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Payment Warum das Bezahlen auf B2B-Marktplätzen so komplex ist

Shutterstock / VectorHot
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Rechtliche Vorgaben und die große Bandbreite an Produkten und Geschäftsmodellen machen die Abwicklung von Zahlungsvorgängen auf B2B-Marktplätzen für Händler nicht gerade einfach. Spezialanbieter haben zwar Lösungen, diese müssen aber oft individuell angepasst werden.

Wer als B2B-Händler sein Business in Richtung B2B-Marktplatz ausbauen will, muss sich beim Payment auf komplexe Prozesse einrichten. Beim B2B-Handel dominiert als Bezahlverfahren die Rechnung, ein Verfahren, das in B2C-Shops relativ leicht zu bewältigen ist - vorausgesetzt, das Risiko von Zahlungsausfällen ist gut abgesichert.

Im B2B-Umfeld ist es jedoch Standard, dass viele Kunden individuelle Preise mit dem Lieferanten ausgehandelt haben. All diese für die Rechnung nötigen Informationen müssen aus dem E-Commerce-, dem ERP- oder dem Kundenmanagement-System zusammengeführt werden. Betreibt der B2B-Händler einen Marktplatz, müssen diese Rechnungsdaten auch vom jeweiligen Marktplatz-Partner bereitgestellt und dann auf dem Marktplatz ausgespielt werden. Denn dem Kunden ist es egal, ob er direkt beim Marktplatz-Betreiber oder bei einem angeschlossenen Marktplatz-Händler einkauft: Er ist darauf angewiesen, dass der korrekte Rechnungsbetrag vor dem Klick auf den Bestellbutton angezeigt und ihm dann als Rechnung übermittelt wird.

Das klingt oft einfacher als es im Detail ist und erfordert gut durchdachte Lösungen. Denn der Digitalisierungs- und Automatisierungsgrad bei potenziellen Marktplatz-Partnern ist teilweise noch nicht sehr weit fortgeschritten. Nur ein Beispiel: Zwar versenden gut 90 Prozent der Unternehmen ihre Rechnung im B2B-Bereich per E-Mail, mehr als 70 Prozent verschickt sie aber auch noch auf Papier - oft zusätzlich, weil die digitale Weiterverarbeitung oft nicht möglich ist.

Und: Fast die Hälfte der Unternehmen erfasst papierhafte Rechnungen noch immer manuell im IT-System. Das hat die Studie "Payment und Finanzprozesse im B2B-E-Commerce" des Regensburger Forschungsinstituts Ibi Research jüngst ergeben. Daher kann es schon für den Marktplatz-Betreiber selbst, aber eben auch für die Marktplatz-Partner eine große Herausforderung sein, einen durchgehend digitalen Bezahlprozesse zu etablieren.

Strenge regulatorische Vorgaben

Eine zweite Herausforderung besteht darin, dass die Abwicklung von Zahlungen für andere - beispielsweise für angeschlossenen Marktplatz-Händler - strengen regulatorischen Vorgaben unterliegt. "Wer Geld für Dritte einnimmt und verwahrt, ist schnell in der Pflicht, eine entsprechende Bafin-Lizenz vorweisen zu müssen", betont Georg Wittmann, Geschäftsführer von Ibi Research. Nicht zuletzt deswegen verzichten viele mittelständische B2B-Marktplätze komplett auf die eigentliche Kaufabwicklung. Sie beschränken sich auf eine Kaufanbahnung und sehen sich eher als Vermittler zwischen der Angebots- und der Nachfrageseite. Der eigentliche Kaufabschluss findet dann außerhalb des B2B-Marktplatzes zwischen den beiden Parteien statt.

Es gibt aber auch Wege, die komplizierten gesetzlichen Regularien zu umgehen, weiß Wittmann. Der B2B-Marktplatz Mercateo etwa werde innerhalb des Kaufprozesses für eine "logische Sekunde" Eigentümer der Ware, die über den Marktplatz verkauft wird. Damit verkauft nicht der angeschlossene Marktplatz-Händler die Ware, sondern Mercateo, der demzufolge auch die Rechnung selbst stellt.

In jedem Fall ist sorgfältig abzuwägen, ob sich der Aufwand, einen eigenen Marktplatz inklusive Payment-Abwicklung aufzubauen, wirklich sinnvoll ist. Im Einzelfall kann es lohnender sein, das eigene Sortiment zu erweitern, anstatt einen B2B-Marktplatz aufzubauen und andere Händler dort anzuschließen, weiß Tim Resl, Geschäftsführer der auf B2B-E-Commerce spezialisierten Agentur Mediagraphik in Esslingen – schon alleine, weil die Komplexität beim Bezahlen wegfällt.

Speziallösungen recht rar gesät

Denn spezielle Payment-Lösungen für B2B-Marktplätze noch recht rar gesät. Etliche große Payment Service Provider wie Adyen und Stripe verfügen zwar mittlerweile über Lösungen für Payment auf B2B-Marktplätzen. Zusätzlich haben sich Spezialanbieter für B2B-Marktplätze wie Mirakl und Webhelp mit speziellen B2B-Marktplatz-Payment-Lösungen im Markt etabliert.

Mirakl, eine SaaS-Plattform für Enterprise-Marktplätze, hat im November 2021 Octobat übernommen Das französischen Startup hat sich auf die Einhaltung von Rechnungsvorschriften für Unternehmen in aller Welt spezialisiert. Diese erste Übernahme des Unternehmens soll Betreibern von Mirakl-Marktplätzen die Einhaltung lokaler und globaler Rechnungsvorschriften erleichtern.

Doch die Komplexität und Verschiedenartigkeit der B2B-Produkte und -Märkte erlauben oft keine Standardlösungen. "Meistens müssen die entsprechenden Lösungen stark an den jeweiligen Marktplatz angepasst und dann weiterentwickelt werden oder gleich komplett selbst gebaut werden", so die Erfahrung von Resl. Das lohne sich aber für viele nicht, da sie kaum die Markenbekanntheit und damit die Reichweite erreichen könnten wie große B2B-Marktplätze.

Standard-Produkte lassen sich am leichtesten auf Marktplätzen verkaufen. Sie weisen keine besonderen Qualitätsunterschiede auf, bei ihnen zählt letztlich am ehesten der Preis und die Verfügbarkeit. Hier kommt es in der Regel aber nicht zu langfristigen, stabilen Kundenbeziehungen. Vielmehr bekommt der Händler den Zuschlag, der am günstigsten ist und am schnellsten liefern kann. Ob sich ein Händler diesem wettbewerbsintensiven Umfeld stellen will, ist eine strategische Entscheidung.

Immerhin: Bei derart standardisierten Produkten spielen kundenindividuelle Preise meist eine untergeordnete Rolle. Daher ist deutlich leichter, einen komfortablen Checkout aufzubauen, sodass statt der Rechnung auch im B2C-Commerce verbreitete Bezahlverfahren wie PayPal oder die Kreditkarte häufiger zum Einsatz kommen.

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