
Persönliche Beratung Curated Shopping: Ein handverlesenes Angebot
Mit Curated-Shopping-Modellen können sich Händler positiv vom Personalisierungseinerlei abheben. Doch die persönliche Beratung hat ihren Preis und ist damit eine potenzielle Barriere für den Eintritt in den Massenmarkt.
Das Vorbild in Sachen Curated Shopping stammt aus den USA und gibt weltweit den Maßstab vor: Stitch Fix verschickt im Abomodell Modeboxen an Männer und Frauen und setzt dabei auf eine Mischung aus hoch entwickelter Personalisierung und dem Fingerspitzengefühl seiner Stylistinnen. Das 2011 gegründete Unternehmen zieht damit inzwischen mehr als 2,7 Millionen Kunden an und dürfte in diesem Jahr ein Umsatzvolumen von 1,2 Milliarden US-Dollar erreichen. Gleichzeitig verdeutlicht Stitch Fix die grundlegende Herausforderung beim E-Commerce-Modell "kuratiertes Shopping": Ein Jahr nach dem Börsengang des Unternehmens kommt bei den Aktionären Unzufriedenheit auf. Stitch Fix wachse zu langsam und fokussiere sich zu sehr auf weibliche Kunden, heißt es. Neue Angebote für Männer und Kinder sollen nun für zusätzliche Dynamik sorgen.
Auch für Corinna Powalla, Mitgründerin des deutschen Curated-Shopping-Pioniers Modomoto, bleibt Stitch Fix der Benchmark. Es sei schon verrückt, welche Größe das US-Unternehmen inzwischen erreicht habe. Aber auch ihr eigenes Unternehmen sieht Powalla gut aufgestellt. Sieben Jahre nach dem Start schreibt Modomoto schwarze Zahlen, beschäftigt 250 Mitarbeiter und kommt auf mehr als 20 Millionen Euro Umsatz. Dabei beschränkt sich das Unternehmen bisher auf individuell zusammengestellte Modeboxen für Männer. Um deren Geschmack zu treffen, setze Modomoto auf einen "Zwei-Komponenten-Service", erklärt Powalla: Die lange Kaufhistorie vieler Kunden biete den Stylisten eine gute Datengrundlage für die Zusammenstellung neuer Boxen. "Dabei ist es fast noch wichtiger, was den Kunden bisher nicht gefallen hat", erklärt die Modomoto-Chefin. Den Übergang zu einer rein algorithmisch personalisierten Modeauswahl schließt Powalla auch für die Zukunft aus. "Wir wollen den Kunden ja immer nur zwölf Teile in einer Box schicken. Eine so enge Auswahl automatisiert zu treffen, wäre nicht möglich."
Ein hochwertigeres E-Commerce-Modell

"Curated Shopping ist ein höheres Intelligenzlevel, auf das Amazon nicht so einfach nachrücken kann": Frank Stegert, Gründer 99chairs
Das sieht auch Max Wersig so. Der Gründer des gerade an den Start gehenden Männerunterwäsche-Shops Basic Butler setzt konsequent auf den Beratungsfaktor. "In Zukunft können wir über eine stärkere Automatisierung nachdenken. Doch jetzt ist es erst einmal für uns wichtig, die Kunden mit einem hochwertigen Service an uns zu binden und aus den manuellen Prozessen möglichst viele Learnings zu ziehen." Basic Butler hat es sich zum Ziel gesetzt, durch einen initialen Fragebogen und durch das Feedback auf die Boxen die perfekte Unterwäsche für jeden Kunden zu finden. "Deshalb setzen wir auf sogenannte 'Never out of stock'-Artikel, die Kunden langfristig nachbestellen können." Auch ein Abomodell sei mittelfristig denkbar. Gute Resonanz erhalte das Start-up mit seinem Geschäftsmodell von der Industrie. "Mit uns arbeiten auch Hersteller zusammen, die sonst keine Online-Shops beliefern. Sie betrachten Basic Butler als ein hochwertigeres Umfeld, um ihre Artikel an den Mann zu bringen", berichtet Wersig.
