Matthias Ehrlich und Mathias Müller von Blumencron
Matthias Ehrlich und Mathias Müller von Blumencron
"Wir haben unglaublich viel verpasst und falsch gemacht“, so FAZ-Digitalchef Mathias Müller von Blumencron. Auf dem Neujahresempfang des BVDW bedachte er die Medienkrise mit kritischen Tönen.
Absicht oder Lapsus: Als BVDW-Präsident Matthias Ehrlich Mathias Müller von Blumencron ans Rednerpult rief, stellet er ihn als "Print-Mann" vor. Das ist der 54-Jährige schon lange nicht mehr. Jahrelang leitete Müller von Blumencron Spiegel Online, bevor er mit Georg Mascolo die Chefredaktion der Marke "Der Spiegel" übernahm. Seit Oktober 2013 ist Müller von Blumencron Chef für Digitales bei der "FAZ".
Sein Vortrag vor rund 300 geladenen Gästen in der feinen Plangeschen Villa an der Hambuger Elbchaussee geriet zur Brandrede gegen vergebliche Hoffnungen, die guten alten Zeiten würden im Print-Journalismus zurückkehren. Seiner Zunft warf der Journalist Bequemlichkeit und mangelnden Mut zur Veränderung vor und fragte "Sind wir unzufrieden genug?" Messerscharf analysierte er, dass sich reiner Journalismus über Paywalls nicht finanzieren lasse, so wie auch früher Zeitungen nicht nur deshalb gekauft wurden, weil sie journalistische Inhalte boten. Wichtig war auch immer der Serviceteil: TV-Programm, Stellen- und Immobilienanzeigen, das Wetter - lauter Dinge, die es heute im Netz umsonst gibt. Die mobile Revolution, so der FAZ-Mann, berge viele Chancen, die aber von Journalisten ein hohes Maß an Innovationsfreude und Beweglichkeit erforderten: "Wir müssen unsere Leser besser kennen lernen."
Zum Abschluss seiner Rede nahm Müller von Blumencron die anwesende Online-Werbenbranche in die Pflicht: "Sie, liebe Agenturgründer, müssen lernen, mobile Werbung zu verkaufen. Wenn Sie das nicht lernen, dann werden wir alle untergehen, und zwar Sie zuerst."
Zuvor hatte BVDW-Präsident Ehrlich die Anwesenden auf ein Jahr voller Herausforderungen eingestimmt und dabei die wichtige Rolle des Branchenverbandes im Ringen um günstige Rahmenbedingungen für die digitale Wirtschaft betont. Die, so Ehrlich, trägt inzwischen mit einem Jahresumsatz von 85 Milliarden Euro zu 3,1 Prozent am Bruttosozialprodukt Deutschlands bei. Die Forderungen, die Ehrlich formulierte, sind zwar bekannt, aber deshalb nicht weniger dringlich. Er mahnte eine bessere Finanzierung von Start-ups an und forderte Wettbewerbsgerechtigkeit zwischen deutschen und US-Unternehmen. Das Rennen gegen die Internet-Riesen aus Amerika gibt der Verbandschef noch nicht verloren: Bei Themen wie Internet der Dinge und Industrie 4.0 sieht er den deutschen Innovationsgeist gefragt. Die Digitale Transformation sei inzwischen ein echtes Querschnittsthema geworden, das alle Lebensbereiche berühre, so Ehrlich, "doch wir müssen sie aktiv mitgestalten, wenn wir handelndes Subjekt sein wollen und nicht nur Objekt."
Der BVDW, der in diesem Sommer 20 Jahre alt wird, will sich organisatorisch verstärken. So soll das Berliner Büro ausgebaut und die Brücken zur Politik verbreitert werden. Nach dem Abgang von Tanja Feller als Geschäftsführerin im Sommer 2014 war Präsidiumsmitglied Christoph von Dellinghausen als Interimslösung eingesprungen. In Hamburg präsentierte Ehrlich einen neuen Geschäftsführer: Marco Jung wechselt vom ITK-Branchenverband Bitkom nach Düsseldorf. Dafür verliert der BVDW mit Thomas Schauf einen wichtigen Mann: Der Leiter Europa und Internationales verlässt den Verband und geht als Lobbyist zur Telekom.
Ein besonderes Anliegen ist dem BVDW-Präsidenten die Digitale Agenda der Bundesregierung. In Hamburg erneuerte er seine Einschätzung, dass der Plan der Regierung grundsätzlich zu begrüßen. die einzelnen Maßnahmenpakete dagegen zu zaghaft geplant seien. Dazu hatte Ehrlich bereits 2014 in einem Interview Stellung bezogen.