zum Teil Summen in zweistelliger Millionenhöhe fließen lassen. Dieses Modell gehört nun tatsächlich der Vergangenheit an - die Sanierer von Dentons sind auf der Suche nach einem Käufer, einem Eigentümer, einem Investor. Der Verkaufsprozess hat begonnen. Dieser soll bis spätestens März 2023 abgeschlossen sein. Dirk Schoene sieht dafür gute Chancen. "Ich habe ein Unternehmen vorgefunden, was eine unglaublich tolle, motivierte Mannschaft hat, das seit vielen Jahren am Markt ist, mit einem Bekanntheitsgrad, der sicherlich ein Asset darstellt. Das wird uns in diesem Verfahren helfen", meint der erfahrene Jurist. Apropos Mitarbeiter: Die rund 60 an der Zahl müssen sich weder um ihren Job noch um ihre Gehälter Sorgen machen.
Marcus Trute zeichnet seit 2015 als Geschäftsführer der Keller Group verantwortlich. Neben und mit ihm agieren noch Mitgründer Jakob Keller und Ingo Stober, der im Oktober dazu gestoßen war.
Keller Sports
Neustart ohne Bike, Fitness und Wintersport alpin
Doch wie konnte es überhaupt zu dieser misslichen Lage kommen? So richtig hatten die Probleme im Sommer begonnen, konkret in den Monaten Juni/Juli/August, als die Konsumentennachfrage, wie sich Trute im Gespräch mit SAZsport erinnert, "noch einmal drastisch nach unten gegangen" sei. Nachdem im Februar der Ukraine-Krieg ausgebrochen war, hatte die Keller Group ihre Umsätzpläne bereits nach unten korrigiert. "Wenn du Umsätze in unserer Größenordnung machst und dann plötzlich mal 20 Prozent fehlen, dann bekommst du natürlich relativ schnell Probleme“, bermerkt Trute.
Im Sommer hatte das Unternehmen auf die schwindenden Erträge reagiert: In den Fokus wurden die Sortimente Running und Mountainsports gestellt - also alles, was mit Laufen in der Stadt oder am Berg zu tun hat. Künftig sollen das auch die Bereiche sein, mit denen Keller Sports sich neu aufstellen will (inklusive Tourenski). Von Bike, Fitness und Wintersport alpin will man sich sukzessiv verabschieden. Auch der Sneaker-Handel (mit Keller X) soll aufgegeben werden. Alles Märkte, in denen sich Trute und Co keine vernünftigen Deckungsbeiträge mehr erwarten, da so hart umkämpft.
Zuletzt hatte die Gruppe mit Ingo Stober wieder einen dritten Geschäftsführer verpflichtet, nachdem Mitgründer Moritz Keller im Mai ausgestiegen war (unabhängig von der Situation am Markt und in der Gruppe selbst, wie Trute beteuert). Mit seiner Erfahrung aus vielen Jahren Unternehmensberatung - unter anderem bei Roland Berger - sollte der Neuzugang das schlingernde Schiff wieder mit auf Kurs bringen. Leider vergeblich.
Großer Rückhalt aus Lieferantenkreisen
Und welche Management-Fehler hätten denn möglicherweise zu der heutigen Situation beigetragen? Trute spricht hier von "Mosaiksteinchen". Es sei in der Nachbetrachtung immer etwas schwierig, diesen einen Grund zu nennen. Er betont: "Wir sind aber auch nicht allein mit den Problemen an Markt. Wenn so eine Krise auf einen einbröckelt, dann werden die Themen ungemein schwierig." Dass sich das Unternehmen mit der Ausrichtung eines großen Events wie dem Brand City Clash kostentechnisch übernommen hat, verneint Trute. Damit habe man mindestens den Break Even erreicht. "Seit Mitte des Jahres kann man beobachten, was preislich so passiert. Es läuft vermeintlich ganz gut, weil diese beiden Sportarten Running und Mountainsports eben noch ganz gut funktionieren. Aber wenn der Preisverriss und die Aktionen im Markt so sind, wie sie sind, dann wird es schwer, damit die entsprechenden Deckungsbeiträge zu verdienen, die du als Händler brauchst", erklärt der Geschäftsführer.
Sein Optimismus und der Schoenes gründen sich auch auf der Tatsache, dass aus Lieferantenkreisen offenbar großer Rückhalt besteht. Er habe am Freitag mit Adidas, Nike, Asics und vielen anderen Marken Gespräche geführt - die Resonanz sei "äußerst positiv" ausgefallen. Trute: "Lieferanten sind wichtig, um das Unternehmen so normal wie möglich weiterzuführen. Um dann auch einen Partner zu führen, der mit uns den Weg weitergeht." Und Schoene ergänzt: "Ziel ist es, dem neuen Eigentümer ein schuldenfreies Unternehmen zu übergeben. Man kann einen Neustart hinlegen, und darin liegt auch die Attraktivität des Verfahrens."