Ein großer Hoffnungsträger war auch die 2014 gegründete Einrichtungsplattform 99chairs. Nachdem ein Investor absprang, musste das Unternehmen allerdings in diesem Jahr in die Insolvenz gehen. "Das lag nicht an unserem Curated-Shopping-Modell", erklärt Gründer Frank Stegert. Die Idee, Kunden und Innenarchitekten zusammenzubringen, sei gut angenommen worden. Die Herausforderung sei eher die technische Zusammenführung der Systeme von Herstellern und Inneneinrichtern gewesen. Trotz Insolvenz sieht Stegert das Geschäftsmodell von 99chairs bestätigt. Immerhin habe inzwischen ein dynamischer junger Player aus der Einrichtungsbranche das von dem Start-up entwickelte System gekauft. "Der E-Commerce muss eine Lücke finden, um gegen Amazon zu bestehen. Curation ist aus meiner Sicht ein höheres Intelligenzlevel, auf das Amazon nicht so einfach nachrücken kann", erklärt Stegert.
Die Preisthematik bleibt eine Herausforderung

"Wenn man richtig skalieren will, muss man möglichst viel automatisieren": Frank Leue, www.3weine.de
Die handverlesene Auswahl durch die Curated-Shopping-Anbieter ist aber gleichzeitig deren Achillesferse - menschlicher Input ist nun einmal teurer als maschinelle Prozesse. "Wenn man richtig skalieren will, muss man möglichst viel automatisieren", erklärt Frank Leue, Gründer von 3weine. Sein Unternehmen hat es sich zum Ziel gesetzt, Kunden, die mit dem Weinregal im Supermarkt nicht mehr zufrieden sind, mit einer individuellen Weinauswahl zu beglücken. Um sich nicht auf Luxussorten für Weinkenner zu beschränken, versucht 3weine den manuellen Arbeitsaufwand zu begrenzen. Die Sommeliers des Start-ups kuratieren das Gesamtsortiment, das ausschließlich aus deutschen Weinen besteht. Welche Sorten dann in einer Box landen, hängt davon ab, welche Ess- und Geschmackspräferenzen Kunden dem Unternehmen mitteilen und wie deren Feedback auf bereits erhaltene Lieferungen ausfällt. "Diese Mischung aus Kuration und Personalisierung erlaubt es uns, möglichst kostengünstig zu sein", erklärt Leue.
Das Preisthema bewegt auch Curated-Shopping-Vorreiter Modomoto. "Wir haben in den letzten Jahren oft von Kunden gehört, dass sie zufrieden mit unserem Service sind, sich aber wünschen würden, dass wir auch Rabatte anbieten", berichtet Unternehmensgründerin Corinna Powalla. Um diesen Kundenwünschen entgegenzukommen und das Geschäft weiter auszubauen, hat Modomoto den neuen Service "Box40" an den Start gebracht. Der Dienst verknüpft das bewährte Curated-Shopping-Konzept mit einem Club-Modell. Für die Jahresgebühr von 119 Euro erhalten "Box40"-Mitglieder 40 Prozent Rabatt auf jede Lieferung. "Mit 'Box40' optimieren wir die letzten Bereiche, die Modomoto bisher noch nicht optimiert hat: Wir gehen das Preisthema an und wir adressieren damit nicht mehr nur Männer, sondern auch Frauen", erklärt Powalla. Mit dem Club-Modell sucht Modomoto zudem nach der Lösung für ein weiteres Problem: "Wir sehen, dass die Marketingkanäle immer monopolistischer und teurer werden. Zudem funktionieren diese Kanäle nicht mehr so gut wie am Anfang, viel effektiver sind heute Weiterempfehlungen von Kunden." Auf diesen Effekt will Powalla mit "Box40" explizit setzen und die eingesparten Marketingausgaben als Preisnachlässe an die Kunden weitergeben. Per Crowdfunding-Kampagne wurden in einer Woche bereits 1.000 Abonnenten gewonnen - für die Modomoto-Chefin eine eindrucksvolle Bestätigung ihres Konzepts.
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