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Abholung von Online-Bestellungen Click & Collect: Für wen es sich lohnt

Die Abholung von Online-Bestellungen in den Filialen - Click & Collect genannt - erweist sich nicht für jeden Händler als sinnvoll.

Von Matthias Hell

Wenn es wirklich stimmt, dass der britische Online-Markt dem deutschen um einige Jahre voraus ist, dann könnte der Handel hierzulande in Sachen Click & Col­lect gerade massive Fehlinvestitionen tätigen. Egal ob Kaufhof, Rewe oder DM - sämtliche große Retailer haben in den vergangenen Monaten Abholmöglichkeiten für Online-Bestellungen auf- oder ausgebaut. Auf der britischen Insel hingegen ­rudern die Händler zurück. So hat die führende Supermarktkette Tesco Anfang ­Februar in ihrem Non-Food-Online-Shop Tesco Direct für Click & Collect-Bestellungen unter 30 Pfund einen Aufschlag von zwei Pfund eingeführt.

Im Lebensmittel­bereich hat Tesco diesen Schritt bereits vor einiger Zeit vollzogen und berechnet für Bestellungen unter 40 Pfund eine Click & Collect-Pauschale von vier Pfund. Bereits im Sommer 2015 ging auch die britische Warenhauskette John Lewis dazu über, Click & Collect gesondert zu bepreisen. ­Offenbar haben die Retailer erkannt, dass die Offline-Abholung von Online-Bestellungen mit Kosten verbunden ist, die nicht im gleichen Umfang durch korrespondierende stationäre Mehrumsätze kompensiert werden. "Wir führen den Aufpreis auf Click & Collect-Bestellungen ein, um sicherzustellen, dass der Service auch künftig tragfähig bleibt", lautet denn auch die offizielle Begründung von Tesco.

Media-Saturn als glühender Verfechter von Click & ­Collect

Kommen die deutschen Retailer zu ähnlichen Erkenntnissen? Wohl eher nicht, wie unsere stichprobenartige Umfrage zeigt. Unter den Handelsschwergewichten zählt beispielsweise Media-Saturn zu den glühenden Verfechtern von Click & ­Collect.

Bereits kurz nach dem Start der Online-Shops von Media Markt und Saturn vor vier Jahren meldete die Metro-Tochter Abholraten von rund 40 Prozent. Wie ein Unternehmenssprecher mitteilt, habe sich dieser Wert bis heute gehalten: "Bei uns wird rund jede zweite Online-Bestellung im Markt abgeholt." Dabei gehe es bei dem Angebot gar nicht so sehr um eine direkte Profitabilität durch stationäre Mehr­umsätze. "Wir denken, dass Click & Col­lect ein Wettbewerbsvorteil ist, denn es macht den Einkauf schneller und einfacher. Insofern entscheiden sich Kunden auch bewusst deshalb für uns."

Bei Media-Saturn, so erklärt ein Unternehmenssprecher, besteht Click & Collect eigentlich aus drei aufeinander aufbauenden Angeboten: Erstens kann der Kunde online in Echtzeit sehen, ob das ­gewünschte Produkt im Markt seiner Wahl verfügbar ist. Zweitens kann er es bestellen und damit sicherstellen, dass es ihm niemand vor der Nase wegschnappt. Und drittens kann er es bequem und einfach im Markt abholen - am Serviceschalter oder bei einigen Märkten auch im Drive-in. Seit Ende 2015 bietet Media-Saturn zudem nahezu bundesweit die taggleiche Lieferung von ­Online-Bestellungen an - für den Retailer ist dies die logische Fortschreibung von Click & Collect.

Hebel für die Neukundengewinnung

Nicht nur für Handelsgrößen, auch für ­innovative Nachwuchs-Retailer ist Click & Collect ein hochrelevantes Thema, wie das Beispiel Mymuesli exemplarisch zeigt. "Wir versuchen weiterhin, den Service in jedem neuen Laden anzubieten und glauben stark an das Konzept", erklärt Unternehmens-Mitgründer Max Wittrock. Eine wichtige Rolle spiele Click & Collect bei der Neukundengewinnung: "Den Service nutzen unter anderem Kunden, die uns noch nicht kennen, unser Müsli aber probieren wollen und daher zum Beispiel nur eine Dose von ihrem selbst gemixten Biomüsli bestellen möchten", sagt Wittrock: "Das kostet im Schnitt sieben Euro für 575 Gramm und kann einige Tage später bequem im Laden abgeholt werden, ohne extra Versand­kosten zu bezahlen."

In solchen Fällen ­generiere Mymuesli durch die Offline-Abholmöglichkeit klar zusätzlichen Umsatz. Welche Rolle Click & Collect im stationären Geschäft einnehme, sei aber von Laden zu Laden sehr unterschiedlich. "Entscheidend ist zum Beispiel die Lage", berichtet Wittrock. Liege der Laden da, wo viele Kunden wohnen oder arbeiten und damit die Abholung einfach sei, werde der Service häufiger abgerufen. "In Straßenlagen wird der Service grundsätzlich mehr genutzt als in Shopping-Centern. Man will nicht durchs ganz Center laufen, um ein Paket abzuholen. Da bezahlt man lieber 3,90 ­Euro für den Versand oder bestellt auf Vorrat und spart so die Versandkosten", meint der Mymuesli-Mitgründer.

