
Will Huffingtonpost.de in die Top Five bringen: Schuh
Will Huffingtonpost.de in die Top Five bringen: Schuh
Seit Oktober 2013 ist der deutschsprachige Ableger des Nachrichtenportals "Huffington Post" online. Strategischer Partner ist hierzulande der Publisher Tomorrow Focus, der die Seite in den nächsten fünf Jahren unter die Top Five der Nachrichtenportale bringen will. Vorstandsmitglied Christoph Schuh sprach mit INTERNET WORLD Business darüber, wie dieses ehrgeizige Ziel erreicht werden soll und warum Deutschland ein bloggingkulturelles Entwicklungsland ist.
Sie haben ambitionierte Pläne: Mit einem Budget von nur drei Millionen Euro wollen sie die "Huffington Post" innerhalb der nächsten fünf Jahre zu einem der fünf führenden Nachrichtenportale in Deutschland machen. Wie soll das gehen?
Christoph Schuh: Wir haben den strategischen Vorteil, auf eine weltweite Infrastruktur an Technologie, Content, Marketing und Vermarktung der Huffington Post zugreifen zu können: So nutzen wir deren Content-Management-System, sämtliche mobilen Applikationsentwicklungen, haben Zugriff auf den weltweiten Content von über 700 Redakteuren und vieles mehr. Dadurch sparen wir erhebliche Kosten. Auch beim Marketing erhalten wir Unterstützung, weil AOL Deutschland uns sehr prominent featuren wird. Zudem wird auch Focus Online Traffic zur Verfügung stellen.
Weiterer Vorteil ist das Geschäftsmodell, welches Social Media als Traffickanal aktiv nutzt: In den USA kommt circa ein Drittel des Traffics über diesen Kanal und da wollen wir mittelfristig auch anknüpfen. Wir haben ansonsten ein kleines Marketing-Budget, das wir aber eher für virales Marketing, SEM und Displaykampagnen eventbezogen nutzen wollen. TV-Kampagnen wird es vorerst nicht geben. Außerdem können wir Burda-Events wie DLD und Bambi nutzen. Dank seiner großen Bekanntheit wird uns der Editorial Director Cherno Jobatey zusätzliche Aufmerksamkeit schaffen. Auch in den USA und den acht weiteren Partnerländern hat die Huffington Post kein großes Marketingbudget gehabt.
Sie planen operative Gewinne im Millionenbereich. Bis wann soll das Portal profitabel sein?
Schuh: Im dritten Jahr wollen wir den Break Even erreichen und dann im fünften Jahr mindestens 15 Prozent Ebit-Marge schaffen. Für ein Portal mit so wenigen Anlaufkosten wäre das natürlich ein großer Erfolg. Im fünften Jahr wollen wir zwischen 10 und 15 Millionen Euro Nettoumsatz machen. Bis dahin wollen wir die Zahl der Mitarbeiter von 15 auf 40 erhöhen.
Welches Vermarktungsmodell haben Sie?
Schuh: Wir wollen neben klassischen Brandingkampagnen auch sehr stark in den Bereich Native Advertising gehen. Werbetreibende können bei uns mit den Usern in Interaktion treten und eigenen Content zur Verfügung zu stellen. Wir werden relativ schnell eine hohe mobile Nutzung haben und dann über 50 Prozent des Traffics über mobile Geräte distribuieren. Gerade im Mobile-Bereich ist Native Advertising sehr wichtig, weil die TKP-Niveaus dort deutlich niedriger sind als im Display-Bereich beim stationären Internet. Jimmy Maymann, CEO von The Huffington Post, wird zusätzlich ein internationales Vermarkungsnetzwerk aufbauen, auf dem man auch globale Kampagnen schalten kann: Schon im nächsten Jahr soll es möglich sein, in 15 Ländern zeitgleich eine Kampagne zu schalten.
Anders als in der US-amerikanischen Heimat der "HuffPost" ist der Markt hierzulande stark von traditionellen Verlagsmarken geprägt. Inwiefern kann das die Expansion bremsen?
Schuh: Auch in Vergleichsmärkten wie zum Beispiel Frankreich ist die Wettbewerbssituation anspruchsvoll: Hier hat die Huffington Post nach einem Jahr etwa drei Millionen Unique User erzielt, obwohl es dort auch starke Tageszeitungen wie Le Figaro, L'Équipe, Le Monde und Le Parisien gibt. In den USA liegt die HuffPost reichweitenseitig vor der New York Times oder der Washington Post. Wir glauben, aufgrund der Andersartigkeit dieser Mischung aus Bloggern, Kommentaren und Redaktion uns von anderen Marken abheben können. Für uns ist die HuffPost eine Engagement-Plattform, also ein Portal um sich auszutauschen, während klassische Newsportale ja eher einen Sendemodus und weniger Interaktionsmöglichkeiten haben.
"Die Null-Eins-Diskussion ist übertrieben"
Sehen Sie sonstige Besonderheiten im deutschen Medienmarkt?
Schuh: Die Bloggerkultur ist in Deutschland noch deutlich schwächer als in anderen Ländern, was wir als echte Wachstumschance auch für die HuffPost sehen. Ferner gibt es auch relativ wenige Twitternutzer, nur etwa sechs Prozent nutzen Twitter in Deutschland. Bisher ist Deutschland ausgewiesenermaßen noch kein großes Blogger-Land. Das wollen wir natürlich verändern. Wir haben ja relativ bekannte Blogger und Prominente wie Ursula von der Leyen, Boris Becker oder René Obermann gewinnen können und sind gespannt, ob wir daraus eine Sogwirkung erzielen können.
Für die Huffington Post schreiben viele unbezahlte Blogger, die ihre eigenen Interessen haben. Gefährdet das nicht die journalistische Objektivität?
Schuh: Kostenlosen Journalismus hat es schon immer gegeben. Auch bei der Newsportalen wie Spiegel, Süddeutsche und Bild gibt es kostenlose Userkommentare in großer Anzahl. Und: Twitter und Facebook beinhalten ja auch kostenlose Beiträge. Werbefinanzierte Content-Angebote wie HuffPo sind auch in anderen Medien existent: Hörfunk und TV meistens kostenlose Angebote; in Deutschland können Sie über 80 kostenlose TV-Kanäle empfangen und mehrere hundert Hörfunkkanäle, die werbefinanziert sind.
Wird der klassische Journalismus aussterben?
Schuh: Diese Null-Eins-Diskussion ist wahrscheinlich übertrieben: Der Verleger Dirk Ippen ist ein Beispiel für einen sehr erfolgreichen regionalen Zeitungsverleger, Burda hat letztes Jahr eines seiner erfolgreichsten Ergebnisse im Zeitschriftengeschäft aller Zeiten gehabt. Es kann also beides nebeneinander existieren. Die New York Times ist ein gutes Beispiel, die sich im Onlinebereich deutlich nach vorne bewegt hat und mit ihrem Paid- Ansatz expandiert - trotzdem ist daneben auch eine Huffington Post erfolgreich. Beide Wege sind möglich und können erfolgreich sein. Es wird sowohl Paid-Angebote als auch werbefinanzierte Angebote in Zukunft geben. Das eine wird das andere nicht verdrängen.