
Spezialisten für Webanalyse stehen bei immer mehr Unternehmen auf der Kaufliste. Was denken die Chef der großen Webanalyse-Anbieter über diesen Trend und welche künftigen Entwicklungen wird es in der Webanalyse geben? Unser Branchentalk zum Thema liefert die Antworten.

Stefan Tweraser, Google-Deutschland-Chef:
"Für jedes Unternehmen mit eigener Website ist es von entscheidender Bedeutung, die Besucherströme zu messen. Auf der Grundlage klarer Messwerte sollte die Website kontinuierlich zur besseren Erreichung der eigenen Ziele optimiert werden. Das klingt vielleicht selbstverständlich, ist es aber ganz und gar nicht. Die größte Herausforderung ist es daher nach wie vor, Unternehmen erstens von der Notwendigkeit der Webanalyse und zweitens von der aktiven Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse zu überzeugen.
Social-Media-Aktivitäten sollten dazu ebenso gemessen werden wie jede andere Form des Marketings. Die Frage ist eher, wie verschiedene Marketingaktivitäten zusammenspielen und die Conversions beeinflussen. Welche Kombination aus Suchmaschinenmarketing, Display-Werbung, Social-Media-Aktivitäten und Offlinemaßnahmen hat welche Auswirkung? Und welchem Kanal werden die Conversions zugeordnet? Hier müssen kontinuierlich verschiedene Ansätze getestet werden, da es keine Standardantwort gibt.
Letzten Endes kommt es dabei nicht darauf an, wer zu wem gehört, sondern auf die Qualität der angebotenen Software. Zukunft hat vor allem derjenige, der ein überzeugendes Produkt vorzuweisen hat. Wer sich mit einer innovativen Technologie von der Konkurrenz absetzt oder sich beispielsweise auf eine bestimmte Nische konzentriert, wird sich über einen Mangel an Kunden nicht beklagen können. Bei der Webanalyse handelt es sich immer noch um einen Wachstumsmarkt, in dem Platz für viele Anbieter ist."

Silke Lotterbach, Usability Engineer und Designer bei UID:
"Meiner Meinung nach gibt es drei große Herausforderungen in der Webanalyse: Die Auswahl des richtigen Werkzeugs, der zielführende Einsatz dieses Werkzeugs und die konstruktive Verwendung der gewonnen Daten.
Vergleichbar ist das mit einem Elektrokardiogramm beim Arzt - das Gerät muss verlässlich und in einwandfreiem Zustand sein. Durch die Messwerte lassen sich vielfältige Aussagen zu Eigenschaften und Erkrankungen des Herzens treffen. Um mit diesen Werten etwas anfangen zu können, muss man wissen, welche Referenzwerte gut und welche weiteren Schritte möglich sind.
Wie in der Medizin auch sind bei der Webanalyse Experten gefragt, die Wissen über quantitative und qualitative Daten haben. Quantitativ lässt sich prüfen, wer oder was die Seite besucht und wie erfolgreich sie ist - zum Beispiel über die Anzahl der Nutzer. Es können auch technische Schwierigkeiten wie lange Ladezeiten aufgedeckt werden.
Spannend wird es vor allem, wenn man aus diesen Daten Nutzerverhalten abliest. Folgen die Besucher dem Weg, den man vorher konzipiert hat? Wie lässt sich das Verhalten richtig interpretieren? Webanalyse-Daten decken nur mögliche Schwachstellen auf. Um diese zu beseitigen, müssen jedoch die Ursachen verstanden werden.
Wir setzen auf eine Kombination von Methoden: Mit Hilfe qualitativer Usability-Bewertungen wie Expertenevaluationen und Usability-Tests gehen wir den Ursachen auf den Grund. Zum Nutzen des Website-Besuchers und damit auch des Website-Betreibers."

