
Was sind die entscheidenden Fragestellungen und Kennzahlen im E-Commerce, die Online-Händler im Auge behalten sollten? Antworten hierauf gibt Roland Fesenmayr von Oxid eSales.
Von Roland Fesenmayr, CEO Oxid eSales
"Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts" - wie oft haben Sie diesen Satz bereits gehört oder gelesen? Immer wieder wird die Öl-Metapher genutzt, um die zentrale Bedeutung von Daten für die künftige Ausrichtung von Unternehmen zu verdeutlichen. In einer Hinsicht jedoch hakt der Vergleich: Während der Rohstoff Öl nämlich tagtäglich weniger wird und irgendwann wohl komplett aufgebraucht ist, wächst der Datenberg stetig an. Allein für 2015 sagt beispielsweise die von EMC und IDC veröffentlichte Studie "Digitales Universum" ein Datenaufkommen von über acht Zettabyte voraus - Tendenz steigend.
Nur Daten, die zu Informationen werden, sind wertvoll
Trotzdem ist der Daten-Öl-Vergleich nicht verkehrt. Nicht nur, weil Daten tatsächlich der wichtigste Treibstoff der Wirtschaft im 21. Jahrhundert sind. Sondern auch, weil der Rohstoff Öl zunächst in Raffinerien weiter verarbeitet werden muss, bevor zum Beispiel Autos mit ihm fahren können. Ähnliches gilt für Daten. Für Unternehmen bekommen sie erst dann einen Wert, wenn sie zu Informationen werden.
Damit E-Commerce-Treibende aus Daten Informationen gewinnen, müssen sie diese sammeln, sinnvoll miteinander kombinieren und analysieren. Eine wichtige Rolle spielen in diesem Zusammenhang Kennzahlen, mit denen die Leistung und Entwicklung eines Unternehmens gemessen wird. Stellt sich die Frage: Was sind die entscheidenden Fragestellungen und Kennzahlen im E-Commerce? Wie können sie E-Commerce-Treibenden helfen, ihren Shop optimal zu steuern und sich Wettbewerbsvorteile zu sichern?
Entscheidende Kennzahlen im E-Commerce
Grundsätzlich gibt es im E-Commerce drei relevante Arten von Kennzahlen: Mengen (zum Beispiel Shop-Besucher, bestellte Artikel, Lagerbestände), berechnete Werte (zum Beispiel Umsatz, Gewinn, Retourenquote) und Abweichungen (zum Beispiel zum Vortag, zur Vorwoche, zum Durchschnitt). Welche Kennzahlen für ein Unternehmen wichtig sind, kann stark variieren. Die folgenden acht Kennzahlen sollte allerdings jedes Unternehmen mit eigenem Onlineshop kennen:
- Traffic: misst die Anzahl der Besucher (Unique Visitors) im Onlineshop und ist die vielleicht wichtigste Kennzahl im E-Commerce. Hat ein Onlineshop nämlich keine Besucher, kann auch sonst nichts gemessen werden. Die entscheidende Frage ist deshalb fast immer: Wie bekommen wir mehr Traffic? Interessant ist in diesem Zusammenhang: Wo kommt der Traffic überhaupt her? Ist er bezahlt? Kommen Besucher also durch Bannerwerbung, Search-Engine-Advertising oder Anzeigen in sozialen Medien? Oder kommen die Besucher durch Verlinkungen anderer Websites, durch Treffer im normalen Suchmaschinenranking oder weil sie den Shop von Freunden empfohlen bekommen haben?
- Conversion-Rate: misst die Anzahl der Bestellungen je Besucher. Kommen viele Besucher in den Onlineshop, ohne etwas zu kaufen, muss vielleicht das inhaltliche Konzept überarbeitet oder die Nutzerfreundlichkeit erhöht werden. Zudem lohnt es sich für E-Commerce-Treibende immer, die Conversion-Rate unterschiedlicher Kanäle zu vergleichen. Ist sie zum Beispiel bei Besuchen via Smartphone oder Tablet schlechter als bei Besuchen über einen Desktop-PC, könnte die Ursache dafür in einem Shop-Design liegen, das nicht für mobile Endgeräte optimiert ist. Die Lösung: Responsive Design.
- Warenkorbwert: ist genauso wichtig wie die Conversion-Rate. Denn selbst die beste Conversion-Rate bringt nicht viel, wenn der Warenkorb der Kunden an der Kasse nahezu leer ist. Ein hoher beziehungsweise steigender Warenkorbwert deutet darauf hin, dass ergriffene Maßnahmen - etwa Marketingkampagnen, Änderungen in der Menüführung oder die Anpassung des Shopdesigns auf mobile Endgeräte - funktionieren.
- Verweildauer: gilt als Messgröße für die inhaltliche Qualität einer Website. Die Rechnung ist einfach: Je länger Besucher auf einer Website verweilen, desto interessanter finden sie die dort präsentierten Inhalte. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit eines Kaufs, je länger sich Kunden in einem Onlineshop aufhalten. Für E-Commerce-Treibende bedeutet das: Je kürzer die Verweildauer, desto größer der Handlungsbedarf.
