Für Bezahlschranken im Web gibt es einige Ideen.
Für Bezahlschranken im Web gibt es einige Ideen.
Seit Jahren rätseln die Verlage, wie sie mit Paid Content Geld verdienen können. Jetzt zeigt sich: Einen Königsweg gibt es nicht. Aber einige vielversprechende Beispiele.
Die Gewinner der European Digital Media Awards sind jedes Jahr interessante Gradmesser. Wenn der weltweite Publisher-Verband WAN-IFRA Mitte April seine Preise vergibt, lässt sich daran gut ablesen, wo die Verlagsbranche auf ihrem Weg der digitalen Transformation gerade steht. Ausgezeichnet werden dort unter anderem die beste News Website, der beste Einsatz von Videos oder das vielversprechendste digitale News Start-up.
Diesmal war "Zeit Online" unter den Preisträgern. Der Publisher erhielt einen Award für seine Paid-Content-Strategie, Ihm scheint gerade die Quadratur des Kreises zu gelingen. Einerseits werden die Zeit-Online-User mit sämtlichen Stories der gedruckten Ausgabe versorgt - und das überwiegend umsonst. Andererseits führt diese Strategie trotzdem dazu, dass Hunderte von Usern ein Abonnement der gedruckten oder digitalen "Zeit"abschließen.
Das als "Z+" bezeichnete Paid-Modell ist bei genauerem Hinsehen eine spezielle Kombination bislang marktüblicher Herangehensweisen. Es sieht keine harte Bezahlschranke vor, wie sie viele Fachverlage bevorzugen, sondern vereint Elemente aus dem Freemium, dem Metered und dem Abomodell.
Und das geht so: Alle Artikel aus der gedruckten "Zeit" (oder ihrem digitalen Pendant) werden auf Zeit Online gehievt. 90 Prozent dieser Beiträge sind mit einem grauen "Z+" gekennzeichnet. Wer sie lesen will, muss nichts bezahlen, nur seine Daten hinterlegen. Die Titelgeschichte, große Dossiers oder Ressortaufmacher sind wiederum mit einem roten "Z+" gekennzeichnet. Diese "Prinzessinnen" (Redaktionsjargon) kann nur lesen, wer ein vierwöchiges Probeabo abschließt.
Jeden Tag rund tausend neue Registrierungen
Rund 30.000 Probeabos habe dies seit Einführung vor rund einem Jahr gebracht, erklärt Enrique Tarragona - und dazu Daten von rund 470.000 Usern, die sich neu angemeldet haben. "Wir zählen immer noch täglich rund 1.000 Neuregistrierungen“, so der Geschäftsführer von Zeit Online. "Mit so konstant hohen Zahlen haben wir zu Beginn nicht gerechnet." Die Adressen nutzt der Verlag, um die User über intelligente E-Mail-Anstoßketten in ein Abo zu überführen. Tarragona: "Darüber hinaus versuchen wir natürlich auch, das Engagement der registrierten Nutzer auf unserer Seite weiter zu steigern. Insofern arbeiten wir ständig daran, den Leuten neue und gute Gründe zu geben, immer wieder zu uns zu kommen."
Das Beispiel kann als Beleg dafür gelten, dass in den Paid-Content-Gärten der Verlage erste zarte Pflänzchen gedeihen. Jahrelang hatten die Publisher dort geackert, am Ende aber immer die schmerzliche Erfahrung gemacht: Riegelt man den Online-Auftritt ab und macht ihn nur für die Abonnenten zugänglich, schmiert die Reichweite ab, worauf die Werbekunden wegbleiben. Verschenkt man dagegen den Content an die User, sorgt das zwar für Reichweite, doch die Werbeeinnahmen reichen nicht aus, um eine aufwendige Redaktion zu finanzieren. Viele digitale Publishing-Strategien vollführen zwischen diesen Polen bis heute einen veritablen Zickzackkurs.
"New York Times": 2,5 Millionen Digitalabos
Inzwischen gibt es immer noch kein Modell, das als Blaupause für eine erfolgreiche Paid-Strategie im Netz gelten könnte, aber immerhin einige Erfolgscases. Zu ihnen zählt beispielsweise die "New York Times". Die Zeitung stand vor wenigen Jahren vor dem wirtschaftlichen Kollaps, hat inzwischen aber eine erstaunliche Entwicklung hingelegt. Herausgeber Arthur O. Sulzberger Jr. war einer der Ersten, die auf ihrem Portal eine Bezahlschranke einführten und dabei auf das Metered Model setzten. Die User können seitdem nur noch fünf Artikel im Monat kostenlos lesen. Wer mehr anklicken will, muss sich für ein Abo entscheiden. Das allerdings gibt es zu überschaubaren Tarifen: Die erste Woche kostet nur einen US-Dollar.
Das Digital-Konzept geht offenbar auf. Aktuell hat die "New York Times" 3,5 Millionen bezahlte Abos, 2,5 davon sind rein digital. Man habe mehr Abonnenten als in der "Goldenen Ära des Print-Journalismus", berichtete Sulzberger auf einer Veranstaltung in Hamburg Ende vergangenen Jahres - was auch viel damit zu tun hat, dass sich in den USA derzeit viele Menschen angesichts von Fake News an journalistisch verlässlichen Marken orientieren. "Trump", so formuliert es Chefredakteur Dean Baquet, "ist gut fürs Geschäft."