Roland Markowski, Geschäftsführer von dem IBM-Unternehmen Coremetrics:
"Webanalyse wird zum unverzichtbaren Bestandteil von übergreifendem Business Reporting und CRM. Ihre Integration innerhalb der gesamten Lieferkette, vom ersten Kundenkontakt bis zu After-Sales-Aktivitäten, ist daher enorm wichtig. Zudem steigt der Analysebedarf, um das Kauferlebnis für die Kunden sowohl online wie offline zu optimieren.
Die Übernahme von Web-Analytics-Spezialisten durch große Unternehmen belegt die wachsende Bedeutung der Webanalyse. Natürlich interessieren sich dafür auch große Anbieter von B2B-Lösungen, die stets nach Wegen suchen, um sich mit dem besten Service für ihre Kunden in wachstumsstarken Märkten zu positionieren.
Der Anwender von Webanalyse profitiert davon. Er kann auf ein erweitertes Set an Technologien und Services zurückgreifen, um den steigenden Bedürfnissen des Onlinemarketings gerecht zu werden. Bislang hat sich gezeigt, dass es in jeder Branche Chancen für innovative spezialisierte Anbieter gibt, die einen Nischenmarkt bedienen.
Wie sich Kunden auf Social-Media-Seiten vernetzen, wie sie mit und über Marken kommunizieren, hat Auswirkungen auf die Umsätze der Anbieter. Marketingverantwortliche müssen daher messen, wie Menschen ihre Marken wahrnehmen – die reine Klick- oder Kaufanalyse reicht dafür nicht mehr aus."

Markus Vollmert, Head of Web Analytics bei luna-park:
"Durch Facebook, Youtube und Twitter ist die Website nicht mehr länger der einzige Anlaufpunkt für meine Besucher im Netz. Auch Mobile Apps eröffnen neue Kanäle. Es wird immer schwieriger, die Informationen in einem Tool zusammenzuführen. Ähnlich wie bei Google Adwords können APIs hier Verknüpfungsmöglichkeiten bieten.
Die Übernahmen von Omniture (Adobe) und Coremetrics (IBM) werden nicht die letzten gewesen sein. Microsoft kann es sich eigentlich nicht leisten, keine Lösung im Bereich Web Analytics anzubieten. Aber auch die Tool-Anbieter selbst sind auf Shoppingtour und kaufen Feature-Anbieter hinzu, wie Webtrends gerade Transpond.
Die Einbettung von Web-Analytics-Lösungen in eine größere Produktpalette (wie Adobe mit Omniture) ermöglicht neue Preismodelle. Aktuell ist der gemessene Traffic das wichtigste Preiskriterium. Erhöhe ich meine Zugriffe durch SEO, Kampagnen oder Optimierungen der Seite wird das über die Preismodelle bestraft. Durch den Einstieg von Big Playern mit der nötigen technischen Infrastruktur wie IBM könnte es neue, kostenlose Angebote und damit Alternativen zu Google Analytics geben."

Michael Kinsbergen, CEO von Nedstat:
"Der wirkliche Wert von Web Analytics liegt in der Integration mit anderen Datenquellen. Wir sprechen heute bereits mehr über Online-Business-Optimierung als über Web Analytics, da es zahlreiche Überschneidungen zwischen unserer und anderen Onlinedisziplinen gibt. In dieser Hinsicht erwarte ich, dass es reine Web-Analytics-Anbieter in ein paar Jahren wahrscheinlich nicht mehr geben wird. Es macht nämlich keinen Sinn, nur den Onlinekanal einzeln zu betrachten.
Eine signifikante Entwicklung sehen wir in den steigenden Ansprüchen, was den Gebrauch von Web Analytics betrifft. Sogenannte „Expert User“ wollen ein anspruchsvolles Interface, das ihnen die Möglichkeit gibt, alles mit allem zu kombinieren. Gleichzeitig verbreitet sich die Nutzung aber auch innerhalb der Organisation. User in unterschiedlichen Positionen wollen einen einfachen und direkten Zugriff auf vorgefertigte und auf ihren Bedarf zugeschnittene Informationen.
Eine Software auf derselben Plattform anzubieten, die beide Kriterien erfüllt, ist eine echte Herausforderung. Darüber hinaus nimmt die Komplexität der Analyse-Tools zu. Deshalb spielen Berater und Agenturen eine zunehmend wichtige Rolle, sowohl bei der Implementierung als auch der Beratung hinsichtlich des effektivsten Einsatzes von Analytics innerhalb einer Organisation."