- Kaufabbrüche: sollten E-Commerce-Treibende besonders gründlich analysieren, denn hier zeigen sich die Schwachstellen von Onlineshops. Gibt es gleich am Anfang viele Kaufabbrüche könnte dies beispielsweise an einer zu langen Ladezeit des Shops liegen: Beträgt die Ladezeit des Onlineshops länger als drei Sekunden, springt in Deutschland das erste Drittel potentieller Kunden ab. Nach fünf Sekunden sind sogar zwei Drittel weg. Vielleicht kommen die Kaufabbrüche aber auch später, etwa aufgrund mangelnder Informationen, weil Kunden das von ihnen gewünschte Produkt nicht finden oder die von ihnen bevorzugte Zahlungsmethode nicht angeboten wird?
- Wiederkaufrate: misst den prozentualen Kundenanteil, der nach einem Kauf zurück kommt und erneut einkauft. Da Neukunden in der Regel mit hohen Werbekosten verbunden sind und sich ihre Akquise oft erst nach mehreren Bestellungen rechnet, sollten E-Commerce-Treibende treuen Kunden besonders viel Aufmerksamkeit widmen. Letztlich sind es fast immer Stammkunden, mit denen Unternehmen ihr Geld verdienen. Sich diesen Stammkunden gegenüber erkenntlich zu zeigen, etwa durch einen Geburtstagsgutschein oder personalisierte Angebote, zahlt sich aus.
- Customer Lifetime Value (Kundenwert): ist der Deckungsbeitrag, den ein Kunde während seines gesamten "Kundenlebens" realisiert. Oft unterteilen E-Commerce-Treibende den Kundenwert zudem in einen möglichen und einen tatsächlichen Kundenwert. Der mögliche Kundenwert berücksichtigt die Gesamtausgaben des Kunden, auch jene bei Wettbewerbern. Der tatsächliche Kundenwert hingegen berücksichtigt ausschließlich Ausgaben, die der Kunde im eigenen Onlineshop tätigt. Insbesondere bei jüngeren Kunden, die noch nicht viel Geld ausgeben können, hat der Customer Lifetime Value für Unternehmen große Bedeutung. Schaffen sie es, Kunden bereits in jungen Jahren zu binden, können sie langfristig von ihrer stetig steigenden Kaufkraft profitieren.
- Retourenquote: wird nach Menge und Wert bemessen und ist der Albtraum eines jeden Händlers. Schon eine geringe prozentuale Zunahme an Rücksendungen kann die laufenden Kosten von Händlern enorm in die Höhe zu treiben. Für E-Commerce-Treibende ist es darum essentiell, Retouren möglicht gering zu halten. Damit dies gelingt, müssen sie die Gründe für Retouren regelmäßig hinterfragen. Halten die Produkte etwa nicht, was sie versprechen? Ist die Produktbeschreibung zu schlecht? Wie hoch eine Retourenquote sein darf und ob sie normal ist, unterscheidet sich von Branche zu Branche. Durchschnittlich liegt die Retourenquote im Onlinehandel zwischen einem und dreißig Prozent. Modeanbieter beispielsweise verzeichnen tendenziell hohe Retourquoten, Buchhändler hingegen relativ niedrige.
Kennzahlen weisen den Weg
Nutzen E-Commerce-Treibende die hier genannten Kennzahlen, um ihren Onlineshop regelmäßig auf Schwachstellen zu überprüfen und Optimierungspotenziale zu entdecken, können sie gleichzeitig Kosten senken und ihren Ertrag steigern. Damit dies gelingt, müssen sie zunächst Daten sammeln, die sie für die Berechnung der Kennzahlen benötigen. Bei der Auswahl ihrer E-Commerce-Plattform sollten Händler deswegen darauf achten, dass sich Werkzeuge, die etwa Besucherströme, Seitenansichten oder Klickzahlen messen, leicht einbinden lassen. Darüber hinaus sollten sich E-Commerce-Treibende immer wieder fragen, ob die von ihnen gewählten Kennzahlen sinnvoll sind.
Ein Beispiel: Geht es um die kurzfristige Erfolgsmessung einer Werbekampagne, reicht es vielleicht, die Akquisekosten von Neukunden durch die Anzahl sowie den Wert ihrer getätigten Bestellungen zu teilen. Doch wie sinnvoll ist diese kurzfristige Betrachtungsweise? Ist es nicht mindestens genauso wichtig, wie sich der Käufer in Zukunft verhält? Zum Beispiel, wie lange es dauert, bis er erneut bestellt? Oder ob er den Onlineshop vielleicht seinen Freunden empfiehlt?
Doch selbst Kennzahlen stoßen irgendwann an ihre Grenzen. Eine große Herausforderung für viele Omnichannel-Händler ist es, die Wechselwirkung zwischen Online- und Offlinekanälen zu messen. Ein Beispiel hierfür ist Click und Collect. Der Kunde bestellt online, holt das Produkt jedoch anschließend im stationären Geschäft ab. Welcher Vertriebskanal bekommt den Umsatz nun gutgeschrieben, die Filiale oder der Onlineshop? Noch komplizierter wird es bei Kunden, die sich online nur informieren. Im Onlineshop sieht alles nach einem Kaufabbruch aus. Vielleicht hat der Kunde aber einfach keine Lust, drei Tage auf die Lieferung des gewünschten Produkts zu warten und ist schon längst auf dem Weg in ein stationäres Geschäft.
Click und Collect und Kunden, die sich online informieren und stationär kaufen, zeigen: Kennzahlen sind ein Muss im E-Commerce, stoßen jedoch auch an die Grenzen des Messbaren. Erst wenn sich E-Commerce-Treibende dessen bewusst sind und ihre Kennzahlen kritisch hinterfragen, können diese tatsächlich helfen, fundierte Entscheidungen zu treffen.