Die "New York Times" bietet ihren Usern dabei ein gestaffeltes Digital-Abo an: eine Basisvariante, einen erweiterten Zugriff sowie eine Luxusvariante mit der Möglichkeit, auf den gesamten Content unter NYTimes.com zugreifen zu können - samt dem Archiv der alten Printausgaben, Kochrezepte und Kreuzworträtsel. Diese Stufenvariante hat international viele Fans und Nachahmer gefunden, darunter beispielsweise die Zeitschrift "The Economist" oder die Tageszeitungen "El Espanol" oder "Le Monde".
Motto beim "Handelsblatt": All you can read
Diskutiert wird vor allem, wie viel des Contents ein Publisher verschenken sollte, bevor der User zur Kasse gebeten wird. Nahezu alles, wie es Zeit Online vormacht? Oder gar nichts, wie es zum Beispiel die "Lebensmittelzeitung" exerziert?
Das Thema ist im Fluss, wie die jüngsten Überlegungen bei der Verlagsgruppe Handelsblatt belegen. Dort hatte man im Juli 2014 den sogenannten "Digitalpass" eingeführt, mit dem die User zu einem Preis und einem Login auf alle Bezahlartikel der Website, die Datenbank, Dossiers und E-Paper zugreifen können - samt Vergünstigungen bei verlagseigenen Veranstaltungen. Motto: All you can read. Inzwischen aber hat sich die Stimmung ein wenig gedreht. Gerrit Schumann, der seit Anfang des Jahres die digitale Transformation der Verlagsgruppe verantwortet, sprach sich unlängst für eine "klare Paywall" aus.
Schumann kommt aus der Musikindustrie, war zuletzt beim Streaming-Anbieter Deezer beschäftigt. Er hat damit unmittelbar erlebt, mit welcher Wucht der digitale Wandel das Musikbusiness erfasst hat. Ähnlich wie beim Fernsehen mit den Streaming-Anbietern Netflix und Amazon Prime haben sich dort in den vergangenen Jahren Flatrates durchgesetzt. Wer beispielsweise im Monat 9,99 Euro an den Musik-Streaming-Dienst Spotify überweist, muss sich keine CDs mehr kaufen: Er kann so viele Songs herunterladen und hören, wie er will.
Verlage kämpfen lieber im Alleingang
Bestrebungen, Ähnliches auch für die deutsche Verlagslandschaft einzuführen, setzen sich bislang nicht durch. Ideen dafür gibt es, wie beispielsweise die App "Pocketstory" belegt. Sie bietet ihren Usern über den Provider Mobilcom auch eine Flatrate für die Lektüre in diversen Titeln. Die Verlage aber sind von solchen Ansätzen wenig begeistert. Sie fürchten, ihre starken Marken zu verwässern, wenn sie zusammen mit den Beiträgen anderer Titel innerhalb einer App erscheinen. Und so kämpfen sie lieber im Alleingang gegen die Veränderungen durch die Digitalisierung.
Für manche könnte dieser Kampf erfolgreich sein. Aktuelle Untersuchungen weisen darauf hin, dass generell die Bereitschaft wächst, für News im Netz Geld auszugeben, wenn auch nur langsam. Danach haben 15 Prozent der User schon mal für News bezahlt, Tendenz steigend. Am liebsten wird dabei Paypal verwendet.
"Umfragen zeigen, dass die Zahlungsbereitschaft für digitalen Journalismus steigt", betont ein Sprecher der "Bild". "Das liegt einerseits an Content-Angeboten wie Film- und Musik-Streaming, wo eine Zahlungspflicht mittlerweile selbstverständlich ist. Aber auch daran, dass fast alle überregionalen und viele regionale Nachrichtenmedien in Deutschland mittlerweile Paid-Content-Angebote eingeführt haben." Auch die "Bild"versucht seit vielen Monaten ihre Leser an Bezahlangebote zu gewöhnen und ist dabei ganz erfolgreich. Vor allem für Bewegtbild mit exklusivem Inhalt sind die User bereit zu bezahlen, etwa für eine Video-Doku über den "Killer von Herne" oder ein Filmporträt des Fußballstars Joshua Kimmich.
Facebook und Google reagieren mit Angeboten
Als Vertriebsweg findet "Bild" dabei auch die Kanäle Facebook, Google und YouTube interessant. Die US-Giganten bemühen sich derzeit darum, den Publishern das Bezahlgeschäft über ihre Kanäle zu erleichtern. Facebook testet mit "Bild" und "Spiegel" seit vergangenem Oktober die Unterstützung von Abomodellen in den Instant Articles. Dabei gesteht Facebook den Publishern die Kontrolle über Preisgestaltung, Abonnentendaten sowie den gesamten Umsatz zu. Ähnlich agiert derzeit auch Google. Beim Projekt "Subscribe with Google" können User über ihr Google-Login ein Abonnement mit ihrer Nachrichtenseite abschließen - ohne langwierige Eingabe eines eigenen Profils. Weiterer Vorteil für Publisher: Sucht dieser User später über Google ein News-Thema, erscheint die Quelle an prominenter Stelle.

Es geht aber auch ohne Google-Login, sagt Enrique Tarragona. Man muss nur an das eigene Produkt glauben. "Viele publizistische Angebote haben so wenig Selbstvertrauen, dass sie sich nicht vorstellen können, dass sich jemand für ihre Inhalte registrieren würde. Doch die Nutzer machen das tagtäglich für oftmals weitaus weniger spannende Dinge."