Sven Graehl, Geschäftsführer und Inhaber von econda:
"Wir sehen zwei zentrale Herausforderungen in der Webanalyse. Einerseits die Erreichung der maximal möglichen Auswertungsperformance bei gleichzeitiger, 100%iger Flexibilität, andererseits die nahtlose Einbindung in die bestehende E-Commerce- und IT-Landschaft.
Mit Blick auf gängige Web-Analytics-Systeme zeigt sich: Webanalyse ausschließlich auf Rohdatenbasis ist oftmals immer noch zu langsam, die herkömmliche Webanalyse auf Basis von aggregierten Daten ist oft unflexibel. econda beantwortet diese Herausforderung mit der neuen econda r.a.c.e. technology, mit der wir auf der dmexco die Webanalyse der nächsten Generation vorstellen.
Die Webanalyse-Lösung der Zukunft sehen wir als die E-Commerce-Steuerzentrale, die nicht nur die Performancedaten sämtlicher Aktivitäten auswertbar macht, sondern darüber hinaus zeitgesteuert oder realtime Optimier- und Targetingdaten mittels standardisierter Plug-Ins an alle beteiligten Systeme liefert.
Die Übernahmen einiger Konkurrenten durch große Unternehmen zeigt die große Bedeutung des Themas Web Analytics. Wir sehen als rein inhabergeführtes Unternehmen konkrete Vorteile für uns und unsere Kunden. Wir genießen die Freiheit, unsere Strategie schnell und flexibel an den Kundenbedürfnissen und Markterfordernissen auszurichten und uns nicht Konzernstrategien unterordnen zu müssen beziehungsweise uns in Restrukturierungsprojekten aufzureiben. Im Übrigen können wir im Vergleich zu manchem übernommenen Mitbewerber auch personelle Kontinuität im Management gewährleisten, was am Ende auch wieder unseren Kunden zu Gute kommt."

Timo von Focht, General Manager Deutschland von AT Internet:
"In den kommenden Jahren wird uns die Verknüpfung von Business Intelligence- und Web Analyse-Lösungen beschäftigen. Es geht darum, die gewonnen Daten aus beiden Bereichen sauber abzubilden und einheitliche Standards bei der Messung von Erfolgen und Erfolgsfaktoren einzuführen. In der „klassischen“ Welt ist dies schon seit langem durch die Verbindung von Business Intelligence und Controlling der Fall.
Social-Media-Aktivitäten bieten außer Feedback und Image auch Möglichkeiten, Abverkäufe direkt oder indirekt zu beeinflussen. Wenn wir die Onlinepublicity in der Webanalyse-Betrachtung ausklammern würden, ließen wir wichtige Erfolgsfaktoren außer Acht. Deshalb bieten wir eine Lösung an, bei der Webanalyse und Social-Media-Monitoring direkt miteinander kommunizieren und in derselben Benutzeroberfläche abrufbar sind.
Als unabhäniger Anbieter können wir derzeit nicht klagen. AT Internet ist mit einer sehr hohen Eigenkapitalquote ausgestattet und nicht von Venture-Kapital abhängig. Gerade im Bereich der Tool-Integration bieten wir offene Schnittstellen zu allen Anbietern. Das zahlt sich mittel- und langfristig für Kunden aus, die eine heterogene Tool-Landschaft einsetzen oder sich nicht auf ein System festlegen möchten. Wichtig für unsere Kunden ist die gute lokale Betreuung (Support, Beratung, Schulung), die auch auf internationaler Ebene möglich ist. Rein nationale unabhängige Anbieter werden sich dagegen schwer tun."

Horst Joepen, Geschäftsführer von Searchmetrics:
"Das Hauptproblem von Web Analytics ist, dass es nur eine Nabelschau auf die eigene Webseite ist. Die für die meisten Webseiten wichtigsten Traffic-Bringer sind heute die Suchmaschinen. Webanalyse-Auswertungen erfassen nur, wie viele Besucher von Suchmaschinen auf meine Seite kamen.
Die viel wichtigere Frage, wie viele ich haben könnte und über welche Keywords, wird aber nicht beantwortet. Das kann nur in Kombination mit Search-Analytics-Lösungen geschehen. Weiter ist die aufwändige Integration von Web Analytics und die fehlende Standardisierung ein großes Problem. Anwender und selbst Agenturen sind häufig schlicht überfordert.
Die Überwachung und Steuerung von Social Media wird immer wichtiger. Sie werden sich zumindest in einigen Branchen wie dem Onlinehandel neben den Suchmaschinen als zweitwichtigster Traffic-Treiber etablieren.
Onlinemarketing ist eine sehr junge Industrie. Sobald eine kritische Marktgröße erreicht ist, müssen die großen, breit aufgestellten Anbieter ihren Kunden Lösungen anbieten, die dann von dynamischen, kleineren Unternehmen kommen. Langfristig stellt sich immer eine Balance zwischen kleinen Unternehmen mit großem Innovationspotenzial und großen, stabilen ‚Generalunternehmern‘ ein.
Unabhängige Webanalyseanbieter haben eine Zukunft, da insbesondere das Suchmonopol von Google größere Unternehmen aus strategischen Gründen davon abhält, Google durch Nutzung des kostenlosen Google Analytics auch noch die Traffic-Daten der eigenen Webseite zu liefern. Außerdem sind unabhängige spezialisierte Analytics-Anbieter eher in der Lage, das angesprochene Integrationsproblem zu lösen."