Probleme und Herausforderungen

Doch nicht jeder Online-Händler, der in den vergangenen Jahren in das stationäre Umfeld vorgedrungen ist, bietet Click & Collect an. Shoepassion, die Online-­Marke für rahmengenähte Herrenschuhe, betreibt mittlerweile zwar sechs Laden­geschäfte, verzichtet aber auf eine standardmäßige stationäre Abholmöglichkeit.

"Das grundsätzliche Problem ist die niedrigere Lagerfügbarkeit in den Offline-Stores im Vergleich zum Zentrallager“, ­erklärt dazu Sprecher Tobias Börner. ­"Natürlich könnten wir aus dem Zentrallager auch an alle Stores schicken, aber ­warum noch eine Hürde zusätzlich einbauen, wenn der Kunde es auch direkt nach Hause geschickt bekommen kann?"

Stattdessen wolle sich Shoepassion einer komplexeren Herausforderung stellen: "Zum einen gilt es, Website-Besucher auf den nahe gelegenen Offline-Store aufmerksam zu machen und die dortigen Verfügbarkeiten transparenter zu machen", zum anderen arbeite das Unternehmen am Potenzial von im Ladengeschäft ausgelösten 'Online-Bestellungen', die aus dem Zentrallager zum Kunden nach Hause geschickt werden.

"Im nächsten Schritt sehen wir die Verzahnung aller Lagerorte. Sprich: Auch auf die Bestände der Offline-Stores kann das Online-Lager zugreifen, falls dort ein Produkt mal nicht mehr verfügbar sein sollte - natürlich nur dann." Eine solche umfassende Kanalverknüpfung ist für ­Tobias Börner "wahre Multichannel-Kompetenz". Der Shoepassion-Sprecher ist sich ­sicher: "Click & Collect allein wird niemanden retten - es ist ein Puzzleteil im großen Bild Multichannel."

Kleine Händler tun sich schwerer

Der Haushaltswaren-Online-Shop Neuetischkultur.de bietet die Offline-Abhol­option an, jedoch nur in seinem Stamm­geschäft in Döbeln sowie einem angeschlossenen Berliner Partnergeschäft. "Click & Collect wird deshalb im Verhältnis zum ­Gesamtumsatz nur von wenigen Kunden genutzt", berichtet Firmenchef Rico Kretschel. "Allerdings sehe ich das Angebot als zusätzlichen Service für unsere Kunden und bin trotz des relativ geringen Umsatzes zufrieden." Problematisch findet der Sachse, "dass Click & Collect noch nicht in den Köpfen der Kunden ist" - und spielt damit auf Studien an, wonach nur jeder zehnte deutsche Konsument mit dem 'Denglish'-Begriff etwas anfangen kann.

Selbst in Sortimentsbereichen, in denen man den Service eigentlich eher nicht vermuten würde, wird Click & Collect genutzt. "Etwa jeder fünfte Kauf in unserem eBay-Shop wird in einer der ­Filialen abgeholt", berichtet ­Benjamin Summa vom Edel­metall-Online-Händler Proaurum. Das ­E-Commerce-Unternehmen betreibt deutsch­landweit sieben Handelshäuser und berichtet trotz hochpreisigem Warenangebot von stationären Zusatzumsätzen bei der Offline-Abholung. "Wenn die Kunden im Zuge von Click & Collect in die Filialen kommen, können häufig Cross-Selling-Ansätze umgesetzt werden, da Beratungsangebote genutzt werden." Ein Problem damit, dass reservierte Artikel nicht abgeholt und somit unnötig Kapital gebunden wird, hat Proaurum nicht. "Die Zahlung erfolgt ausschließlich per Paypal. Was bezahlt worden ist, wird auch abgeholt", sagt Summa.

Keine Einzelmaßnahme

Die beiden E-Commerce-Berater Marcus Diekmann und Thorben Fasching, die sich Ende vergangenen Jahres auf Internetworld.de einen Disput in Sachen Rentabilität von Click & Collect lieferten, waren sich in einem Punkt einig: Click & Collect darf keine Einzelmaßnahme sein, sondern eignet sich vor allem für Händler mit einem größeren Filialnetz, die den Service zusammen mit verwandten Omnichannel-Features wie lokalen Verfügbarkeitsanzeigen, Same Day Delivery und einer dezentralen Lagerhaltung ­anbieten.

Diese Einschätzung wird auch durch die Erfahrung der Händler gestützt: Vergleichsweise gut distribuierte Retailer wie vor ­allem Media-Saturn, aber auch Mymuesli haben mit Click & Collect mehr Erfolg als kleinere Händler mit wenigen stationären Touchpoints. Einen riesigen Umsatztreiber wollte keiner der befragten Händler im Angebot von Click & Collect sehen.

Sehr wohl kann der Service aber helfen, die Kunden an die stationären Filialen zu binden und die Schwelle für den Einkauf zu senken. Und schließlich stellt Click & Collect für vorwärtsdenkende Händler nur einen Teil einer umfassenderen Omnichannel-Aufstellung dar: Die erforderlichen Systemgrundlagen werden gleichzeitig genutzt, um etwa lokale Verfügbarkeiten anzuzeigen. Bei der Frage nach Click & Collect geht es also weniger um ein simples Ja oder Nein als um den Kontext, in dem der Service von den Händlern angeboten wird.

Alles zum Thema E-Commerce gab es auch auf der diesjährigen Internet World.

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