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Sonstiges 25.02.2015
Sonstiges 25.02.2015

Kundenzufriedenheit Kundenbewertungen: Großer Einfluss auf Kaufentscheidung

shutterstock/Stefan Amer
shutterstock/Stefan Amer

Kundenbewertungen auf Bewertungsportalen haben großen Einfluss auf die Kaufentscheidung der Kunden, selbst wenn Kommentare frisiert sein können.

Ende vergangenen Jahres scheint sich der Verdacht bestätigt zu haben: Das österreichische Magazin "Datum" deckte einen groß angelegten Internet-Schmäh auf. ­Viele User vermuteten schon lange, dass derlei Praktiken vorkommen.

Namhafte Firmen wie Opel, Bayer oder Tui sollen den Recherchen zufolge eine Wiener Agentur engagiert haben, deren Mitarbeiter nichts anderes taten, als unter falschem Namen auf den unterschiedlichsten Bewertungsportalen wohlwollende Kundenbewertungen zu hinterlassen. Die große Freiheit im Web, sie bietet eben auch Schwindlern eine Menge Freiraum.

"Ich würde den Anteil von manipulierten Kundenbewertungen auf 20 bis 25 Prozent schätzen", sagt Peter Gentsch, Gründer der Big Social Media GmbH in Berlin. Hochgerechnet ergäbe sich damit eine gigantische Zahl gefakter Kundenbewertungen, denn ­allein in Deutschland haben sich rund 100 Bewertungsportale etabliert: für Autos, Ärzte, Arbeitgeber, Restaurants, Reisen, Rechtsanwälte etc.

Einige konzentrieren sich auf ganz bestimmte Segmente, andere wie Ciao, Dooyoo oder Yelp verstehen sich als branchenübergreifende Plattformen, auf denen Kundenbewertungen zu den ­unterschiedlichsten Produktkategorien gesammelt werden. Viele der Portale wie beispielsweise Kununu (Arbeitgeber), ­Tripadvisor und Holidaycheck (Reisen) oder Jameda (Ärzte) können auf Hunderttausende von Kundenbewertungen verweisen.

Die meisten gehen bei der Kundenbewertung fair vor

4 Typen bei der Online-Bewerbung
Tomorrow Focus, Illustrationen: Freepik

 Die Stimmen der Verbraucher sind bei der Beurteilung von Produkten und Dienstleistungen nicht mehr zu überhören. Knapp 75 Prozent der Internet-Nutzer ­haben schon einmal eine Kundenbewertungen online abgegeben, belegt eine soeben veröffentlichte Studie der Tomorrow Focus AG. Beurteilt werden vor allem Urlaube, Reisen und Online-Shops.

Dabei gehen die User überwiegend fair vor. Die Kundenbewertungen sind mehrheitlich positiv (78 Prozent), die Kritiken sollen anderen bei ihren Entscheidungen helfen. Tomorrow Focus teilt die Kommentar-Schreiber in vier Typen ein: Am häufigsten ist danach der "Hilfsbereite“ anzutreffen.

Beispiel Reisen: "Viele Urlauber sind Helfer, sie wollen die nachfolgenden Gäste mit Tipps versorgen", sagt Ulrich Cramer, Sprecher des Portals Holidaycheck. "Sie bewerten beispielsweise ein Hotel sehr gut, monieren aber nebenbei, dass die Gebühren der hoteleigenen Tiefgarage zu hoch sind und helfen mit dem Hinweis, dass man zwei Straßen weiter kostenlos parken kann." Solche Tipps kommen an. In der Studie sagen 92 Prozent der Befragten, dass ihnen Online-Kundenbewertungen generell Orientierung geben.

Eine andere Studie, die Big Social Media mit Bosch Siemens Hausgeräte (BSH) und der Hochschule Aalen durchführte, verdeutlicht, warum die Versuchung so groß ist, gefärbte Kundenbewertungen abzusetzen: Produkte mit positiven Bewertungen erreichen einen durchschnittlichen Umsatzanstieg von 30 Prozent.

Die Untersuchung zeigt aber auch, dass User den Bewertungsforen vertrauen, obwohl möglicherweise viel im Auftrag anderer gepostet wird. Da sie sich des Problems bewusst sind, verkaufen sich Produkte, die in der Bewertung 4,5 Sterne aufweisen, dreimal besser als reine 5-Sterne-Produkte. "Der Grund hierfür ist, dass viele Konsumenten Fake-Kundenbewertungen vermuten, wenn es keine negativen Meinungen zu einem Produkt gibt", sagt Peter Gentsch.

Euphorische Kundenbewertungen wirken verdächtig

Themen bei der Online-Bewertung
Tomorrow Focus Media

 Es darf also nicht nur positiv sein. "Durchgängig euphorische Kundenbewertungen entsprechen nicht den Alltagserfahrungen und erwecken schnell den Anschein der Manipulation", betont Christian Bachem, Partner der Companion Strategieberatung in Berlin.