Christian Sauer, Geschäftsführer Webtrekk:
"Ich sehe drei große Herausforderungen:
1. Die zunehmende Vielfalt an verfügbaren Datenquellen und deren Integration mit klassischen Webanalysedaten
2. Die Automatisierung von Auswertungen zur automatischen Aussteuerung von Inhalten
3. Die Integration von Data-Mining-Techniken zur automatischen Entdeckung von interessanten Ereignissen in den Webanalysedaten
Social Media Tracking wird dabei immer wichtiger. Bei vielen amerikanischen Seiten haben Facebook und Twitter bereits Google als wichtigsten Traffic-Lieferanten abgelöst. Zwei Arten von Social Media Tracking sind hier zu unterscheiden: Zum einen die unternehmenseigenen Social-Media-Aktivitäten, zum anderen die Gespräche der Nutzer im Netz. Erstere können von klassischen Tools erfasst werden. Zweite erfordern Crawler, die die Social-Media-Seiten nach Beiträgen durchforsten, die das Unternehmen betreffen. Eine Integration dieser beiden Methoden in eine Lösung scheint in Zukunft unausweichlich.
Der Akquisitionstrend droht Firmen in stärkerem Maße von ihrem Anbieter abhängig zu machen, bietet dafür im Gegenzug eventuell einige Integrationsvorteile mit dem eigenen Produktportfolio – aber auch nur mit damit. Im Gegenzug kauft man sich die großen Verwaltungsprozesse von Korporationen ein.
Dennoch scheint es für Analytics-Firmen unausweichlich sich Partner zu suchen, ob das gleich in Form einer Übernahme sein muss, sei einmal dahingestellt. Unabhängige Anbieter haben schließlich auch Vorteile wie Innovationskraft, individuellere Beratung und größere Offenheit bei der Entwicklung von Schnittstellen. Aber es bleibt natürlich spannend zu sehen, wie sich der Markt entwickeln wird."

Akin Arikan, Director of Product Strategy, Online Marketing Solutions Group bei Unica:
"Web Analytics ist eine der zentralen Komponenten für erfolgreiche Marketing-Management-Lösungen. Einer der Trends, der sich hier abzeichnet ist, dass Webanalyse nicht mehr nur auf die eigene Website zugeschnitten sein sollte, sondern auch neue Kanäle wie Facebook und Twitter sowie Sites für mobile Anwendungen integrieren muss. Diese Onsite- und Offsite-Integration ist aus meiner Sicht eine der größten Herausforderungen für Webanalyse-Teams.
Web-Analytics-Lösungen sollten über Social Media gewonnene Daten unbedingt abdecken. Wichtig ist hierbei zum einen zu analysieren, ob sich der Bekanntheitsgrad einer Marke in Form zusätzlichen Traffics auf die eigene Website auswirkt. Zudem sollten die wichtigsten Influencer hinsichtlich des eigenen Unternehmens und der eigenen Produkte identifiziert werden. Interaktionen, die aus Social-Media-basierten Anwendungen resultieren, sollten ebenfalls in die Analyse mit einfließen.
Die Übernahmen der letzten Zeit machen deutlich, welch wichtige Stellung Web Analytics im Marketing einnimmt. Unica hat diesen Trend frühzeitig erkannt und bereits 2006 mit Sane Solutions einen Web-Analytics-Spezialisten übernommen. Durch die gestiegene Bedeutung von Web Analytics wird die Konsolidierung im Markt wahrscheinlich weiter voranschreiten.
Aus unserer Sicht besteht die Herausforderung bei einer solchen Übernahme darin, Web Analytics nahtlos in vorhandene Marketing-Suites zu integrieren. Über den Erfolg einer Übernahme entscheidet letztendlich, inwiefern Web Analytics in das vorhandene Produktportfolio passt."