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Europakarte mit mehreren Pfeilen auf Deutschland zeigend

Expansion Internationale Händler drängen nach Deutschland

Shutterstock/Koya979
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Immer mehr internationale Händler entdecken den deutschen Markt für sich. Ihnen hilft, dass die Konkurrenz hier online schwach aufgestellt ist. Das ist schlecht für die hiesige Wirtschaft.

Internationale Händler zieht es immer mehr nach Deutschland. "Es ist einfach geworden, ins Ausland zu expandieren, ­gerade online", erklärt Stephan Meixner, Herausgeber des Fachblogs Neuhandeln.de. "Einstiegshürden, Aufwand und Risiken sind niedrig und Deutschland hat im Versandhandel eine lange Tradition, das macht den Markt insbesondere für Online-Händler attraktiv." Auch die zentrale Lage ist ­für internationale Händler attraktiv. Von Deutschland aus lassen sich die Länder Europas gut beliefern. Und die Volkswirtschaft lockt mit einem Brutto­nationaleinkommen von drei Billionen Euro und 80 Millionen Verbrauchern.

Vor allem aber treffen internationale Händler auf schwache Konkurrenz: "In Sachen Digitalisierung hinkt Deutschland hinterher", sagt Olaf Rotax, Chef der Beratung Dgroup. "Gerade im angelsächsischen Ausland wissen immer mehr Unternehmen, wie man durch Digitalisierung Wachstumspoten­ziale erschließt. Sie suchen im Ausland Skalierungseffekte für die Systeme und Technologien, in die sie viel Geld investierten."

Eine gefährliche Entwicklung für den Standort Deutschland, wie Gerrit Heinemann, Professor an der Hochschule Niederrhein, meint: "Mehr deutsche Händler werden übernommen, außerdem ist mit weiteren Insolvenzen und Geschäftsaufgaben zu rechnen." Ob aber alle ­Ankömmlinge hier auch Stellen, also Ersatz für die verlorenen, schaffen oder ihre ­Erlöse versteuern, ist fraglich.

Zweite Internationalisierungswelle

Die zweite Internationalisierungswelle rollt über den deutschen Handel. Vor 20, 30 Jahren wurde die Vertikalisierung von Handelsgeschäften weitgehend internationalen Händlern wie Hennes & Mauritz, Zara oder Ikea überlassen. Nun ist es die Digitalisierung, die die deutsche Firmen verschlafen - nicht nur im Handel: Während in Großbritannien 67 Prozent der Baumärkte online bestellte Waren in Filialen abholen lassen, bietet diesen Service in Deutschland kein Anbieter an. Die Rückgabe online bestellter Ware in Filialen gehört zum Alltag von 87 Prozent aller US-amerikanischen Boutiquen, in Deutschland hingegen sind es gerade mal 60 Prozent.

"Hier sehen viele Unternehmen die ­Digitalisierung als Strategie, auf die man setzen kann, aber nicht muss", sagt Rotax. Fast ­jedem zweiten Unternehmen, so eine Studie der Dgroup, fehlt eine Strategie fürs Internetzeitalter, nur etwa jedes dritte hat ein Digitalteam und ­Online-Kompetenz aufgebaut. "Bis auf Zooplus oder Zalando hat Deutschland erst wenige international erfolgreiche Pure Player hevorgebracht", beschreibt Heinemann die Auswirkungen für die Handelsbranche. "Es gibt noch viele Bereiche, in denen der E-Commerce unterentwickelt ist."

Internationale Händler haben es zu "einfach" in Deutschland

Segmente wie Kosmetik, Möbel, Baumarkt/DIY bieten für internationale Händler Chancen für den Einstieg in Europas größten Verbrauchermarkt. Das gilt auch für Hausgeräte: 7,3 Millionen Euro werden mit ihnen pro Jahr umgesetzt, aber nur jede fünfte Waschmaschine wird online bestellt, in Großbritannien sind es 41 Prozent. AO nutzt diese Lücke.

Der internationale Händler investierte 15 Millionen Euro für den Deutschlandstart, setzt auf Know-how und Service: "Wir haben drei bis fünf Jahre mehr Erfahrung im E-Commerce", sagt Deutschlandchef Kevin Monk. "Ziel ist, der führende Online-Anbieter von Weißware in Deutschland zu werden."

Schätzungen der EU zufolge soll der Umsatz im grenzüberschreitenden Online-Handel 2015 auf knapp 70 Milliarden ­Euro wachsen. Zu befürchten ist, dass Deutschland sich eher zum Importeur entwickelt und nicht zu einem Exporteur, der von der Digitalisierung profitieren würde. "Als ein Exportweltmeister ­müsste Deutschland auch in der digitalen Wirtschaft Exportweltmeister werden, wenn wir nicht global Marktanteile verlieren wollen", lautet die Warnung von Rotax.

Das Land, in dem angeblich einmal das Warenhaus erfunden wurde, hat die letzten Vertreter dieser Gattung ans Ausland abgegeben. "Wir werden den E-Commerce massiv stärken", sagt Donald Watros, beim Kaufhof-Käufer Hudson’s Bay für das internationale Geschäft verantwortlich. "Die parallele Förderung beider Formate bietet entscheidende Vorteile."

Kaufhof und seine Muttergesellschaft Metro haben das jahrelang bezweifelt, während internationale Händler wie die Kanadier mit Milliardeninvestitionen in Online-Technik ihre Häuser Saks, John & Taylor oder The Bay wieder zum Blühen brachten. 900 Millionen Euro trug 2014 der E-Commerce zum Umsatz von sechs Milliarden Euro bei: 15 Prozent.

"Der deutsche Markt macht es Händlern aus dem Ausland zu einfach", sagt Berater Jochen Krisch, Herausgeber des Fachblogs Exciting Commerce. "Aber welche Händler haben hier noch Ressourcen, in neue Technik zu investieren, Übernahmen zu managen oder bestehende Geschäfte zu ­erneuern?" Die Handelsnation Deutschland steuert auf unsichere Zeiten zu.

Neuer Markt, neues Glück? Internationalisierung klingt spannend, birgt aber für Online-Shops viele Fallen. Die sieben häufigsten Fehler bei der Shop-Internationalisierung.

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