Zudem gelten Kundenbewertungen nur als relevant, wenn sich bereits zahlreiche User dazu geäußert haben. Und drittens gilt: "Kunden nehmen Kommentare dann ernst, wenn sie in sich schlüssig sind und im Kontext anderer Kundenbewertungen plausibel erscheinen", so Bachem.

Was aber bedeuten diese Tatsachen für Unternehmen die damit leben müssen, dass sie von Kunden bewertet werden? Sollten sie sich darauf verlassen, dass ­ihnen die Käufer überwiegend wohlwollend gesinnt sind? Sollten sie ihren gesamten Bekanntenkreis dazu auffordern, sich auf den einschlägigen Portalen positiv zu äußern oder sollten sie sich professionelle Unterstützung suchen?

Susanne Büttner, Marketingberaterin aus Unterschleißheim bei München, hat eine Liste mit Tipps zusammengestellt, wie Unternehmen Kundenbewertungen und Portale für ihr Marketing nutzen können (siehe Seite 5).

Danach ist es erst einmal wichtig, die Bewertungsportale als Chance zu begreifen und die Kunden zu positiven Kritiken aufzufordern. "Ich habe kürzlich bei einem Arzt an der Empfangstheke kleine blaue Kärtchen von ­Jameda liegen sehen", so Büttner. "Und in einem Lokal wurde völlig unaufdringlich für eine Yelp-Kundenbewertungen geworben."

Viele Portalbetreiber bieten zu diesem Zweck kostenloses Werbematerial an. "Der wirksamste Schutz gegen schlechte Kundenbewertungen ist es, für positive Bewertungen zu sorgen", bestätigt Christian Bachem.

Fake-Kundenbewertungen haben ein typisches Muster

Florian Weiß, CEO von Jameda, berichtet in diesem Kontext von einem Sinneswandel. Als die Arztempfehlungsplattform 2007 gegründet wurde, waren die Mediziner äußerst skeptisch, sie fürchteten die neue Form der Öffentlichkeit. Inzwischen hat sich die Ärzteschaft aber entspannt.

"Sie hat erkannt, dass auch kritische Kundenbewertungen den offenen Dialog zwischen Arzt und Patient fördern und der Praxis eine Möglichkeit zur kontinuierlichen Verbesserung der eigenen Leistungen und somit zu mehr Kundenzufriedenheit eröffnen", so Weiß.

Ähnlich sieht man es auch bei der Bewertungsplattform Kununu. ­Jedes Unternehmen könne kostenfrei Kununu als "Stimmungsbarometer" nutzen, meint Tamara Frast, Head of Corporate Communications & Marketing. "Ein Blick auf die Kundenbewertungen ist oftmals aussagekräftiger als so manche Unternehmensanalysen."

Damit wirklich nur Kunden, Käufer oder - wie im Falle von Kununu - echte Mitarbeiter Kundenbewertungen abgeben, verbessern die Portale stetig ihre Verifizierungsmechanismen. E-Mail- und IP-Adressen werden ­gecheckt, Mitarbeiter überprüfen die Kundenbewertungen auf Plausibilität, manchmal fordern sie Nachweise für Aufenthalte und Arbeitgeber.

Die Agentur Big Social Media hat für diese "Fake Fraud Detection" ein Verfahren entwickelt, das die Muster typischer "gekaufter" Kommentare prüft. Wenn bestimmte Stilelemente häufig genutzt und auffällig viele gute Kundenbewertungen in einem Zeitraum gegeben werden, vielleicht von Kunden, die sonst keinerlei Profil im Netz haben oder aus exotischen Ländern kommen, schlägt die Agentur bei der entsprechenden Plattform Alarm.

Für das Unternehmen kann dies ernste Folgen haben. Bei Holidaycheck geht man sogar so weit, Hotels, die beim Fälschungsversuch ertappt werden, auf der Website mit dem Hinweis "Achtung ­Manipulation" zu brandmarken. Wie lautet einer der Tipps von Susanne Büttner? "Bewerten Sie sich nicht selbst. Es kommt ohnehin ans Licht."

Resümee: Tipps für Bewertungsportale

So nutzen Sie Kundenbewertungen und Portale für Ihr Marketing

1. Legen Sie sich ein Profil in allen relevanten Portalen an

2. Weisen Sie über Werbung auf die Bewertungsmöglichkeit hin

3. Ermuntern Sie zufriedene Kunden proaktiv zu einer Kundenbewertung

4. Optimieren Sie Ihre Beiträge regelmäßig

5. Bringen Sie Ihren Kundenservice auf Vordermann

6. Prüfen Sie Ihr Profil und reagieren Sie auf Kritik

7. Versuchen Sie Kritik aus Sicht des Kunden zu sehen

8. Bewerten Sie sich nicht selbst, es kommt ohnehin ans Licht

9. Beziehen Sie Ihre Webseite ein, verweisen Sie auf die Referenzen

10. Sammeln Sie viele Kundenbewertungen

(Quelle: Susanne Büttner)

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